Heikler Fackellauf durch Lhasa

SID
Olympia, Peking, Fackellauf, Tibet
© DPA

Peking - Das olympische Feuer legt am 21. Juni seine politisch bislang heikelste Etappe zurück: Die Fackel wird durch die Straßen der tibetischen Hauptstadt Lhasa getragen.

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Doch dürfte dieses von Peking streng kontrollierte Ereignis kaum dazu beitragen, ein wenig Licht auf die angespannte Lage in Tibet zu werfen. Seit den Protesten der Tibeter gegen die chinesische Fremdherrschaft erscheine das abgeriegelte größte Hochland der Erde wie ein "schwarzes Loch", meinte ein Diplomat in Peking.

"Es dringen kaum Informationen aus Tibet nach draußen", beklagte auch Sam Zarifi, Asiendirektor von Amnesty International. "Aber was wir wissen, ergibt ein düsteres Bild willkürlicher Verhaftungen und Misshandlungen von Gefangenen."

Unterstützung vom Dalai Lama

Die Sicherheitsvorkehrungen sind streng, da neue Proteste befürchtet werden. Teils bewaffnete Sicherheitskräfte seien in den Straßen zu sehen, berichtete die Aktionsgruppe Free Tibet Campaign aus London unter Berufung auf Augenzeugen in Lhasa. Zäune seien aufgebaut, Zuschauer sorgfältig ausgesucht worden.

Dabei hat der Dalai Lama sein Volk aufgerufen, von Protesten abzusehen. "Wir haben die Olympischen Spiele von Anfang an unterstützt. Dazu gehört auch der Fackellauf", sagte das religiöse Oberhaupt der Tibeter jüngst bei einem Besuch in Sydney. "Mehr als eine Milliarde chinesische Brüder und Schwestern sind echt stolz darauf. Wir sollten das respektieren." Er glaube nicht, "dass es da irgendwelche Probleme geben wird".

Mit seiner Unterstützung für den Fackellauf in Tibet scheint der Dalai Lama in der exiltibetischen Gemeinschaft aber ziemlich allein zu stehen. Seit Monaten protestieren tibetische Aktionsgruppen gegen das chinesische Vorhaben.

Amnesty International fordert Aufklärung

Die Free Tibet Campaign verbreitete jetzt Äußerungen eines tibetischen Mönches, dessen Name aus Angst vor Repressionen nicht genannt wurde: "Die Fackel sollte nicht durch Tibet gehen. Tibeter sind getötet, inhaftiert und misshandelt worden." Die Fackel werde "die Herzen der Tibeter verbrennen", beklagte der Mönch. "Viele andere Tibeter fühlen so wie ich."

"Peking will mit der Fackel vor allem seinen Machtanspruch auf Tibet demonstrieren", kritisierte auch der Vorsitzende der Tibet Initiative Deutschland (TID), Wolfgang Grader. "Gerade angesichts der Gewalt und Unterdrückung der letzten Monate provoziert die chinesische Führung damit auf verantwortungslose Weise neue Proteste, gegen die sie laut eigenen Aussagen mit aller Härte durchgreifen will."

Amnesty forderte endlich Aufklärung über mehr als 1000 Menschen, die bei den Unruhen festgenommen worden seien. "Nur weil sie friedlich ihre Meinung geäußert haben, schmachten Hunderte in chinesischen Gefängnissen - unter erschreckenden Bedingungen und ohne dass Verwandte wissen, wo sie sind", sagte Amnesty-Direktor Zarifi.

China lässt Journalisten zum Fackellauf

Er kritisierte die Beschlagnahme von Handys oder Computern bei Razzien in Klöstern und Wohnhäusern, um die Kommunikation der Tibeter mit dem Rest der Welt zu unterbinden. "Die völlige Abriegelung Tibets erlaubt, dass Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Festnahmen, Misshandlungen und strenge Zensur nicht berichtet werden und ungestraft bleiben."

Ausländische Journalisten oder UN-Vertreter dürfen nicht frei nach Tibet reisen. Ausländische Regierungen bekommen von Chinas Regierung auf Fragen nach den Inhaftierten nur die vage Antwort, dass diese "nach dem Gesetz" behandelt werden. In ersten Schnellprozessen wurden 30 Teilnehmer an den Unruhen schon Ende April zu hohen, teils lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt.

Allerdings hat die chinesische Regierung den Besuch einer Gruppe von 50 chinesischen und ausländischen Journalisten in Tibets Hauptstadt organisiert. Bei der Reise in das seit den Unruhen der Tibeter im März für ausländische Korrespondenten gesperrte Hochland seien 29 ausländische Medienorganisationen vertreten, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua.

Buddhistische Mönche protestieren

Die Journalisten sollen über die "soziale und wirtschaftliche Entwicklung" in Tibet sowie den Fackellauf berichten, schrieb die Staatsagentur. Bei zwei vorhergegangenen, ebenfalls streng reglementierten Besuchen ausländischer Journalisten in Lhasa und in einem Kloster in Gansu war es jeweils zu Protesten von buddhistischen Mönchen gegen die chinesische Fremdherrschaft gekommen.

Auch die Diskussion über einen Boykott der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele wegen der Vorgänge in Tibet flammte neu auf. Die Organisation "Reporter ohne Grenzen", die sich für Meinungs- und Pressefreiheit einsetzt, forderte Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy auf, seinen Drohungen auch Taten folgen zu lassen und als nächster EU-Ratspräsident nicht nach Peking zu reisen.

Sarkozy hatte seine Teilnahme von Fortschritten im Dialog Chinas mit den Vertretern des Dalai Lama abhängig gemacht, die jetzt auf einen unbestimmten Termin verschoben wurden.