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Johnny Quinn sollte man lieber nicht in ein Zimmer einsperren
© getty

Der erste Tag der Olympischen Spiele in Sotschi liefert bereits denkwürdige Momente en masse. Johnny Quinn zerlegt seine Badezimmertür, Ole Einar Björndalen dreht die Zeit zurück und Mr. Kotsenburg schreibt Geschichte. Und die Deutschen? Nun ja, es gibt Luft nach oben.

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Die deutschen Athleten hatten am ersten Tag der Olympischen Spiele nichts mit der Medaillenvergabe zu tun. Gar nichts. Man muss natürlich erwähnen, dass die Chancen in den ersten fünf Wettbewerben in Sotschi im Vorfeld als nicht besonders hoch erachtet wurden.

Trotzdem blieben gerade die deutschen Biathleten hinter den Erwartungen zurück - ausgerechnet im Sprint, ihrer eigentlich erfolgreichsten Olympia-Disziplin (4x Gold, 4x Silber, 1x Bronze). Kein DSV-Jäger kam unter die Top Ten - als bester beendete Simon Schempp, der die beiden letzten Weltcups vor Sotschi für sich entschieden hatte, das Rennen auf Platz 15.

Der Tag zum Nachlesen im Ticker

"Das war eine richtige Packung! Mir ist das völlig unerklärlich und ich schäme mich ein bisschen", wählte Christoph Stephan (Rang 57) deutliche Worte. Das Problem an der Sache: Weil die Platzierungen im Sprint für die Verfolgung gelten, sieht's auch für die Jagd am Montag nicht sonderlich rosig aus.

Anders als bei einem gewissen 40 Jahre und 12 Tage alten Norweger. Ole Einar Björndalen schockte mit einer unfassbaren Schlussrunde, auf der er unter anderem Emil Hegle Svendsen 20 Sekunden abnahm, die komplette Konkurrenz und holte sich seine siebte Olympische Goldmedaille: "Das war einer meiner größten und wichtigsten Siege."

So weit ist Sage Kotsenburg noch lange nicht. In die Geschichtsbücher trug sich der US-Boy trotzdem ein - als erster Olympiasieger im Snowboard-Slopestyle. Ansonsten business as usual: Marit Björgen gewann den Skiathlon und die Niederlande dominiert angeführt von Sven Kramer die 5000 Meter im Eisschnelllauf.

Aber keine Sorge: Am zweiten Tag (6.30 Uhr im LIVE-TICKER) wird es deutsche Medaillen geben. Sicher? Sicher! Immerhin stehen die letzten beiden Läufe bei den Rodlern auf dem Programm - dank Felix Loch eigentlich eine Garantie auf Gold. Andrea Henkel könnte im Sprint die Ehre der Biathleten wieder herstellen und Severin Freund und Co. kämpfen von der Normalschanze um Edelmetall. Das Highlight ist aber natürlich die Abfahrt der Männer samt Bode Miller und Aksel Lund Svindal - wenn sie denn die richtigen Startnummern finden, nachdem es bei der Vergabe zu einer Doppelung kam.

Die Entscheidungen des Tages:

WettbewerbEntscheidung
Snowboard/Slopestyle, MännerKostenburg schlägt "Großmaul" Parrot
Langlauf/Skiathlon, FrauenBjörgen stürmt zu Gold
Eisschnelllauf/5000 m, MännerDreifacherfolg für die Niederlande
Biathlon/Sprint, Männer7. Olympiasieg für König Ole Einar
Freestyle-Skiing/Buckelpiste, FrauenSchwesternpaar holt Doppelsieg

Was sonst noch wichtig war:

Eishockey: Das ewige Duell Kanada vs. USA geht wohl am Schwarzen Meer in die nächste Runde. Zumindest haben die beiden Erzrivalen ihre ersten Aufgaben ziemlich locker gemeistert. Die US-Girls legten gegen Finnland den perfekten Start hin und gingen bereits nach 53 Sekunden in Führung. Am Ende stand ein standesgemäßer 3:1-Erfolg zu Buche. Team Canada machte es noch deutlicher und schoss die Schweiz mit 5:0 ab. Mit Blick auf die Torschussstatistik (69:14) sollten die Ahornblätter aber vielleicht noch ein wenig an ihrer Effizienz arbeiten. Wobei: Beim Gegner steht ja auch nicht immer eine Florence Schelling (siehe Frau des Tages) im Kasten.

Rodeln: Mal im Ernst: Alles andere als Gold für Felix Loch wäre eine große Enttäuschung. Und nach dem ersten Tag deutet vieles auf die Titelverteidigung des legitimen Nachfolgers von Georg Hackl hin. Loch musste zwar im ersten Lauf noch Routinier Albert Demtschenko den Vortritt lassen. In Durchgang zwei demonstrierte er aber seine Klasse, verbesserte den Bahnrekord und grüßt vor der Entscheidung am Sonntag von der Spitze. Ebenfalls gut im Rennen: Andi Langenhan, der hinter dem ewigen Armin Zöggeler auf Platz vier liegt.

