"Ich finde Klinsmann geil"

Von Interview: Florian Regelmann
Stelian Moculescu, Volleyball
© Imago

München - Tatort: Golfclub Owingen-Überlingen. Nach Carnoustie und Torrey Pines der drittschwerste Platz der Welt... 

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Hier am Bodensee entspannt sich Volleyball-Bundestrainer Stelian Moculescu, bevor die heiße Phase in der Olympia-Vorbereitung beginnt.

SPOX traf den 58-Jährigen zum Interview. Und zu einer netten Golf-Runde.

SPOX: Herr Moculescu, was hat die erfolgreiche Olympia-Qualifikation für Sie bedeutet?

Stelian Moculescu: Es war das Ende eines Weges, der neun Jahre gedauert hat. Es war ein sehr steiniger Weg. Ich musste gegen viele Widerstände, auch gegen Misstrauen ankämpfen und wenn man es dann doch schafft, ist das schon ein besonderes Gefühl.

SPOX: Hat die Mannschaft bewiesen, dass sie auf einem neuen, höheren Level angekommen ist und jetzt auch diesen unbedingten Siegeswillen hat, den sie vorher vielleicht nicht in dem Maße gehabt hat?

Moculescu: Ich denke nicht, dass sie den Siegeswillen nicht gehabt hat. Bei dieser Olympia-Qualifikation hat sie aber erfahren, was es heißt, wirklich alles zu geben. Und dann auch belohnt zu werden. Ich glaube, sie waren das erste Mal richtig am Limit. Nicht vom spielerischen, aber rein emotionell. Das könnte für die Jungs wie ein Aha-Erlebnis gewesen sein.

SPOX: Was sagen Sie zu der "leichten" Auslosung für Peking? Brasilien, Russland, Polen, Serbien...

Moculescu: Letztendlich ist es ja keine Auslosung, es wurde über das Ranking entschieden und deshalb war schon vorauszusehen, auf wen wir treffen. Okay, die andere Gruppe mit den zwei asiatischen Teams und Venezuela ist sicherlich ein Tick leichter ist, aber es ist Olympia. Es können sich nur zwölf Teams qualifizieren und da sind dann auch die besten dabei.

SPOX: Haben Sie schon ein Ziel definiert?

Moculescu: Wir werden uns zusammensetzen und für uns intern ausmachen, was wir erreichen wollen. Unser offizielles Ziel ist natürlich, aus der Gruppe herauszukommen und das Viertelfinale zu spielen. Wenn wir das schaffen, haben wir schon viel erreicht.

SPOX: Ein Spieler, auf den es ankommen wird, ist Jochen Schöps. Wie hat er sich seit seinem Wechsel nach Russland weiterentwickelt?

Moculescu: Er spielt in einer sehr starken Liga und das hat ihn sicherlich stabiler und routinierter gemacht. Vom technischen war er ja schon vorher voll ausgebildet. Die Anfangszeit in Russland war schwer für ihn, aber er hat sich da durchgebissen und das macht einen stärker. Er ist einfach ein super Junge.

(Kurzer Zwischenstand vom Golfplatz: Moculescu und der SPOX-Reporter beginnen mit Bogeys auf der 1. An der 2 verzieht Moculescu seinen Abschlag ins Aus, rettet aber noch ein Doppel-Bogey. Den SPOX-Reporter verlässt sein kurzes Spiel. Er spielt auch nur die 6. An der 3 notieren beide ein lupenreines Par. Alles sehr ausgeglichen. Moculescu übrigens im Tiger-style unterwegs. Die Achillessehne schmerzt. Aber er kämpft. Kurzes Gespräch über Tiger. Zitat Moculescu: "Einfach ein Ausnahmesportler." Wohl wahr.)

SPOX: Sie waren 1972 als Spieler bei den Olympischen Spielen, nun sind Sie als Trainer dabei. Schließt sich für Sie ein Kreis?

