Wird Federer wieder zum Spielverderber?

SID
Roger Federer besiegte Novak Djokovic 2011 im Paris-Halbfinale 7:6, 6:3, 3:6, 7:6
© Getty

Wie 2011 stehen sich im Halbfinale der French Open Roger Federer und Novak Djokovic gegenüber (Freitag, 13 Uhr im LIVE-TICKER). Wie 2011 kann der Schweizer für den Serben zum Spielverderber werden. 2011 beendete Federer die lange Siegesserie von Djokovic, jetzt kann er den Novak-Slam verhindern.

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Es kommt selten bis überhaupt nicht vor, dass Roger Federer die Contenance verliert. Der Schweizer ist ein Gentleman, ein Weltmann mit besten Manieren. Es verblüfft deshalb, wenn man hört, dass der Basler in seiner Jugend ein ziemlich wilder Hund gewesen sein soll, das Sorgenkind der Familie sogar, der viele Schläger auf dem Platz zertrümmert hat.

Dass er diese Unbeherrschtheit bisweilen noch in sich trägt, erlebten die Zuschauer bei den French Open im Viertelfinalspiel gegen den Argentinier Juan Martin del Potro.

Federer: "Shut up"

Federer stand kurz vor dem 0:2-Satzrückstand, als er einem Zuschauer, der sich während der Partie einmischte, mit "Shut up" anraunzte: "Halt die Klappe." Federer zeigte dabei einen angsteinflößenden Gesichtsausdruck. Hinterher gab der 30-Jährige zu, dass es manchmal helfe, "wenn ich auf dem Platz wütend werde".

Gegen den Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic am Freitag im Halbfinale von Paris wird das nicht mehr reichen, da helfen nur exzellente Schläge.

Auf dem Centre Court kommt es vor 15.000 Zuschauern zur Neuauflage des Klassikers aus dem vergangenen Jahr. Federer besiegte den Serben in vier Sätzen und beendete dessen Siegesserie zu Jahresbeginn von 43 Matches ohne Niederlage.

"Wir waren Teil eines unglaublichen Spiels"

Djokovic war nur einen Sieg von John McEnroes vom Startrekord entfernt. Federer spielte grandios, er beherrschte phasenweise nach Belieben die Partie und erzielte einen Gewinnschlag nach dem anderen.

Doch weil auch Djokovic am Limit spielte, entwickelte sich eine Begegnung von höchster Qualität, über die der 25-Jährige sagte: "Wir waren Teil eines unglaublichen Spiels."

Diesmal kann Federer sich wieder zum Spielverderber für Djokovic aufschwingen. Es ist ein Deja-vu im Halbfinale von Paris. Der Serbe kann in diesem Jahr nämlich Tennisgeschichte schreiben, sollte er im Stade Roland Garros erstmals in seiner Karriere gewinnen und damit als erster Tennisspieler nach 43 Jahren alle vier Grand-Slam-Titel in Serie erringen.

Dem Australier Rod Laver war das zuletzt 1969 vergönnt, doch weil er die Australian Open, die French Open, Wimbledon und die US Open sogar in einem Kalenderjahr holte, spricht man heute vom Grand Slam.

Gibt es den "Novak Slam"?

Für Novak Djokovic haben die Kreativen deshalb für den Fall der Fälle schon einen neuen Namen gefunden: den "Novak Slam". Er könnte das erreichen, woran auch Branchengrößen wie Federer, Rafael Nadal, Andre Agassi oder Pete Sampras gescheitert sind. "Ich weiß, dass ich Historisches vollbringen kann", sagte Djokovic unbeeindruckt, "das macht mich aber nicht nervös, sondern spornt noch mehr an."

Dass er allerdings auch gegen die Geschichte spielt, merkt man ihm bei diesen 82. offenen Tennismeisterschaften von Frankreich an. Djokovic spielt nicht ganz frei auf und wirkt mitunter seltsam gehemmt, zweimal schon musste er in diesem Turnier hochdramatische Fünfsatzmatches überstehen.

Zunächst gegen den Südtiroler Andreas Seppi, zuletzt im Viertelfinale gegen den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga, als er sich sogar vier Matchbällen gegenübersah. "Es gibt keine vernünftige, rationale Erklärung für solche Siege", sagte Djokovic, "du musst einfach nur versuchen, immer stark im Kopf zu bleiben. Und nicht zurückzucken, wenn es hart und brenzlig wird."

Für Nadals Trainer ist Federer der Favorit

Viele der Beobachter erwarten im Halbfinale gegen Federer wieder eine enge Partie. Nur einer legt sich schon vorher fest. "Für mich ist Federer der Favorit", sagte Toni Nadal.

Der Onkel und Trainer von Rafael Nadal findet, dass Djokovic nicht mehr an die formidable Form aus dem vergangenen Jahr herankomme. Vielmehr hat er fast überschwängliche Worte für den Schweizer parat.

"Ich bewundere Roger für jeden Schlag", sagte Toni Nadal: "Seine Fähigkeiten, den Ball zu bearbeiten und vor allem in jedem Moment zu improvisieren, schätze ich am meisten."

Vielleicht ist die ganze Lobhudelei auch nur Taktik, weil er weiß, dass sein im Halbfinale gegen David Ferrer spielender Neffe in Endspielen gegen Federer häufiger gewonnen hat als gegen Djokovic.

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