Neureuther gewinnt Riesenslalom

SID
Felix Neureuther fuhr in Adelboden einen sensationellen Sieg ein
© getty

Felix Neureuther hat vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi Geschichte geschrieben. Der 29 Jahre alte Partenkirchner gewann den Weltcup-Riesenslalom im Schweizer Adelboden.

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Felix Neureuther drehte am Fuße des gefürchteten Chuenisbärgli eine kleine Ehrenrunde und schrie sein Glück heraus - doch dass er in wenigen Minuten deutsche Ski-Geschichte schreiben würde, wusste er in diesem Moment noch gar nicht. Neureuther hatte gerade die Führung beim Weltcup-Riesenslalom im Schweizer Adelboden übernommen, all die Favoriten standen aber noch oben am Start.

Doch als Vize-Weltmeister Marcel Hirscher, Champion Ted Ligety und der nach dem ersten Lauf Führende Thomas Fanara im Ziel waren, war Neureuther plötzlich sensationell der erste deutsche Weltcup-Sieger im Riesenslalom seit über 40 Jahren.

Neureuther stürmte aus der "Leader's Box", wo er minutenlang mitgezittert hatte, hüpfte durch den Zielraum und ließ sich ungläubig in den Schnee fallen. "Das ist echt brutal, unglaublich, gewaltig, ein Wahnsinn!", sagte er später.

Historische Tat

DSV-Alpinchef Wolfgang Maier sprach mit Tränen in den Augen von einem "Hammer" und einem "extremen Glückstag". Und es war eine historische Tat: Max Rieger war am 2. März 1973 am kanadischen Mount St. Anne der erste und bislang letzte Deutsche mit einem Weltcup-Sieg in der ursprünglichsten aller Disziplinen. Rieger distanzierte damals einen gewissen Hansi Hinterseer und den österreichischen Ski-"Kaiser" Franz Klammer.

Neureuther, nur Siebter nach dem ersten Durchgang, gab bei frühlingshaften Temperaturen und schwierigen Schneeverhältnissen ebenfalls der versammelten Elite das Nachsehen.

The "Great One"

Der Franzose Fanara, der vor dem Finale noch 1,32 Sekunden Vorsprung auf Neureuther gehabt hatte, blieb mit einer Zehntelsekunde Rückstand Platz zwei. Der Österreicher Hirscher (0,19 Sekunden zurück) wurde Dritter."Er hat einen Zug am Ski gehabt, als wenn es hart gewesen wäre", sagte Hirscher staunend über Kumpel Neureuther, den er bei Twitter als "Great One" bezeichnete.

Für Neureuther war es trotz einer weiterhin schmerzhaften Daumenverletzung fünf Tage nach seinem Slalom-Triumph von Bormio der zweite Weltcup-Sieg in dieser Woche - und der siebte insgesamt.

Damit überflügelte er seinen Vater Christian ("den kann ich jetzt a bissl aufzieh'n") und setzte sich gleichauf mit Armin Bittner auf Platz zwei der ewigen deutschen Bestenliste hinter Markus Wasmeier (neun Siege). Wasmeier war 1985 Weltmeister und 1994 Olympiasieger im Riesenslalom - einen Weltcup gewann er nie in dieser Disziplin.

Wie die Queen

Auch Neureuther schien davon noch vor wenigen Monaten unendlich weit entfernt zu sein. "Wenn ich denke, wo ich vor zwei Jahren noch war im Riesenslalom, das hätte ich nie zu träumen gewagt. Das ist richtig geil", sagte er. Im vergangenen Jahr schaffte er es als Dritter in Adelboden immerhin zum ersten Mal aufs "Stockerl".

Der Sieg jetzt sei "auch ein Verdienst unserer Trainer, die so hart mit uns arbeiten, und meiner Mannschaftskameraden", sagte er. Fritz Dopfer und Stefan Luitz belegten die Plätze 19 und 23 - und jubelten mit ihrem Kollegen.

Der winkte wenig später den Fans "wie die Queen Elizabeth" (Neureuther) aus einem Seilbahn-Korb zu, der ihn hoch über den Köpfen des Publikums in den VIP-Bereich schweben ließ.

Historischer Hang

"Jetzt geht's mir endlich gut", sagte Neureuther. Das aber bezog sich nicht auf seinen Sieg, der ihm 40.000 Franken Preisgeld (32.000 Euro) einbrachte, sondern auf seine Gesundheit. Nur der gebrochene rechte Daumen, auf den er in der Vorbereitung im Training erneut einen Schlag abbekommen hatte, schmerze weiterhin, nach der Saison muss er operiert werden.

Doch das war Neureuther, berauscht vom Moment, jetzt völlig egal. Ein Sieg! Im Riesenslalom! "Und dann auch noch in Adelboden auf so einem historischen Hang", wie er hervorhob. Auf dem Chuenisbärgli haben meist die ganz Großen dieses Sports gewonnen. Killy, Schranz, Thöni, Stenmark, Zurbriggen, Girardelli, Tomba, Aamodt, Maier, Raich, Svindal. Und jetzt eben: Felix Neureuther. "Morgen", sagte Neureuther über den Slalom am Sonntag, "gebe ich nochmal Gas!"

Rieger begeistert von Erfolg

Max Rieger sieht in Neureuther als erstem deutschen Riesenslalom-Sieger im Weltcup seit über 40 Jahren einen "würdigen Nachfolger". Er freue sich sehr, sagte Rieger im Gespräch mit dem "SID", dass Neureuther es ihm mit seinem Triumph im Schweizer Adelboden gleichgetan habe und werde "ein Glaserl" auf dessen Erfolg trinken. Rieger war am 2. März 1973 im kanadischen Mount St. Anne der erste und bislang einzige deutsche Riesenslalom-Sieger im Weltcup.

"Es ist kaum zu glauben, dass es so lange gedauert hat, bis es jetzt wieder einer schafft", sagte Rieger: "Dass es der Felix ist, macht mich richtig glücklich." Riegers Familie ist mit der Neureuthers befreundet, Max Rieger kennt den Vize-Weltmeister im Slalom "schon, seit er ein Baby war. Er ist nicht nur ein guter Skifahrer, sondern vor allem ein toller Mensch. Ich habe selten einen so positiven und zuvorkommenden Burschen kennengelernt."

Der 67 Jahre alte Rieger, der eine Skischule in seinem Geburtsort Mittenwald betreibt, erfuhr bei der Arbeit durch einen Anruf seiner Frau von Neureuthers Triumph. "Sie hat gesagt: 'Hast du schon gehört, was passiert ist?' Da habe ich erst an einen Unfall gedacht. Aber dann war ich begeistert", sagte Rieger: "Der Felix mit seiner ganzen Misere - Knöchel, Daumen, Rücken - hat es so verdient. Er ist sensationell in Form. Ich hoffe, dass das bis Olympia anhält..."

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