Eiskunstlauf: Gut gekämpft und doch gescheitert: Die deutschen Eiskunstläufer haben bei der Olympischen Premiere des neuen Teamwettbewerbs die erhoffte Überraschung verpasst. Nach Rang fünf am ersten Tag fiel die Mannschaft noch auf den achten Platz zurück und tanzte damit am Kürfinale, das am Sonntag stattfindet, vorbei. Selbst der Trick von Nelli Zhiganshina mit einem neuen sexy Outfit ging nicht wirklich auf: "Das überstrahlt vielleicht so manchen Fehler." In Führung liegt - Überraschung - der Gastgeber aus Russland.

Skispringen: Bockstarke Vorstellung der deutschen Adler! Severin Freund legte in der Qualifikation von der Normalschanze einfach mal den weitesten Flug des Tages hin (104 Meter). Auch Andreas Wank setzte ein kleines Ausrufezeichen (102,5 Meter). Bei Andreas Wellinger (96,5 Meter) und Richard Freitag (94 Meter) lief zwar noch nicht alles optimal, aber gerade der Youngster hatte bei seinem Sprung nicht die besten Bedingungen. Und die Topstars? Gregor Schlierenzauer segelte wie Freund auf 104 Meter, Tournee-Sieger Thomas Diethart kam auf 99,5 Meter und damit genauso weit wie Thomas Morgenstern, dessen Start vier Wochen nach seinem schweren Sturz eh schon eine Medaille verdient hätte. Kamil Stoch und Simon Ammann mussten sich mit 100 Metern begnügen.

Mann des Tages: Johnny Quinn

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Ein altes Sprichwort, das viel zu inflationär gebraucht wird. Bei Johnny Quinn kommt man aber einfach nicht daran vorbei. Der US-Boy sollte an Tag eins eigentlich gar keine große Rolle spielen. Als Anschieber im Bob war sein erster Auftritt für den 16. Februar geplant.

Allerdings kam ihm am Samstag die - sagen wir mal - nicht gerade hochklassige Behausung in Sotschi dazwischen. Nach einer Dusche wollte er sein Badezimmer verlassen, doch das Schloss klemmte. Aber nicht verzagen, Johnny fragen! Quinn erinnerte sich an seine Vergangenheit als NFL-Profi (Wide Receiver) bei den Billls und Packers und zerlegte kurzerhand die Tür - aber so richtig. Sein Kommentar auf Twitter: "Ich hatte halt kein Handy dabei." Was lernen wir daraus: Don't mess with Johnny!

Übrigens: Quinn ist Gründer des Programms "The Athlete Watch" und kümmert sich darin um junge Sportler, die ein College suchen. Was in der ersten Stunde auf dem Plan steht, dürfte spätestens jetzt klar sein...

Frau des Tages: Florence Schelling

Wer fünf Gegentore kassiert, kann eigentlich nicht zufrieden sein. Das gilt im Fußball, aber auch auf dem Eis. Aber mal im Ernst: Will man der zuckersüßen Florence Schelling einen Vorwurf machen? Nein, und das liegt nicht am Aussehen. Zumindest nicht nur.

Wer das kanadische Schnellfeuerfestival mit insgesamt 69 Schüssen überlebt, ist einfach ein Sieger. Am Ende hatte der Goalie der Schweiz unfassbare 64 Saves auf dem Konto - und sorgte wohl für das eine oder andere graue Haar beim Gegner. Nicht ohne Grund erklärte ihr Coach Rene Kammerer vor dem Turnier: "Sie gehört zu den besten drei Torhüterinnen auf der Welt. Und wenn sie zeigt, was sie kann, ist sie ganz oben auf dem Treppchen."

Daran haben wohl auch ihre Brüder einen nicht gerade kleinen Anteil. Das Duo brauchte einst beim nachmittäglichen Hockey einen Goalie, und da wohl gerade niemand anderes zur Hand war, stellten sie einfach die kleine Florence in den Kasten. Die Passion war geweckt - und führte sie in Sotschi mit gerade einmal 24 Jahren zu ihren dritten Olympischen Spielen.

