Mit Linie 29 zur Titelverteidigung

Von Felix Maier-Lenz
So sehen Olympiasieger aus: Die Tre Kronor beim Goldmedaillengewinn 2006 in Turin
© Getty

Olympia im Mutterland des Eishockeys - und dann auch noch mit allen Superstars der NHL. Bei allem Respekt vor den anderen olympischen Sportarten: In Kanada und den USA spricht man fast nur über den großen Hockey-Clash der Großmächte in Vancouver. SPOX stellt die Teams der Top-6-Eishockey-Nationen in Porträts vor und sagt voraus - nicht ganz ernst gemeint -, wie sie sich die Goldmedaille holen werden. Teil 4: Schweden.

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Tor: Klare Nummer eins im Tor der Schweden ist Henrik Lundqvist. Seine Statistiken liegen im absoluten Top-Bereich, mit einer Fangquote von über 92 Prozent ist er in derselben Sphäre wie seine Konkurrenten Jevgeni Nabokov oder Martin Brodeur. Mit seiner Physis, vor allem aber seiner Ruhe ist er der Garant des schwedischen Defensivspiels.

Ein weiterer unschätzbarer Vorteil ist seine Länderspielerfahrung inklusive der 2006 gewonnenen Goldmedaille von Turin. Auch wenn seine Backups Gustavsson und Liv richtig Gute sind, brauchen die Tre Kronor Lundqvist in Top-Form für den ganz großen Wurf in Vancouver.

Abwehr: In der Verteidigung brauchen sich die Schweden hinter keiner Nation zu verstecken. Im Gegenteil, hier sehen viele Experten die Skandinavier an der Spitze. Und dass man mit einer herausragenden Defensive nicht nur Meisterschaften, sondern auch Olympiamedaillen gewinnt, ist kein Geheimnis.

Kern der Hintermannschaft ist natürlich Nicklas Lidström von den Detroit Red Wings. Die mittlerweile 39-jährige NHL-Legende brauchte zu Beginn seiner 19. Saison in Nordamerika zwar etwas Anlaufzeit, hat aber inzwischen zu alter Stärke zurück gefunden - wie insbesondere seine Plus/Minus Statistik beweist.

Der Erfahrung und Übersicht Lidströms hat Coach Bengt-Ake Gustafsson mit jüngeren, schnellen Akteuren wie Tobias Enström und Niklas Kronwall die richtige Mischung beigefügt. Und mit Henrik Tallinder kehrt einer der defensiv stärksten NHL-Spieler in die Nationalmannschaft zurück.

Tallinder über die Erfolgsaussichten: "Unsere Stärke ist das typisch schwedische Spiel, sprich dass wir eine funktionierende Mannschaft sind. Wir haben nicht denselben Kader wie Kanada oder Russland, aber wenn wir gut zusammen spielen, können wir sehr weit kommen."

Sturm: In der schwedischen Presse steht und fällt das Unternehmen Olympia mit einem Namen: Peter Forsberg (36). Seit seiner Rückkehr zu seinem Heimatverein MODO dominiert er - wenn er unverletzt ist - die Elitserie, die neben der russischen KHL als beste Liga Europas bezeichnet werden kann. Mit seiner Technik und Erfahrung kann Foppa einiges bewegen, ist aber bei Weitem nicht die einzige Trumpfkarte im Sturm.

Henrik Sedin von den Canucks ist unter den Top Drei der punktbesten NHL-Spieler, sein kongenialer Zwillingsbruder Daniel absolviert ebenfalls eine seiner besten Spielzeiten in Vancouver. Zusammen mit dem starken Matthias Weinhandl von Dynamo Moskau werden sie eine der heißesten Angriffsreihen des olympischen Turniers bilden.

Diese Formation bildete vor zehn Jahren in Schweden die berüchtigte "Linie 19" (alle drei sind Jahrgang 1980), 2010 in Vancouver soll die "Linie 29" Gold holen. Die Sedins haben außerdem Heimvorteil. Im General Motors Place in Vancouver fühlen sich die Brüder pudelwohl.

Detroits Henrik Zetterberg kriselt zwar derzeit wie sein ganzes Team ein wenig, wird daher aber mehr als motiviert sein, im Nationalteam sein wahres Ich zu zeigen. Nicklas Bäckström von den Caps hat dagegen wahrlich nicht mit Formproblemen zu kämpfen, der 22-Jährige spielt an der Seite von Superstar Alex Ovechkin eine herausragende Saison und wird das auch in Vancouver fortsetzen. Und der erfahrene Daniel Alfredsson erlebt derzeit mit Ottawa seinen gefühlten fünften Frühling.

Trainer: Bengt-Ake Gustafsson trainiert die Tre Kronor seit 2005 und ist somit auch Vater des historischen Doppelerfolgs von 2006, als man wenige Monate nach dem Olympia-Gold auch die Weltmeisterschaft gewann. Dieses Kunststück gelang ihm mit zwei völlig unterschiedlichen Mannschaften - aus dem Siegerteam von Turin waren bei der WM nur noch acht Spieler dabei.

Er ist bekannt dafür, die Meinungen der Spieler - auch zu ihren gewünschten Reihenzusammenstellungen - zu respektieren, was ihm nach anfänglicher Kritik viel Lob eingebracht hat. Ergebnisse sprechen eben für sich. Gustafsson wird nach der WM in Deutschland (7. bis 23. Mai) als Nationaltrainer zurücktreten - möglichst nach dem erneuten Double.

So gewinnt Schweden Gold: Mit einer überragenden Defensive - im Turnierverlauf wurden nur drei (!) Gegentore zugelassen, und die auch noch alle bei der überraschenden Vorrunden-Pleite gegen Deutschland - haben sich die Tre Kronor locker ins Finale gegen Kanada gespielt.

Nach früher Führung des einheimischen Favoriten kippt Mitte des zweiten Drittels die Stimmung in der Arena, als Publikumsliebling Daniel Sedin brutal per Stockstich gefoult und blutend vom Eis getragen wird. Dessen Bruder Henrik erzielt im anschließenden fünfminütigen Power-Play zunächst den Ausgleich, dann Sekunden vor Ende der Überzahl sogar die Führung.

Spätestens jetzt reißen sich die Zuschauer ihre kanadischen Trikots von den Körpern. Zum Vorschein kommen die Sedin-Jerseys der Canucks, die alle Fans vorsichtshalber schon mal unter dem Ahornblatt angezogen hatten.

Im letzten Drittel haben sich die Ahornblätter wieder gefangen und drängen auf den Ausgleich. Gerade als es danach aussieht, als ob sich das Blatt erneut wendet, kehrt der in der Pause notoperierte Daniel Sedin unter tosendem Applaus wieder aufs Eis zurück.

Angeführt von Urgestein Nicklas Lidström werfen sich die Schweden in jeden Schuss. In letzter Sekunde - Kanada spielt mittlerweile mit dem sechsten Feldspieler - kratzt Goalie Lundqvist einen One-Timer von Crosby von der Linie. Die Titelverteidigung ist geschafft. Kurz nach dem Spiel erklären Forsberg und Lidström, bis Sotschi 2014 weiterzumachen.

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