Das vierte Leben des John D.

Von Maximilian Schmeckel
John Daly ist alleine durch seine Outfits ein absoluter Hingucker auf der Tour
© getty

Als Entfant terrible wurde der Golfer John Daly berühmt. Er verspielte über 55 Millionen Dollar in Kasinos, hat vier Scheidungen hinter sich und hatte sich 2009 fast zu Tode getrunken. Heute hat er dem Partyleben abgeschworen und will sich endlich wieder auf Golf konzentrieren - und in die Weltspitze zurückkehren. Ab Donnerstag spielt er bei den BMW International Open in München, einem Turnier, zu dem er eine ganz besondere Beziehung hat.

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"Long-Shot", "Wild Thing", "Anaracho-Athlet", "Punk-Golfer" - die Reihe der Spitznamen für Golfer John Daly ist lang, ebenso die Liste seiner Eskapaden: Spielsüchtig, alkoholsüchtig, raubeinig und wider all die Koventionen des sauberen Golfsport. Kein Spieler der Golf-Branche polarisiert so wie der US-Amerikaner. Bei keinem schwankt das Pendel so extrem zwischen Genie und Wahnsinn.

2009 hieß es "rien ne va plus" bei Golfer John Daly. Es ging nichts mehr, hatte sich fast zu Tode getrunken. "Ich bin am tiefsten Punkt angelangt", sagte er selbst. Die PGA hatte ihn für ein halbes Jahr gesperrt, er hatte etwa 55 Millionen Dollar in Kasinos verspielt und nach drei Entzügen stand ihm eine Magenhalbierung bevor, die sein Gewicht von 150 Kilo reduzieren sollte.

Mit 17 wog er 150 Kilogramm, mit 22 wurde er Profi

Dem schwarzen Jahr voran gegangen waren zwei Lebensabschnitte. Der erste lautete "Erfolg". Daly wurde 1965 in Carmichael, Kalifornien geboren. Nach dem Umzug nach Arkansas entdeckte er früh seine Liebe zum Golfsport. Er fiel schon bald durch seinen gewaltigen Abschlag auf und durch sehr intuitives Golf, das technisch nicht immer sauber, dafür aber gradlinig und emotional war. Mit 17 wog Daly 150 Kilo und sein Trainer verordnete ihm eine strenge Diät.

Daly und Autoritäten, das passte noch nie. Er griff noch exzessiver als zuvor zum Alkohol - und er trank als Student schon extrem viel. Stattdessen absolvierte er Einzeltraining. "Selbsthass, Whiskey und Bier", antwortete er einmal, als er nach den Gründen für seinen steilen Aufstieg gefragt wurde. 1987 wurde er Profi, wirklich abgenommen hatte er nicht. Dafür aber in stundenlangem Training an seinen Drives und Pitches gearbeitet. In minutiöser Arbeit feilte er an seinem Schwung. "Ich habe doch nicht all die Partys sausen lassen, um es jetzt als Profi zu verkacken", lautete sein simples und einleuchtendes Credo.

1991 düpierte er die Elite

Die Fachwelt wurde schnell auf den Amerikaner aufmerksam, der nach einem "verkackten" Putt schon mal ein lautes "Fuck" heraus brüllte und sich nach einem Abschlag eine Marlboro anzündete, die er dann in schnellen Zügen auf dem Weg zum Ball zu Ende rauchte. Vor allem aber staunte die Branche über seine 400-Yards-Abschläge. "Long Shot" wurde er getauft. Er gewann erste Turniere und sorgte 1991 für einen ersten Höhepunkt, der zeigte, dass er keinesfalls nur ein Langdistanz-Experte war, sondern auch die Feinheiten beherrschte. Dazu war er ein gewiefter Taktiker.

1991 fanden in Carmel, Indiana die PGA Championship statt, also eines der vier großen Major-Turniere. Erst eine halbe Stunde vor dem Start kam Daly an. Im Wohnwagen kam er angerattert und schlurfte im weiten und farblich exotischen Pullover mit Bierdose in der Hand zur Anmeldung. Die Kollegen schauten pikiert in die Luft, einige tuschelten unter vorgehaltener Hand und die Turnierleitung sprach eine Verwarnung aus. Am Ende lachte keiner mehr und die Presse knipste wie wild: Mit 276 Schlägen holte sich Daly den Sieg und hatte mal eben so die Weltelite düpiert.

Nach einem dritten Platz bei den Masters 1993 sorgte er 1995 dafür, dass er endgültig in den Golf-Olymp aufgenommen wurde. "Olymp? Da will er nur hin, wenn es da verdammt gutes Bier gibt", sagte sein ehemaliger Trainer. 95 siegte er bei den British Open in der Heimat des Golfsports und die Fans lagen ihm zu Füßen. Ihm, dem übergewichtigen Mann mit dem grünen Pullover, der etwa eine Schachtel Zigaretten pro Runde rauchte und dem unnahbaren Establishment erneut ein Schnippchen schlug.

Daly verzockte 55 Millionen Dollar

Es folgte der zweite und zersetzende Lebensabschnitt mit dem Titel "Abstieg". Daly kostete das Leben, das ihm seine Preisgelder ermöglichten, in vollen Zügen aus. Er hatte vier Ehen, die allesamt in heftigem Rosenkrieg endeten und ihn Millionen kosteten. "Jede Ex trägt heute Rolex", lautet Dalys Kommentar heute. Sex, Drugs and Rock n'Roll - Daly lebte wie ein Rockstar. Er schlief in teuren Hotels, feierte wilde Partys mit Prostituierten und Kokain.

