Kompakter Raum gegen Dominanz

Von Manuel Behlert
Beide Teams stehen vor der Herausforderung, das taktische Konzept des Gegners zu brechen
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Sowohl Barcelona als auch Juventus haben also die Möglichkeiten den Gegner zu bezwingen. In einem Endspiel entscheiden ohnehin Details über Sieg oder Niederlage, dementsprechend wird es auch im Berliner Olympiastadion auf Nuancen ankommen. Beide Mannschaften befinden sich in einer guten Form und haben bereits die nationale Meisterschaft und den Pokal gewinnen können und sind hochmotiviert das Triple zu erreichen. Die Favoritenrolle geht an den FC Barcelona, der vor allem in der Offensive seine Stärken hat, während Juventus durch Kompaktheit und Effizienz glänzt.

Pirlo als Risiko

Juventus' Struktur ist auch von Andrea Pirlo abhängig. In den letzten Wochen fällt aber auf, dass der italienische Routinier immer wieder leichtsinnige Ballverluste in seinem Spiel hat und im Gegensatz zur restlichen Mannschaft genau jetzt nicht die beste Verfassung in dieser Saison zu haben scheint. Gegen die schnellen Offensivspieler Barcelonas und das konsequente und aggressive Pressing könnte genau das zum Problem werden. Ballverluste sind gegen Barcelona ohnehin eine Katastrophe, wenn sie zu allem Überfluss noch von dem Genie in Sachen Ballverteilung im Zentrum ausgehen, können sie sich zu einem elementaren Problem entwickeln.

Die Frage ist, ob Allegri Pirlo aufstellen wird, wovon man eigentlich ausgehen kann. Die Alternative wäre Pereyra, der die Rolle offensiver interpretiert und womöglich der Spieler im Mittelfeld wäre, der am Häufigsten hinter den Spitzen zu finden ist. Andrea Pirlo ist natürlich auch immer in der Lage trotz der Formproblematik ein großes Spiel abzuliefern und genau das auf den Platz zu bringen, was man von ihm erwartet.

Antizipation und sauberes Passpiel

Im Mittelfeld dürfte es ohnehin während des Spiels häufig eng werden, beide Mannschaften müssen Lösungen finden und das auf engstem Raum und mit wenig Zeit. Es wird entscheidend sein, wer in seinem Passspiel genauer ist und wer besser Situationen und etwaige Angriffe des Gegners antizipiert.

Juventus hat auf dem Papier eine personelle Überzahl im Zentrum, allerdings besitzt Barcelona die Fähigkeit das Spiel immer wieder in die Breite zu ziehen und somit die eigenen offensivstarken Außenverteidiger in das Spiel zu integrieren. Barcelona sollte also mehr Möglichkeiten haben um im engen Mittelfeld die Übersicht zu behalten, spielt man aber unsauber und kann nicht das nötige Tempo entwickeln, könnte sich die Kompaktheit der Italiener als großes Problem herausstellen.

Dominanz und Gegenangriffe

Der FC Barcelona wird im Endspiel mehr Ballbesitz haben und sich so einerseits Sicherheit verschaffen, andererseits hat man so die Möglichkeit das Team von Allegri immer in Bewegung zu haben, was sich gegen Ende des Spieles eventuell auf die Kraft auswirken wird. Das ist nicht nur im Interesse von Juventus, denn man muss natürlich selbst für Entlastung sorgen. Man kann nach Ballgewinnen nicht immer direkt in die Spitze spielen, denn das Risiko, das man damit geht, sorgt in vielen Fällen für Balleroberungen bei Barcelona und in diesen Situationen sind die Turiner unter Umständen anfällig, weil Barca etwas mehr Platz hat.

Wichtig ist für Juventus also, dass man die Gegenangriffe so angeht, dass man zwischen einer lukrativen Kontersituation, bei der man schnell den Weg in das Angriffsdrittel mit einem Abschluss sucht und einer Angriffssituation, bei der es keine Möglichkeiten für ein Anspiel in die Spitze gibt, unterscheidet. Sollte man tatsächlich wenig Platz haben und nicht in den Angriffsmodus umschalten können, muss man selbst den Ball sichern und das Tempo aus dem Spiel nehmen, denn einen offenen Schlagabtausch mit dem FC Barcelona kann Juventus nicht gewinnen.

Nuancen entscheiden

Das Spiel wird also durch Nuancen entschieden, auch wenn Barcelona mehr individuelle Qualität auf dem Platz hat. Juventus hat eine erfahrene Mannschaft, die gut verteidigen kann und taktisch einiges auf Lager hat. Faktoren wie der Schiedsrichter, Glück/Pech und der Zufall spielen eine Rolle und wenn Turin sehr kompakt steht und vielleicht durch einen Konter oder ruhenden Ball in Führung gehen kann, entwickelt sich das Spiel plötzlich in eine unerwartete Richtung. Barcelona hatte im Halbfinale gegen den FC Bayern immer wieder viel Platz, den man gegen das Allegri-Team nicht bekommen wird, dementsprechend müssen die Katalanen Lösungen finden.

Mit dem Dreierangriff und der absurd hohen Qualität ist man aber keinesfalls von Messi abhängig - jeder Offensivspieler kann mit einer Situation ein Spiel entscheiden und dieses Angriffstrio über 90 Minuten aus dem Spiel zu nehmen ist nahezu unmöglich. Auch die Wechsel und taktische Anpassungen während des Spiels können ein wichtiger Faktor sein, Juventus hat unter anderem mit Pereyra, Llorente, Barzagli (Umstellung auf ein 5-3-2) gute Optionen um individuell und taktisch an den Stellschrauben zu drehen. Barcelona kann unter anderem mit Pedro, Rafinha oder Xavi nachlegen.

Alles in Allem ist der Ausgang des Spiels trotz der Favoritenrolle Barcelonas vollkommen offen. Das Spiel in Berlin wird definitiv sehr interessant und voraussichtlich auch nicht früh entschieden. Die Mittel um den Gegner zu gefährden haben definitiv beide.

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