Teufelskerle im Dreistellungskampf

Von SPOX
Das Olympic Stadium kostete über eine halbe Milliarde Euro
© Getty

Die SPOX-Redakteure verraten, auf welche exquisiten Wettbewerbe sie sich bei den Olympischen Spielen 2012 in London besonders freuen. Von kruden Kindheitserinnerungen bis zu den tragischen Momenten einstiger Olympia-Helden - Ausreden für diese merkwürdige Vorlieben gibt es genug. Der Soundtrack reicht von Synthi-Pop-Megahits der 80er bis zum West-Coast-Rap Ende des letzten Jahrtausends.

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Darauf freue ich mich am meisten: Dressur. "Shout, Shout" von Tears for Fears. Überragend. Und dann ab in die Passage mit "Tainted Love" von Soft Cells. Schon wieder überragend. Kristina Sprehe und Desperados werden das Dressurviereck im Greenwich Park zu Synthi-Pop-Megahits aus den 80ern rocken! Und Kristina Sprehe wird nebenbei eines der hübschesten Gesichter von London werden. Obwohl wir eigentlich so was von Dressur sind und seit 1984 immer olympisches Team-Gold gewonnen haben, gab es im Einzel seit Isabell Werth in Atlanta 1996 keine deutsche Olympiasiegerin mehr. Geht gar nicht. Es wird also Zeit. Come on, Kristina!

Darauf freue ich mich am meisten: Rhythmische Sportgymnastik. Und da sollten auch die Fußballer mal ganz genau hingucken. Denn was die Mädels da mit dem Ball auf die Matte zaubern, davon können selbst die Herren Superstars nur träumen. Da landet die Kugel dann auch wirklich da, wo sie hin soll. Punktgenau, ohne zu gucken, immer gut getimt. Alles ist perfekt abgestimmt. Und elegant und völlig entspannt sehen die Sportlerinnen dabei auch noch aus. Von so einem Gesamtpaket träumt selbst Cristiano Ronaldo.

Norbert Pangerl:

Darauf freue ich mich am meisten: Schießen. Olympischer Spitzensport aus Niederbayern? Eigentlich Fehlanzeige. Gut, Michael Uhrmann und Severin Freund ließen und lassen im Winter teilweise die Emotionen soweit hochkochen, dass man sogar Alois Vogl und Monika Bergmann-Schmuderer noch gerne "eingemeindete", doch bei Sommerspielen herrscht normalerweise zwischen Kelheim und Passau absolute Ödnis. Normalerweise. Denn seit Susanne Kiermayer 1996 in Atlanta die Silbermedaille im Doppeltrap-Wettbewerb in den Bayerischen Wald schoss, zucke ich bei jeder Sportschützennominierung kurz zusammen. Was sind diese Niederbayern und Niederbayerinnen doch für Teufelskerle im Dreistellungskampf und im Liegendanschlag? Das muss genetisch sein. Egal, endlich kann auch ich mich als Teil von Olympia fühlen und zupfe mir im Geiste schon die Augenklappe zurecht. Wenn Barbara Engleder Edelmetall mit nach Triftern bringt? Werde ich mich freuen wie einst über einen Wahnsinnssatz von Uhrmann - oder einen ersten Slalomdurchgang vom Vogl Lois.

Darauf freue ich mich am meisten: Segeln. Ich hasse Segeln. Obwohl? Hass ist eigentlich nicht das richtige Wort. Es ist eher eine Hassliebe. Denn ich mag das Wasser, sehr sogar. Ich wohne schließlich in Michigan, dem US-Bundesstaat mit den 11.000 Seen. Bei jedem zweiten Schritt fällt man quasi ins Wasser. Und dennoch haben mein Magen und das Segeln haben seit einiger Zeit eine eher zwiespältige Beziehung. Seit damals, irgendwo vor Mexiko. Trotzdem werde ich mich bei Olympia für die Segel-Wettkämpfe begeistern. Nicht, dass ich irgendeine Ahnung von dem Sport hätte. Nein. Ich stehe einfach auf die teilnehmenden Länder. Ich mag es, mich für Underdogs jubel-technisch zu verausgaben. Underdogs wie Kirgisistan. Die haben nichtmal einen Zugang zum Meer und müssen auf einem Binnensee üben! Das ist mir - und besonders meinem Magen - überaus sympathisch.