Er tauchte betrunken bei Turnieren auf, wurde betrunken am Steuer seines Wagens erwischt und feierte nächtelang in Kasinos durch. In Las Vegas spielte er Black Jack mit unfassbaren Einsätzen von bis zu 15.000 Dollar - pro Blatt versteht sich. Alleine 1,5 Millionen verspielte er in einer Nacht. 2014 betitelte er seinen Gewinn durch die Kasinos und das Wetten auf 35 Millionen Dollar, bei 90 Millionen Dollar Verlust. Insgesamt hatte er 55 Millionen US-Dollar verzockt.

Dazu kamen die Eskapaden auf dem Grün. Er zerschmetterte die Kamera eines Zuschauers, warf Schläger oder drosch den Ball lustlos in den See, nachdem er aus 35 Zentimetern nicht eingelocht hatte. Gleich 15 Mal schlug er so wild, dass am Ende 10 über Par notiert werden musste.

Legendär auch seine 18-über-Par-Runde, in der er nach einem missglückten Abschlag völlig genervt vor sich hin schlug. "Eigentlich sollte ich sagen, dass ich es bedauere, aber das kann ich nicht: Ich hatte eine Menge Spaß dabei", sagte er 2014 über seine wilde Zeit und täuschte über seine Depressionen und die Leere nach den Party-Nächten hinweg.

"Outlaw der Massen"

Trotz all seiner Negativ-Schlagzeilen und seiner rüpelhaften Aktionen, blieb er stets ein Liebling der Massen. "Daly hat Menschlichkeit in den Golfsport gebracht", schrieb Le Monde und der Guardian beschrieb ihn als "Outlaw der Massen" und "Mann des Volkes". Das lag zum einen daran, dass er nach einem Turnier schon einmal in die örtliche Kneipe ging und ein paar Runden springen ließ, zum anderen an seinem guten Herzen.

Denn hinter der vom Alkohol geschwängerten Fassade war er immer ein guter Mensch und keiner der egozentrischen Sport-Millionäre. "Keine Schule oder Uni kann einen das wahre Leben lehren", sagt Daly. "Ich bin selbst der beste Beweis und möchte das manchmal harte Leben armer Kinder etwas erleichtern." Deshalb unterstützt er zwei große Foundations in den Staaten. Um seine Kinder kümmert er sich inzwischen rührend.

"John bekommt immer eine Einladung, seit er 2001 mal die BMW Open in München gewann. Die Zuschauer lieben ihn einfach, weil er so authentisch und nicht perfekt ist", sagte Marco Kaussler, Direktor der BMW Open. Das Turnier in München Eichenried gewann Daly 2001 unter dem Jubel der Zuschauer. In diesem Jahr startet das Turnier am Donnerstag, mit dabei natürlich Superstar Kaymer, die Granden Lee Westwood oder Henrik Stenson und selbstredend John Daly, der 2001 als erster Amerikaner nach den Anschlägen vom elften September wieder in Europa spielte, weil er es "versprochen hatte."

Verantwortung und Familie

Nach dem Crash 2009 begann sein dritter Lebensabschnitt mit dem Titel "Verantwortung." Er hat den Partys abgeschworen und ist jetzt ein Familienmensch, ein trockener Alkoholiker, der nachdenklich geworden ist. "Wenn ich früher den Kopf gehabt hätte wie heute, wäre ich länger in der Weltspitze gewesen", sagte er. 2014 gewann er die Beko Classics und es geht sportlich wieder langsam bergauf, auch wenn ein Major-Sieg in weiter Ferne liegt. Auch der Traum vom Ryder-Cup dürfte ausgeträumt sein: Daly ist der einzige zweimalige Majors-Sieger, der nie beim Duell zwischen Europa und USA mitwirken durfte.

"Vielleicht bin ich ja mit 60 soweit, dass ich den Kopf von heute und den Körper von früher mal zu einem guten Seniorengolf verbinden kann", sagt er heute. Im nächsten Jahr wird er 50 und auch wenn Daly sich geläutert zeigt, den Konventionen seiner Sportart will er sich nicht gänzlich beugen. Das zeigt sich im Verweigern von Cardio-Training und anderweitigem "neumodischem Schrott". "Einige Jungs wollen ein wenig mehr Cardio-Training machen. Ich kann nicht mit einer Zigarettte auf dem Laufband stehen", so Daly, "ich glaube nicht, dass sie mich rauchend in eine Turnhalle lassen."

Vierter Lebensabschnitt?

Der zweite Beweis, dass er sich die "Fuck-you"-Attitüde bewahrt hat sind seine Outfits. Während Kaymer und Co. mit Bügelfalten-Hosen, weißen Hemden und akkuraten Frisuren über das Grün schreiten, wankt Daly mit seinem schrägen Pony-Schnitt und in kunterbunter Kleidung umher, die er in eigenen Kollektionen verkauft. Quietschgrüne Hemden mit Streifen oder Blitzen, Hosen mit nackten Frauen darauf. "Das Leben ist doch sonst so grau, da versuche ich, etwas Farbe reinzubringen."

In München will Daly "einfach Golf spielen" und die Vergangenheit ruhen lassen, denn er ist einer, der nach vorne schaut. Vorne, da sollen wieder die gewaltigen Abschläge die Schlagzeilen bestimmen. Und hinten sollen all die Drinks, die verzockten Millionen, die Rangeleien, das Koks und der Sex der Vergangenheit angehören.

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