Heilige, Krümelmonster und die NSA

Von Sebastian Hahn
Michael O'Neill wurde mit Irland Gruppenerster
© getty
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Während in Albanien erst am Sonntagabend die Feierlichkeiten zur EM-Qualifikation starteten, war die Party auf Europas nördlichster Insel fast schon wieder vorbei. Denn die Isländer hatten sich als eines der ersten Teams für die Endrunde in Frankreich qualifiziert - trotz namhafter Gegner wie den Niederlanden, der Türkei oder Tschechien. Ein unfassbarer Lauf von sechs Siegen in den ersten sieben Spielen, darunter zwei Siege gegen den WM-Dritten aus den Niederlanden, legten den Grundstein für eine erfolgreiche Qualifikation, die mit einem 0:0 zuhause gegen Kasachstan komplettiert wurde.

"Mir fehlen die Worte, davon habe ich schon geträumt, als ich das erste Mal gegen einen Ball getreten habe", erklärte Kapitän Aron Gunnarsson, der beim englischen Zweitligisten Cardiff City unter Vertrag steht. Island ist mit rund 320.000 Einwohner das kleinste Land, das sich je für eine Europameisterschaft qualifizieren konnte. Alleine 3.000 Anhänger reisten mit in die Niederlande, um den 1:0-Erfolg gegen die Elftal mitzuerleben - also ein Prozent der Gesamtbevölkerung! Ob in Krümelmonster-Kostüm oder mit Winkingerhelm, eins steht fest: Die Nordlichter werden auch im kommenden Sommer in Frankreich ihre Mannschaft lautstark unterstützen.

Hochprofessionelle Bedingungen

Mit etwas mehr als 20.000 angemeldeten Spielern haben die Isländer außerdem knapp 300 Mal weniger als der DFB - und dafür sind die "Strákarnir okkar" (unsere Jungs) ganz schön talentiert. Ex-Hoffenheimer Gylfi Sigurdsson war mir fünf Treffern erfolgreichster Schütze der Isländer in der Qualifikation, Kolbeinn Sigthorsson machte sich in der Eredivisie bei Ajax einen Namen, bevor er im Sommer zum FC Nantes in die Ligue 1 wechselte.

Schon in der WM-Qualifikation 2014 scheiterten die Skandinavier nur knapp in den Playoffs an Kroatien - ein Zeichen für die Qualität, die die Spieler im hohen Norden Europas mittlerweile entwickelt haben. "Die isländischen Jugendtrainer haben einen großen Anteil an diesem Erfolg. Sie gehören zu den Besten der Welt", erklärte Assistenztrainer Heimir Hallgrimsson nach dem umjubelten Unentschieden gegen Kasachstan. Tatsächlich sind die Bedingungen in Island in den letzten Jahren deutlich besser geworden. Fast überall gibt es mittlerweile Kunstrasenplätze, zudem stehen die Sporthallen im Land nahezu jedem offen, wenn dort kein Verein trainiert oder diese von einer Schule benutzt wird. Und dann wäre da ja noch Lars Lagerbäck.

Der Schwede, der sein Heimatland von 2000 bis 2008 zu fünf Europa- und Weltmeisterschaften in Folge führte, ist der Vater des Erfolgs in Island. Denn nach seinem Amtsantritt 2011, Island hatte gerade die EM-Qualifikation für die Endrunde in Polen und der Ukraine mit nur einem Sieg abgeschlossen, läuft es für den fußballerischen Zwergenstaat.

"Mandela und King, das sind Helden"

Trotzdem ließ sich der 67-Jährige für den sensationellen Erfolg nicht übermäßig feiern, sondern zog nach dem Abpfiff den Reißverschluss seiner Jacke hoch und schritt in Franz-Beckenbauer-Manier über den Platz in Reykjavik. "Es gibt viel Gerede über meine Rolle hierbei und einige sagen sogar, ich sollte jetzt Präsident werden. Unter dem Strich habe ich aber nur mit einer guten Gruppe von Fußballer in einem guten Umfeld sehr, sehr hart gearbeitet. Und sie sind alle wirklich gute Fußballer", gibt sich der Schwede bescheiden.

Lagerbäck ist im Gegensatz zum albanischen Hitzkopf de Biasi ein äußerst ruhiger Zeitgenosse und blickt schon auf die EM in Frankreich: "Viele sagen, dass das alles hier ein Märchen ist, aber wir haben noch viel Arbeit vor uns, bis es nach Frankreich geht." Deswegen gibt sich der Schwede auch unbeeindruckt von dem Heldenstatus, den er jetzt schon in Island innehat: "Nelson Mandela oder Martin Luther King, das sind Helden. Ich bin sicher keiner."

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