Aus Olympiafreunden werden plötzlich Mahner

SID
Bayerns Sportminister Ludwig Spaenle spricht sich für ein Bürgerbegehren aus
© Getty

In der bayerischen Politik ist ein offener Streit darüber entbrannt, ob sich die Landeshauptstadt München noch einmal um Olympische Winterspiele bewerben soll. So ist Bayerns Sportminister Ludwig Spaenle (CSU) von der Idee des Münchner Stadtrats Mario Schmidbauer (CSU) angetan, ein Bürgerbegehren für eine Bewerbung um die Winterspiele 2022 in München und Bayern zu starten.

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"Ein klares und frühzeitiges Ja der Münchnerinnen und Münchner für die Olympischen Spiele wäre ein unübersehbares Signal für weitere Wintersportorte als Partner sowie darüber hinaus für Bayern und Deutschland, sich um diese Spiele zu bewerben", sagte Spaenle am Donnerstag.

Der CSU-Politiker ermutigte alle, einen zweiten Anlauf nach dem Scheitern für 2018 zu wagen. "Zweifler und Zauderer gibt es genug", sagte Spaenle.

"Das Schädlichste ist bloße Wichtigtuerei"

Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) indes hält den Zeitpunkt für einen neuerlichen Vorstoß für verfrüht und wird in dieser Frage von einem glühenden Befürworter plötzlich zum nüchternen Mahner. Der designierte Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahlen im nächsten Jahr fügte sogar in drastischen Worten hinzu: "Ein Bürgerbegehren zum jetzigen Zeitpunkt würde deshalb überhaupt nichts positiv bewirken, aber sehr wohl Schaden stiften." Das Wichtigste an einer olympischen Bewerbung ist das Zusammenwirken aller Beteiligten, "das Schädlichste bloße Wichtigtuerei", wie es Ude nannte.

Am Tag der Deutschen Einheit hatte der Präsident des Olympischen Sportbundes (DOSB) Thomas Bach Ude gegenüber bekräftigt, dass es auch aus Sicht des DOSB beim vereinbarten Vorgehen bleiben soll. Die Verantwortlichen verweisen auf die Verabschiedung eines Fahrplanes, der vier wesentliche Punkte enthält. "Wir haben überhaupt keine Eile", sagte DOSB-Leistungssportdirektor Bernhard Schwank der dapd. Neben der Unterstützung der Bevölkerung und der Politik werden hier noch die Finanzierbarkeit und die Zustimmung der Sportfachverbände aufgezählt. Vor allem die ist von großer Bedeutung, weil große Städte wie Hamburg und Berlin stets Ansprüche für eine Sommerbewerbung anmelden.

"Die Entscheidung muss der Sport treffen", hatte Bayerns Wirtschaftsminister Zeil im dapd-Gespräch am Rande der Sommerspiele in London mitgeteilt. Hinter den Kulissen haben sich längst einflussreiche Mitstreiter gefunden, die sich eine erneute Kandidatur nicht nur vorstellen können, sondern sie auch schnell vorantreiben wollen. Doch diesmal soll alles anders werden, besser - versteht sich - als beim letzten Mal. "Vor allem die Bevölkerung muss sehr viel frühzeitiger eingebunden werden", sagte Zeil.

Ude und Bach: Nichtangriffspakt

Das ist durch das Ansinnen Schmidbauers geschehen. Mit der Bürgerinitiative "München PRO 2022" will der CSU-Politiker bis zum Januar rund 34.000 Unterschriften sammeln, damit sich das Stadtparlament damit befassen kann. Viele Befürworter hoffen auf einen Bürgerentscheid noch im Frühjahr nächstens Jahres, um das Olympia-Thema aus den Wahlkämpfen zu nehmen. Denn im September stehen nicht nur die Landtagswahlen in Bayern, sondern auch die IOC-Session mit der Wahl des neuen IOC-Präsidenten in Buenos Aires an. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude und Bach haben dabei jeweils Großes vor.

Während der SPD-Politiker offen den Regierungswechsel mit den olympiakritischen Grünen und den Freien Wählern in Bayern anstrebt, mag sich Bach nicht zu seinen Ambitionen für eine Nachfolge von Jacques Rogge äußern. Es gibt nicht wenige, die behaupten, dass sich Ude und Bach deshalb in der Frage einer erneuten Bewerbung Münchens gegenseitig lähmen. Von einem "Nichtangriffspakt" zwischen den beiden ist sogar die Rede. In Argentiniens Hauptstadt beginnt zudem die Anmeldefrist für die offizielle Bewerbung für die Winterspiele 2022. Es bleibt also spannend.