Darauf freue ich mich am meisten: Bahnrad. Da bin ich persönlich vorbelastet. Den Moment meines Sportstudiums, in dem ich zum ersten Mal ins Velodrom gekommen bin und mich angsterfüllt gefragt habe, wie ich auch nur einen Meter auf dieser schrägen Bahn überleben soll, werde ich nie vergessen. Ich habe überlebt und im Laufe meines Kurses sogar eine Riesengaudi gehabt. Bahnrad ist wie Achterbahn, nur dass man selbst bestimmt, wie rasant es wird. Das in London hautnah zu erleben, wird ein Highlight. Und wenn ich mir dazu noch die irren englischen Fans vorstelle, die ihre Jungs und Mädels zu wahrscheinlich zahlreichen Goldmedaillen brüllen, bekomme ich jetzt schon Gänsehaut.

Darauf freue ich mich am meisten: Eine aktuelle Umfrage hat ergeben, dass nur 2,7 Prozent der Deutschen die fünf Disziplinen des Modernen Fünfkampfs kennen. Und ich wette, dass kein Mensch erklären kann, wie um Himmels willen man beim Modernen Fünfkampf landen kann. "Hallo, ich bin Lena, und meine Hobbys sind Fechten, Schwimmen, Reiten, Schießen und Querfeldeinlauf", hat man noch selten jemanden sagen hören. Aber gerade die totale Fremdheit der Welt des Modernen Fünfkampfs und der Gestalten, die sie bevölkern, ist so faszinierend. Und dann wäre da noch Lena Schöneborn, unsere Hohepriesterin des kruden Sports. 2008 habe ich sie zu Gold gebrüllt, um sie anschließend mit Hilary Swank, Julia Roberts und Kerstin Garefrekes zu vergleichen. Daran würde ich gerne anknüpfen.

Darauf freue ich mich am meisten: Kanu. Dank Lutz Liwowski! Wer kennt ihn nicht?! Wie habe ich bei Olympia 2000 mit diesem Mann gelitten...Als größte deutsche olympische Gold-Hoffnung aller Zeiten kann er vor dem Start zum 500-Meter-Kanu-Vorlauf seine Hände nicht still halten, bewegt das Paddel zu früh und der Kanu-Regel-Fuzzi brüllt: "Lane 5.- disqualified"! Unfassbares Drama um Liwowski! Ein Mann wie ein Kanu weint! Auch die ARD kann per Video-HD-Analyse nicht eindeutig feststellen, ob der gute Lutz tatsächlich am Start Bockmist gebaut hat. Sei's drum, seit diesem Drama bin ich Kanu- und Kajak-Fan, vor allem die crazy Boys, die im Wildwasser gegen den Strom fahren, ohne die Stangen zu berühren - weltklasse! Rafting rules!

Darauf freue ich mich am meisten: BMX. Nach der Premiere in Peking 2008 erst zum zweiten Mal dabei, und trotzdem schon einer meiner Favoriten. Warum? Weil es jedes Mal eine Reise in die Vergangenheit für mich ist. Back to the roots! Mitte der 90er Jahre, die Sonne brennt auf meiner Haut, entspannter West-Coast-Rap dröhnt aus den überdimensionalen Kopfhörern, die Cap sitzt natürlich verkehrt herum auf den zu lange Haaren. Mit dem BMX geht es über Stock und Stein. Das Leben ist noch einfach. Nichts scheint unmöglich. Dieses längst vergessene Gefühl wird zurückkommen, wenn sich die Athleten in London Rad an Rad von der Acht-Meter-Rampe hinunterstürzen. Ganz sicher. Und wer weiß: Im Anschluss wird vielleicht ein verstaubtes Relikt aus den guten, alten Zeiten aus der Garage geholt.

Darauf freue ich mich am meisten: Ich mag Außenseiter. Das sind im Badminton zunächst einmal alle Nichtasiaten. In China, Malaysia, Indonesien und Südkorea sind die Spieler Profis, Volkshelden mit Bodyguards. Die rührendsten Momente im Sport sind für mich jedoch die, in denen die weniger hoch Gewetteten den Favoriten ein Bein stellen. Wie Poul-Erik Hoyer Larsen in Atlanta 1996. Der Däne gewann olympisches Gold. 15-12, 15-10 gegen Dong Jiong aus China. Ganz stark! In London könnte es die erste deutsche Medaille im Badminton geben. Juliane Schenk kann in diesem rasanten Spiel mit der unfassbaren Beinarbeit - Vorsicht, es droht Oberschenkelmuskelkater vom Zusehen - für eine Überraschung sorgen. History in the making? Ich bin dabei.

Olympia 2012: Alle Wettkämpfe im Zeitplan