Moculescu: Das ist richtig. Es gibt nicht viele, die sagen können, als Spieler und Trainer zu Olympia gegangen zu sein. Wenn man es geschafft, eine Nation nach 36 Jahren wieder zu den Olympischen Spielen zu bringen, ist das eine schöne Sache. Es ist mein Abschiedsgeschenk an den deutschen Volleyball. Für mich war schon immer klar, dass danach Schluss ist.

SPOX: Falls Sie in Peking etwas Zeit haben, welche anderen Sportarten würden Sie gerne sehen?

Moculescu: Ich habe gewaltige Erinnerungen an München. Ich habe Walerij Borsow gesehen, ich habe Ulrike Meyfarth gesehen - also die Leichtathletik-Bewerbe wären auf jeden Fall etwas, was mich sehr interessieren würde. Das macht schon Spaß. Und vielleicht das Dream Team der Amerikaner beim Basketball.

SPOX: Wer an Volleyball denkt, denkt an Sie. Sie sind Mister Volleyball. Gibt es eigentlich einen Tag, an dem Sie nicht an Volleyball denken?

Moculescu: Ein Tag, ohne dass man an Volleyball denkt, gibt es nicht. Man hat ja immer irgendwas. Wenn ich nur Trainer in Friedrichshafen wäre oder nur Nationaltrainer, wäre es vielleicht etwas anderes. Aber so ist man immer ganz automatisch in der Tretmühle drin.

SPOX: Sie haben den VfB angesprochen. Welchen Anteil hat er am Erfolg der Nationalmannschaft?

Moculescu: Der VfB hat den größten Anteil. Er hat das Projekt Nationalmannschaft und die Vision immer unterstützt. Sonst hätten wir die ganzen Spieler wie Pampel, Walter, Siebeck, Tischer, Steuerwald, wie sie alle heißen, die Liste ist ja noch verlängerbar - die hätte es ohne den VfB nicht gegeben. Da muss man dem Verein einen großen Dank aussprechen.

SPOX: Sie haben mit jeder Mannschaft, die Sie trainiert haben, mindestens einen Titel geholt. Macht Sie das stolz?

Moculescu: Ich habe mich nie in ein gemachtes Nest gesetzt. Jede Mannschaft, die ich übernommen habe, hat vorher nichts gewonnen. Die haben mit mir Titel errungen und bei den meisten ist es auch so geblieben, dass sie nach mir nichts gewonnen haben. Das ist eine schöne Randbemerkung für mich.

SPOX: Hinter diesem Erfolg steckt ja ein ganz großer Wille. Woher kommt der bei Ihnen?

Moculescu: Das ist bei mir einfach so. Es muss in den Genen liegen. Ich konnte noch nie verlieren. Das war noch nie meine Stärke. Ich war immer einer, der versucht hat, weiterzukommen. Ich wollte immer besser werden. Ich wollte immer der Beste sein.

(Moculescu und der SPOX-Reporter sind auf den Bogey-Zug aufgesprungen. Alles sehr mittelmäßig. Das Gespräch dreht sich um Schwünge. Moculescu studiert den Schwung des SPOX-Reporters: "Typischer Tennisspieler-Schwung. Dominante rechte Hand." War das jetzt verächtlich? Oder ein Lob? Die Antwort bleibt offen. Es wird weiter gekämpft.)

SPOX: Sie waren in ganz jungen Jahren mit 26 schon Spielertrainer bei 1860 München. War es früh klar, dass es in die Trainer-Schiene geht?

Moculescu: Das war erst mal zufällig. Die haben den Trainer rausgeschmissen und keiner wollte es machen. Dann habe ich es halt gemacht und es ging los. Meine ganze Trainerlaufbahn war nicht wirklich geplant. Es hat sich so ergeben. Ich habe es dann in die Hand genommen und das Beste daraus gemacht. Mein Ziel war immer, einmal von meinem Hobby zu leben. Und das habe ich dann relativ spät, mit 31 Jahren geschafft, vorher habe ich immer noch nebenher einen Beruf gehabt.

SPOX: Wie würden Sie Ihren Führungsstil als Trainer beschreiben?

