Schumi will wieder zu Dirty Harry

Von Interview: Florian Regelmann/Torsten Adams
Schumacher, Radsport
© Getty

München - Wer wie Stefan Schumacher bei der Tour de France zweimal das Zeitfahren gewinnt und zwei Tage im Gelben Trikot fährt, der ist natürlich auch bei Olympia einer der Topfavoriten.

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Aus dem Gelben Schumi soll dann der Goldene Schumi werden. "Da würde ich die Kirche aber mal im Dorf lassen. Ich halte eine Medaille oder die Medaillennähe für realistisch. Je mehr es in Richtung Gold geht, desto überraschter und glücklicher sind wir dann", tritt Gerolsteiner-Teamchchef Hans-Michael Holczer im Gespräch mit SPOX auf die Bremse.

Allerdings weiß auch er, dass Schumacher exzellente Chancen hat, sowohl beim Zeitfahren als auch beim Straßenrennen:

"Der Einzige, der beides im Auge hat, wird Stefan Schumacher sein. Ihm kommt eine Doppelrolle zu. Er wird im Straßenrennen schauen, dass er vorne mit dabei ist. Zusammen mit Fabian Wegmann und Jens Voigt ist er der Mann für die deutsche Mannschaft."

Und was sagt Schumi selbst? Im SPOX-Interview spricht der 27-Jährige über die Olympischen Spiele, sagt seine Meinung zur Doping-Problematik und freut sich schon ein bisschen auf die nächste Einladung von Harald Schmidt.

SPOX: Wie ist es, wenn man einen Tag nach Tour-Ende aufwacht? Schönstes Gefühl des Jahres?

Stefan Schumacher (lacht): Im ersten Moment war es das kaputteste Gefühl des Jahres. Nach drei Wochen Rundfahrt bist du körperlich und geistig platt. Vor allem, wenn dann der Druck von dir abfällt. Aber klar: Es war auch ein tolles Gefühl. Nicht nur ich habe viel erreicht - sondern die gesamte Mannschaft. Diese Tour war ein unglaubliches Abenteuer.

SPOX: Das Zeitfahren findet am Mittwoch statt, das Straßenrennen bereits am Samstag, und damit nur 13 Tage nach dem Ende der Tour. Wie bewerten Sie die kurze Erholungszeit?

Schumacher: Das muss man mal abwarten. In dieser Saison geht es wirklich Schlag auf Schlag. Ich hoffe, dass ich meine Form halten kann.

SPOX: Sind Fahrer, die keine Tour gefahren sind, im Vorteil?

Schumacher: Ein klares Jein. Sie sind natürlich ausgeruhter und konnten sich speziell auf diese Rennen vorbereiten. Andererseits konnte ich mir in Frankreich Wettkampfhärte holen. Außerdem haben mir die Erfolge auch mental sehr gut getan. Warten wir ab.

SPOX: Haben Sie Sorge wegen der großen Luftverschmutzung in Peking?

Schumacher: Ein wenig schon, man hat da im Vorfeld ja einiges lesen können. Ein zusätzliches Problem für mich könnte die extreme Hitze werden. Ich hoffe, dass mir eine Woche zur Akklimatisierung reicht.

SPOX: Wer sind Ihre Favoriten für das Straßenrennen?

Schumacher: Die üblichen Verdächtigen. Vor allem Paolo Bettini und Alberto Contador werden sich eine Menge vorgenommen haben. Für die Sprintspezialisten dürfte die Strecke zu schwer sein.

SPOX: Wer sind Ihre größten Konkurrenten für das Zeitfahren in Peking?

Schumacher: Der absolute Topfavorit ist Fabian Cancellara. Dahinter gibt es einige Medaillenkandidaten - ich gehöre sicher dazu.

SPOX: Alle sprechen jetzt davon, dass Sie der Gold-Favorit fürs Zeitfahren sind. Wie schätzen Sie selbst Ihre Chancen ein?

