Keine Wundersubstanzen, aber Doping-Trickser

SID
In London wartet das modernste Doping-Labor der Welt auf die Spitzensportler
© Getty

Neue Wundersubstanzen erwarten Dopingexperten bei den Olympischen Sommerspielen in London nicht. Sondern die üblichen Verdächtigen: EPO, Wachstumshormon, Testosteron. Trotzdem kein leichtes Spiel für die Dopinganalytiker. Diese Substanzen sind zwar nachweisbar, aber für ein gut organisiertes Dopingnetzwerk ist das kein Problem.

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Der Lübecker Epo-Experte Professor Horst Pagel: "Es gibt einmal die Möglichkeit der Mikrodosierung, dass man eben geringe Dosen einsetzt. Was man bei EPO auch machen kann: Da gibt es ja weltweit 150, 160 verschiedene Präparate. Wenn man die geschickt mischt, kann man sie nicht mehr nachweisben."

Ein Teil der Doper hat ein regelrechtes Experten-Netzwerk hinter sich. Das wird deutlich, wenn Substanzen eingesetzt werden, die noch keine klassische Zulassung haben. Professor Pagel: "Da müssen Leute sitzen, die die aktuellste wissenschaftliche Literatur studieren.

Und wenn da irgendwelche Tierversuche beschrieben werden, wo irgendwelche Mäuse 40 Prozent schneller oder länger laufen. Dann wird die Substanz nachsynthetisiert und eingesetzt. Da müssen dann Wissenschaftler oder Ärzte am Werk sein, die das Know-how haben. Und dann solche Dinge produzieren und anwenden."

Blutdoping mit ärztlicher Hilfe

Professor Mario Thevis vom Kölner Forschungszentrum für Dopingprävention sieht es ähnlich. "Zum einen gebe es ein laienhaftes Szenario, aber auch ein professionell organisiertes. Wir gehen davon aus, dass medizinisch vorgebildetes Personal involviert ist, sowohl im Beschaffungs- als auch im Anwendungsprozess. Und es muss auf irgendeiner Ebene eine Kontrolle geben, damit sichergestellt werden kann, dass der Athlet im Falle einer Dopingkontrolle nicht positiv getestet wird."

Das "Laienhafte" sei bei den klassischen Substanzen möglich. Laut Professor Pagel werden viele Substanzen wie bei Diabetikern in die Hautfalte gespritzt. Anders beim Blutdoping, wo eine intravenöse Infusion gelegt werden muss. "Und da wird es den Wenigsten gelingen, sich selbst zu stechen. Und mit der eigenen Nadel die eigene Vene zu treffen. Da brauchen sie medizinisch ausgebildete Hilfe."

Handel mit Wachstumshormonen

Medizinisch ausgebildetes Personal ist auch bei der Beschaffung der Präparate involviert, ist Professor Thevis überzeugt. "Sie können davon ausgehen, dass Leistungssportler nicht unbedingt ihre Produkte vom Schwarzmarkt beziehen, sondern pharmazeutisch geprüfte Präparate anwenden. Was sich in der Vergangenheit auch das eine oder andere mal gezeigt hat. Diese sind meist rezeptpflichtig und daher nur über Mediziner oder über Apotheken zu beschaffen."

Die andere Möglichkeit ist der Bezug über das Internet. Substanzen aller Art sind problemlos zu beziehen. Aus Russland und den baltischen Ländern wird Wachstumshormon, das aus der Hirnanhangdrüse von Leichen extrahiert wird, nach Deutschland geschmuggelt.

Professor Horst Pagel: "Dieses Leichenwachstumshormon muss über andere Kanäle gehen, das sind mafiöse Strukturen. Die Häfen von Kiel und Lübeck spielen eine Rolle. Das Leichenwachstumshormon wird über die baltischen Länder eingeschleust und dann von Lübeck bzw. Kiel nach Europa verteilt."

Ob Dopingsünder im Umfeld der Wettbewerbe in London überführt werden, ist offen. Sicher sind die Medaillen aber definitiv erst 2020, denn acht Jahre lang werden die in London genommenen Proben für mögliche Nachkontrollen mit verfeinerten Analysemethoden eingelagert.

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