Moculescu: Ich habe mich sicher im Lauf der Jahre ein wenig verändert. Das ist auch gut so. Ich habe aber keinen besonderen Stil. Es gibt ein paar Merkmale, die mir wichtig sind wie Pünktlichkeit oder Disziplin. Die sind ja jedem wichtig. Der Unterschied ist vielleicht, dass ich sie meistens durchsetze.

SPOX: Einer, der ähnlich konsequent wie Sie seinen Weg geht, ist Jürgen Klinsmann im Fußball. Was halten Sie von seinen "neuen" Methoden?

Moculescu: Ich denke, dass man im Fußball vom trainingswissenschaftlichen ziemlich weit hinten war. Das, was Klinsmann jetzt macht, hat es im Volleyball schon immer gegeben. Dass es für den Fußball revolutionär ist, spricht für die Sportart. Gummis, früher haben sie Deuserbänder geheißen, gab es schon in Rumänien. Da waren es Gummischläuche, mit denen wir gearbeitet haben. Das ist wirklich nichts Neues.

SPOX: Was halten Sie grundsätzlich von Klinsmann?

Moculescu: Mir gefällt, was er macht und wie er es macht. Er geht mit dem Kopf durch die Wand. Das ist mir sehr sympathisch. Das habe ich auch immer gemacht. Die meisten Trainer knicken ein und fliegen dann trotzdem. Ich bin noch nie in meinem Leben entlassen worden, aber wenn ich fliege, dann will ich fliegen, weil ich verantwortlich war. Aber wenn ich mich nach jedem richte und dann trotzdem entlassen werde... Die meisten Trainer machen leider diesen Fehler und das finde ich geil bei Klinsmann. Der zeigt selbst Bayern München, wo der Barthel den Most holt.

SPOX: Letzte Frage, wie sehr schmerzt es, dass Volleyball im Fernsehen so in der Versenkung verschwindet. Hinter drittklassigen Boxkämpfen zum Beispiel?

Moculescu: Man kann ja zeigen, was man will. Wenn man Kirmes machen will, und das ist Kirmes, dann soll man es machen. Das ist ja alles nett und ich gönne denen das, aber mein Problem ist, dass die Öffentlich-Rechtlichen immer noch einen Auftrag haben. Allgemein müssen wir uns Gedanken machen über den deutschen Sport. Ich glaube, er ist bei weitem nicht so gut, wie so mancher Funktionär denkt. Wenn die Medienlandschaft so bleibt, dann werden wir in zehn Jahren noch Fußball und Formel 1 haben. Fußball sowieso, weil es da vollkommen egal ist, wie die den Ball treffen. Aber die anderen Sportarten werden es schwer haben, sich zu halten. Wenn wir da unsere Einstellung nicht ändern, werden wir eine Mono-Kultur bekommen. Wenn das gewollt ist, okay. Dann werde ich solange ich auf dem Volleyball-Feld stehe für meine Sportart kämpfen, so wie ich es mein ganzes Leben lang gemacht habe.

SPOX: Was kann man tun?

Moculescu: Ich bin der Meinung, dass sich die Sportarten wie Leichtathletik, Basketball, Handball und Volleyball zusammentun und richtig Druck machen müssen. Bei uns ist es so, dass sich jeder mit Almosen zufrieden gibt. Da läuft die eine Sportart mal ein bisschen bei dem Sender, die andere bei dem, aber so ändert sich nichts. So werden im Endeffekt alle platt gemacht. Solange es keine breite Front gibt der Ballsportarten, der wichtigen Sportarten, solange wird es so weitergehen wie bisher.

(Endstand vom Golfplatz: Moculescu verliert Bälle im Aus und im Wasser. Zu großer Druck? Auch auf den Grüns läuft es nicht. Moculescu: "Kruzifix". Putten lernen wir im nächsten Leben." Der SPOX-Reporter spielt sein unfassbar durchschnittliches Spiel weiter. Reicht am Ende um vorne zu liegen. Inoffiziell versteht sich.)

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