Schumacher: Der Goldfavorit ist trotz meiner Siege bei der Tour noch immer Cancellara. Wenn ich meine Form halten kann und mit den klimatischen Bedingungen zurechtkomme, ist sicher eine Medaille drin.

SPOX: Durch Ihre Leistungen bei der Tour sind Sie natürlich im Mittelpunkt, auch im Feld. Glauben Sie, dass man besonders auf Sie achten wird? Einen Aufpasser abstellt?

Schumacher: Es ist ja nicht so, dass ich plötzlich aus dem Nichts kam. Ich habe im letzten Jahr das Amstel Gold Race gewonnen und wurde bei der WM in Stuttgart Dritter. Ich habe bewiesen, dass man mich bei schweren Eintagesrennen auf der Rechnung haben muss. So gesehen hat sich da nicht so viel verändert.

SPOX: Der Zeitfahrkurs ist relativ schwierig und eher auf Klassikerfahrer zugeschnitten, was Ihnen entgegenkommen sollte. Haben Sie sich die Strecke schon angeschaut?

Schumacher: Persönlich leider noch nicht. Peking liegt ja nicht gerade um die Ecke. Auf dem Profil sieht es aber tatsächlich so aus, als könnte mir die Strecke liegen.

SPOX: Sie sind sowohl für das Straßenrennen als auch für das Zeitfahren nominiert. Wo liegt Ihr Fokus?

Schumacher (lacht): Auf einer Medaille. Nein, im Ernst: Ich lege den Fokus auf beide Rennen. Zwischen dem Straßenwettbewerb und dem Zeitfahren liegen vier Tage. Das sollte reichen, um zu regenerieren.

SPOX: Ist es nicht nachteilig, eine Doppelbelastung zu haben, anstatt sich auf ein Rennen zu konzentrieren?

Schumacher: Das glaube ich nicht. Im Gegenteil: Immerhin habe ich zwei Chancen, erfolgreich zu sein. Und wie gesagt: Die Zeitspanne zwischen den Rennen sollte reichen.

SPOX: Könnte Olympia auch noch mal wichtig sein wegen der ungewissen Zukunft bei Gerolsteiner? Um einen großen Vertrag bei einem anderen Rennstall zu bekommen möglicherweise?

Schumacher: Ich glaube nicht, dass die großen Teams ihre Personalplanung von Olympia abhängig machen. Außerdem hoffe ich noch immer, dass sich diese Frage für mich gar nicht stellt - und Hans-Michael Holczer einen neuen Sponsor findet.

SPOX: Sie haben mal gesagt, der Sport ist ein nur ein Spiegelbild der Gesellschaft. Können Sie erklären, was Sie damit meinen?

Schumacher: Überall wo es um Geld und Ruhm geht, wird es Betrüger geben. Das ist in der Gesellschaft so - warum soll das im Sport anders sein? Natürlich muss man mit aller Macht dagegen vorgehen. Aber es ist eine Illusion zu glauben, dass man den Sport oder andere Teile unserer Gesellschaft ganz von Betrug befreien könnte. Aber ich bin überzeugt davon, dass wir im Radsport auf einem sehr guten Weg sind.

SPOX: Sie kommen ja wie Harald Schmidt aus Nürtingen, waren schon in seiner Sendung. Jetzt nach den Erfolgen bei der Tour, vielleicht nach einer Olympia-Medaille, wäre es mal wieder Zeit für eine Einladung von ihm, oder?

Schumacher: Ich würde mich sicher nicht mit Händen und Füßen dagegen wehren. Schließlich würde das ja bedeuten, dass ich erfolgreich war. Beim letzten Mal war es eine total entspannte und nette Atmosphäre (grinst). Aber das liegt vielleicht auch an meiner Vergangenheit - die Mutter von Harald Schmidt war meine Kindergartentante.

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