Athleten fürchten Atemnot in Peking

SID

Peking - Wenige Wochen vor Beginn der Olympischen Spiele in Peking bereitet die schwere Luftverschmutzung in Chinas Hauptstadt unverändert große Sorgen.

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Im Mai entsprachen nur 13 Tage dem nationalen Standard für gute Luft, sieben Tage weniger als im selben Zeitraum 2007, wie das städtische Umweltamt der 17 Millionen-Metropole berichtete.

An einem Tag war die Luft sogar so schmutzig, dass das Amt gesundheitlich anfällige Pekinger davor warnen musste, vor die Tür zu gehen.

Rekorde dürften bei solch einer hohen Schadstoffbelastung schwer zu brechen, die hohen Erwartungen der 10 500 Athleten auf persönliche Bestleistungen bei den Wettkämpfen vom 8. bis 24. August kaum zu erfüllen sein.

Der Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Jacques Rogge, hat bereits damit gedroht, einzelne Wettkämpfe im Notfall zu verschieben.

"Selbstmörderische Bedingungen"

Vor allem Ausdauersportler fürchten, dass der berüchtigte Pekinger Dreck aus der Luft in ihre Lungen gelangt. Bei Test-Veranstaltungen im April klagte manch ein Athlet schon über Beschwerden: "Nach 15 Kilometern taten mir die Augen weh und ich hatte Halsschmerzen", sagte der mexikanische Geher Eder Sanchez.

Als erster Sportler kündigte Haile Gebrselassie Konsequenzen an. Das äthiopische Laufwunder nannte die Bedingungen in Peking sogar "selbstmörderisch". Er will nur über 10 000 Meter an den Start gehen und auf den Marathon verzichten.

Dabei hat Peking schon gewaltige Anstrengungen unternommen, um die gefährlichen Schadstoffe aus der Luft zu kriegen. Kohlekraftwerke wurden geschlossen, Kohleöfen abgeschafft und viele Haushalte auf Gas umgestellt. Auch das riesige Stahlwerk Shougang, das ohnehin verlegt werden soll, wird seine Produktion während der Spiele zumindest teilweise herunterfahren.

Schließlich hat China "grüne Spiele" versprochen und erhofft sich dafür internationale Anerkennung. Weitere Maßnahmen sind geplant. Auf den zahlreichen Baustellen der Hauptstadt werden Ende Juli die Erdarbeiten gestoppt. Nachbarprovinzen und -städte sollen ebenfalls Fabriken stilllegen. Kopfschmerzen bereitet aber vor allem der Hauptstadtverkehr mit 3,3 Millionen Autos, obwohl seit Jahren die Abgasvorschriften verschärft worden sind. "Rund ein Drittel der wesentlichen Schadstoffe in Pekings Luft wie Stickstoffoxid, Kohlenmonoxid und Feinstaub stammen von Abgasen", sagt Du Shaozhong vom Peking Umweltschutzamt.

45 Prozent weniger Autos

Für die Olympischen Spiele und die Paralympics dürfen Autos in Peking zwischen dem 20. Juli und 20. September nach Autonummern nur jeweils an Tagen mit geradem oder ungeradem Datum fahren. 45 Prozent der Privatautos und bis zu 70 Prozent der Behördenfahrzeuge sollen von den Straßen verschwinden.

Das sollte die Schadstoffe mehr als halbieren, verkündete die Stadtregierung optimistisch. Ein ähnliches viertägiges Fahrverbot im August 2007 hatte die Luftschadstoffe aber nur um 15 bis 20 Prozent verringert.

Damals war die Luft aber nicht so schlecht wie eigentlich befürchtet, erklärte der Vorsitzende der Medizinischen Kommission des IOC, Arne Ljungqvist. Nach Ansicht des Schweden könnten Hitze und Luftfeuchtigkeit den Sportlern mehr zusetzen als die schädliche Luft. Ljungqvist kam zu dem Schluss, dass "die Bedingungen für die Athleten nicht jeden Moment ideal, aber gut" sein werden. Ein mögliches Risiko bestehe nur bei wenigen Ausdauersportarten im Freien.

"Luftqualität wird ausreichen"

Die meisten Sportverbände schließen radikale Schutzmaßnahmen mittlerweile auch eher aus. Entgegen früheren Berichten werde das US- Team nicht mit Atemschutzmasken ausgerüstet, sagte Steven Roush vom Nationalen Olympischen Komitee der USA in einem Interview. "Wir gehen absolut davon aus, dass die Luftqualität ausreichen wird", sagte Roush.

Nach offiziellen Angaben zählt das vom Smog geplagte Peking sogar immer mehr Tage mit einem angeblich "blauen" Himmel. Allerdings halten viele diese Statistik für geschönt. Sie werfen den Behörden vor, einige der 27 Messstationen einfach aus der Innenstadt in weniger belastete Gebiete verlegt zu haben.

Wang Wenxing von der Pekinger Forschungsakademie für Umweltwissenschaften, das auch das Umweltministerium berät, stellte fest, dass ein Jahr vor den Spielen nur die Grenzwerte für Ozon und Feinstaub überschritten wurden.

Das gesundheitsschädliche Ozon wird in den Statistiken sonst gar nicht erwähnt. Doch die Belastung dürfte im heißen August besonders hoch sein. Nach einem Bericht der UN-Umweltbehörde UNEP lag auch der gefährliche Feinstaub im August 2007 weit über dem Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation WHO. Forscher Wang Wenxing zieht deshalb ein gemischtes Fazit: Die Luftverschmutzung in Peking habe sich zwar schon "erheblich verringert", müsse für die Spiele aber noch besser werden.