Deutsches Team als Klassengesellschaft

SID
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© Getty

Hamburg - Basketball-Star Dirk Nowitzki verdient im texanischen Dallas 15 Millionen Dollar im Jahr. Nicolas Kiefer hat als Tennis-Profi Millionen gesammelt. Ludger Beerbaum ist durch seine vielen Siegesritte längst zum Einkommens-Millionär geworden.

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Weltmeister-Handballer wie Pascal Hens werden jährlich mit Gehältern von deutlich jenseits der 200 000 Euro entlohnt. Jens Voigt wird nach Karriereende als Straßenradfahrer wohl ausgesorgt haben.

Sie alle gehören zu jenen 45 Sportlern, die den großen Unterschied ausmachen unter den 439 Mitgliedern des deutschen Olympia-Teams. Es ist ein Unterschied, der viel aussagt über die Voraussetzungen, unter denen Hochleistungssport betrieben und gefördert wird - die Olympischen Spiele in Peking als deutscher Testfall.

Millionäre meet Hartz-IV-Empfänger

Die deutsche Mannschaft zieht in diesen Tagen als Klassengesellschaft in das Olympische Dorf ein, die Sport-Millionäre werden neben den Sozialfällen wohnen. So einer ist Florence Ekpo-Umoh, 400-m-Läuferin mit nigerianischen Wurzeln, 2003 des Dopings überführt, Hartz-IV-Empfängerin und Neueinsteigerin.

Ob Vollprofi, Halbprofi oder Profi auf Zeit, die meisten sind dem Status eines Amateurs viel näher als dem eines Berufssportlers. Geeint ist das Team durch die Tatsache, dass alle ihren Sport professionell betreiben. Michael Ilgner, Geschäftsführer der Stiftung Deutsche Sporthilfe (DSH), sagt: "Der Begriff Profi gehört abgeschafft, weil er nicht mehr aussagestark genug ist."

Keine Förderung für Superstars

Die Zahlen der DSH zum Beruf der Peking-Fahrer geben Anhaltspunkte für die Schwierigkeiten bei der Einordnung, zugleich umschreiben sie den Förderauftrag. 33 Prozent sind Studenten, 22 Prozent Berufs- oder Zeitsoldaten, 15 Prozent Auszubildende oder Schüler, zwei Prozent Bundespolizisten, 25 Prozent Selbstständige oder Berufstätige, drei Prozent werden als Sonstige geführt. Dahinter verbergen sich besondere Problemfälle.

Am Aussage stärksten ist noch die Zahl 45. Diese 10 Prozent in der Gruppe der Selbstständigen sind die einzigen Olympioniken, die nicht oder nicht mehr von der DSH gefördert werden.

Zu ihnen zählen die 14 Handballer und 12 Basketballer, sechs Reiter, neben Kiefer noch Michael Kohlschreiber und Rainer Schüttler, außer Voigt und Stefan Schumacher drei weitere Straßenradfahrer, die Leichtathleten Tim Lobinger, Danny Ecker und Sabrina Mockenhaupt, die Schwimmerin Britta Steffen und der Tischtennisspieler Timo Boll. Gefördert werden von der DSH hingegen alle anderen Mannschaften, also auch jene sieben Handballerinnen und neun Volleyballer, die ihr Geld im Ausland verdienen.

Unterstützung für die Sporthilfe

Auch das Beispiel Fabian Hambüchen zeigt, wie schwierig Abgrenzungen zu treffen sind. Der junge Turnstar ist zu einer hoch profitablen Ich-AG geworden. Doch im Gegensatz zu Britta Steffen steht Hambüchen noch unter dem jährlich kündbaren DSH-Vertrag.

Fünf Prozent seiner inzwischen beträchtlichen Marketingeinnahmen muss er deshalb an die Sporthilfe abführen. Wie das geht, wenn aus einer Unterstützten der Sporthilfe ihr Sponsor wird, hat Magdalena Neuner vorgemacht. Der neue Star der Biathlon-Szene gilt bereits als Werbe-Millionärin. Bei einer Million Euro pro Jahr fielen für die Sporthilfe 50 000 Euro ab.

DSH kein Monopolist mehr

Doch längst hat die DSH ihr von ihrem Mitgründer Josef Neckermann einst reklamiertes Fördermonopol verloren, was "zeitgemäß und grundsätzlich gut ist" (Ilgner), aber auch Wildwuchs bedeutet und durch mangelhafte Koordination einen deutschen "Sport-Förderalismus" hervor gebracht hat.

14 der 16 Bundesländer besitzen mittlerweile eigene Sporthilfen, gefördert wird über Verbände, Landessportbünde, Olympiastützpunkte, Fördergesellschaften, städtische Stiftungen, Vereine und Sponsoren aus der Wirtschaft.

Ausdruck dafür sind Prämien von 40 000, 35 000 und 30 000 Euro, die die Sporthilfe von Rheinland-Pfalz/Saarland für Medaillengewinner aus ihrer Region ausgelobt hat. Ein Olympiasieger im Schwimmen kann über einen Verbandssponsor 30 000 Euro verdienen, die gleiche Summe kommt einem Goldmedaillen-Gewinner aus dem Fechtzentrum Tauberbischofsheim zu. Da wirken die 15 000 Euro der DSH für einen Olympiasieger fast wie ein Brosamen, wobei Ilgner mit Recht auf die "gesamthafte Karriereförderung" der Stiftung verweist, die jenseits von Prämien bereits im jugendlichen Alter einsetzt.

Höhere Prämien im Ausland

Olympiasieger-Prämien in Russland von 150 000 Euro und 100 000 Euro für eine Fecht-Weltmeisterschaft oder in Spanien ein festes, zentral vergebenen Monatsgehalt für Spitzenathleten von 4000 Euro relativieren deutsche Zahlen.

Sie bestätigen jedoch auch, "dass nicht einmal in Zeiten des Kalten Kriegs in vielen Ländern so viel Geld für den Leistungssport ausgeben wurde wie jetzt". Das sagt DOSB-Präsident Thomas Bach. Insofern werden die Peking-Spiele zu einem Gipfel der Hochgerüsteten, bei dem es Waffengleichheit nicht geben wird.

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