Sprüche des Tages:

"Wenn man nicht hundertprozentig bei der Sache ist, kann dich die Strecke umbringen." (Bode Miller hat durchaus Respekt vor der Olympia-Abfahrt)

"Es wird keine weißen Elefanten geben." (OK-Chef Dmitri Tschernyschenko blickt optimistisch in Sotschis Zukunft)

"Moskau 1980 und Peking 2008 waren Spiele, die autoritäre Systeme zur Propaganda für ihre Länder und sich selbst, die herrschende Partei, ausgerichtet haben. Sotschi steht wie Berlin unter einem anderen Vorzeichen. Diese Spiele drehten sich nur um einen einzigen Mann: In Berlin war es Hitler, in Sotschi war es Putin. Es geht um einen Personenkult." (Ex-Schachweltmeister und Kreml-Kritiker Garri Kasparow lässt sich den Mund auch während Olympia nicht verbieten)

"Es war brutal hart vom ersten Meter an. Vielleicht habe ich die zwei Fehler nur geschossen, weil ich nur noch geschielt habe." (Christoph Stephan war nach dem Biathlon-Debakel bedient - und sollte schleunigst einen Augenarzt aufsuchen)

"Die Unterkunft ist in Ordnung, aber nehm' dir bloß dein eigenes Bettzeug mit." (Hoffentlich hat Österreichs Slalom-Hoffnung Marlies Schild den Tipp ihrer Teamkollegen befolgt)

"Der einzige Unterschied ist: Ich schließe die Badezimmertüre ab, er nicht." (Eisschnellläuferin Iren Wüst über das Teilen eines Appartements mit dem männlichen Kollegen Koen Verweij. Das sollte Johnny Quinn vielleicht auch beherzigen)

"Ich bin Kanadier. Mein Herz schlägt kanadisch, mein Kopf denkt kanadisch und meine Methoden sind kanadisch." (Curling-Coach Marcel Rocque - in Sotschi für das chinesische Team verantwortlich)

"Bei meinen ersten Olympischen Spielen wollte ich groß rauskommen und flachgelegt werden. Beim zweiten Mal wollte ich berühmt werden und viel Geld verdienen, aber das hat 2010 nicht geklappt. Daher will ich dieses Mal einfach mein Bestes geben, ich will bei meinen letzten Läufen besser sein als jemals zuvor." (Snowboarder Crispin Lipscomb - 'nuff said!)

"Kompliziert." (Status von Petter Northug auf Facebook in der Rubrik Familienstand)

"Schlecht." (Antwort von Northug auf die Frage, wie sich Beziehungen auf seine sportliche Leistung auswirkten)

Zahlen des Tages:

12 Olympische Medaillen hat Ole Einar Björndalen durch das Sprint-Gold auf dem Konto. Der Norweger zog damit mit Björn Dählie gleich und führt zusammen mit seinem legendären Landsmann die Liste der erfolgreichsten Winterolympioniken an.

8,99 Millionen Zuschauer hatte das "ZDF" bei der Eröffnungsfeier am Freitag. Das entspricht einem Marktanteil von 39,5 Prozent. Respekt, liebe Kollegen!

6 Mal will Marit Björgen in Sotschi Gold holen. Die Langlauf-Ikone würde damit die Bestmarke des amerikanischen Eisschnellläufers Eric Heiden auslöschen, der 1980 in Lake Placid fünf Goldene gewann. Nummer eins sackte Björgen am Samstag im Skiathlon ein.

16 5000-Meter-Rennen in Folge hat Sven Kramer durch den Erfolg in Sotschi für sich entschieden. In Sachen Langeweile kann er sich ja Ratschläge von seinem guten Freund Arjen Robben holen.

83,5 Meter sprang Nico Polychronidis, der als erster griechischer Skispringer bei Olympia an den Start geht, in der Quali von der Normalschanze - und schied damit leider schon aus.

0 Spiele wird das DEB-Team bei Olympia machen. Die Quali hat man ja versiebt. Stattdessen gewann man das Vierländerturnier in Briancon. 4:1 gegen Kasachstan hieß es beim dritten Sieg in drei Tagen. Interessant, oder?

Name des Tages: Sage Kotsenburg

Wer hat 2010 in Vancouver die erste Goldmedaille geholt? Und wer bei Olympia 2006? Die Antworten dürften die wenigsten Menschen wissen. Das könnte sich diesmal ändern, zumindest im deutschsprachigen Raum. Dafür ist Sage Kotsenburgs Name einfach viel zu sehr zum Schmunzeln geeignet und bleibt dadurch in Erinnerung.

Außerdem schrieb der US-Boy ja auch Geschichte. Es war der erste Slopestyle-Event der Olympia-Historie - und konnte die Zuschauer auf ganzer Linie überzeugen. Kotsenburg sorgte mit einem 1620 Japan Air Mute Grab, seinem Heiligen Gral, wie er diesen neuen Trick nennt, für das große Highlight.

Topfavorit Maxence Parrot, der nur Fünfter wurde, war dagegen not amused: "Ich habe keine Ahnung, was die Juroren heute erwartet haben. Sages Lauf war sehr cool, sein Style ist großartig. Wäre nur schön gewesen, wenn die Juroren uns vorher gesagt hätten, was sie sehen wollen." Oder anders ausgedrückt: Es war einfach zum Kotsen!

Der Olympia-Zeitplan

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