Behle: Evi hat "unbewusst" gedopt

SID
Evi Sachenbacher-Stehle sorgte mit ihrem Dopingfall für einen deutschen Skandal in Sotschi
© getty

Der Mainzer Sportmediziner Perikles Simon hat im Dopingfall Evi Sachenbacher-Stehle Vorwürfe gegen Michael Vesper, Chef de Mission der deutschen Olympiamannschaft in Sotschi, und den Deutschen Olympischen Sportbund erhoben. Der ehemalige Langlauf-Bundestrainer Jochen Behle glaubt beim Dopingfall um Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle auch nicht an Vorsatz.

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"Mir hat sie schon ein bisschen leidgetan. Ich bin mir ganz sicher, dass das unbewusstes Doping war", sagte Behle im Gespräch mit dem "Hessischen Rundfunk". "Fast 20 Prozent dieser Nahrungsergänzungsmittel sind in der Richtung behaftet. Es ist einfach eine Dummheit, die sie da gemacht hat, sich auf Aussagen anderer von außen zu verlassen", so der 53-Jährige.

Sachenbacher-Stehle war bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi positiv getestet worden. In Sachenbacher-Stehles A- und B-Probe war das verbotene Stimulans Methylhexanamin nachgewiesen worden. Die 33 Jahre alte Langlauf-Olympiasiegerin von 2002 und 2010 hatte eingeräumt, dass sie ein Nahrungsergänzungsmittel im Vertrauen auf Aussagen eines persönlichen Beraters vor der Einnahme nicht von offiziellen Stellen kontrollieren ließ.

Dass die deutsche Olympiamannschaft statt der anfangs anvisierten 30 am Ende in Sotschi nur 19 Medaillen holte, wundert Behle nicht. "Wir haben das Potenzial nicht mehr", so der ehemalige Langläufer. Die Anzahl an Sportlern fehle, die Auswahl sei kleiner. "In den Fleißdisziplinen wird es immer schwerer." Gerade im Langlauf und Biathlon sei der Nachwuchs nicht mehr bereit, Opfer auf sich zu nehmen. Das müsse man aber, um vorne mitzulaufen.

Kritik an Vesper und den DOSB

Der Mainzer Sportmediziner Perikles Simon hat indessen Vorwürfe gegen Michael Vesper, Chef de Mission der deutschen Olympiamannschaft in Sotschi, und den DOSB erhoben. Im Gespräch mit "T-Online" sagte Simon, Vesper und der DOSB hätten den Dopingfall um die Biathletin verharmlost.

"Die Reaktion der Verbandsfunktionäre ist respektlos. Schon allein gegenüber unserem sportlichen Nachwuchs und den sauberen Spitzenathleten. Schließlich hat die Verbandsspitze auch eine Vorbildfunktion. Wenn dann ein ganz klarer Dopingfall vorliegt, sollte man eher personelle Konsequenzen erwarten", sagte der Dopingforscher.

Auch Simon geht nicht von vorsätzlichem Doping aus, hinterfragt aber die bisherigen Erklärungsversuche, wie es zur Einnahme eines verunreinigten Nahrungsergänzungsmittels habe kommen können. "Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass da eine Athletin und ihr kompletter Stab so unvorsichtig waren, inklusive der Verbandstrainer und Funktionäre", so Simon. Das Risiko, dass der Sportler eingehe, sei dem Athleten selbst und jeder Person in seinem Umfeld bewusst. Deswegen erschienen ihm die jetzt kursierenden Erklärungsversuche noch nicht sehr plausibel, so der Universitätsprofessor.

Dopingexperten glauben an Unschuld

Auch die Doping-Experten Werner Franke und Fritz Sörgel hatten im Gespräch mit dem "SID" den DOSB kritisiert. "Es kann Dummheit von ihr gewesen sein. Aber der, der einen Vorsatz ausschließt, ist mindestens genauso dumm. Und die DOSB-Spitze tut das gerade", sagte Franke: "Das betreffende Mittel hat ganz klar eine leistungssteigernde Wirkung, gerade für Biathleten, da es vor allem beim Schießen Vorteile bringt." Auch Sörgel schreibt der Substanz "ganz klar eine stimulierende Wirkung" zu, sie sei "in ihrer Chemie ganz klar als Dopingmittel zu sehen".

Die DOSB-Führung kritisierte er scharf: "Ich kann einfach nicht verstehen, wie man solche Aussagen treffen kann." Generaldirektor Michael Vesper hatte in Sotschi hervorgehoben, dass er Sachenbacher-Stehle keinen Vorsatz unterstellt: "Ich glaube ihr, dass sie nicht dopen wollte."

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