"Es ist noch nicht aussichtslos"

Von Interview: Alice Jo Tietje
Michael Rösch holte für den DSV zwei Weltcupsiege
© getty
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SPOX: Wieso war es kein Thema mehr, sich im DSV-Team zurück zu kämpfen?

Rösch: Ich glaube einfach, dass die Perspektive für mich ziemlich schlecht war. Es wurde immer mehr auf die jungen Athleten gebaut. Das habe ich 2012 nach der WM in Ruhpolding, für die ich mich zwar qualifiziert habe, aber leider krankheitsbedingt nicht starten konnte, gemerkt. Danach war ich nicht mehr im Team und habe gespürt, dass es vielleicht der Zeitpunkt ist, was Neues anzufangen. Das war eine rein sportliche Entscheidung.

SPOX: Stimmt es, dass Sie via Internet erfahren haben, dass Sie nicht im Kader sind?

Rösch: Ja, das kam völlig überraschend. Ich ging davon aus, dass ich im Kader bin oder zumindest in der Mannschaft für die Vorbereitung. Dann lese ich die Kaderaufstellung im Internet und bin nicht dabei.

SPOX: Wurde mit Ihnen darüber gesprochen?

Rösch: Nein, mit mir hat keiner gesprochen und auch ich habe das Gespräch nicht gesucht. Vielleicht hätte ich das machen sollen. Aber zu dem Zeitpunkt war ich enttäuscht und trotzig. Dann habe ich mich entschieden, für Belgien zu starten.

SPOX: Sie galten 2006 als Kronprinz von Ricco Gross und Sven Fischer. Wann kam der Leistungseinbruch?

Rösch: Bis 2009 war ich einer der Leistungsträger im Team. Ich war bei jeder WM-Staffel dabei, bei jeder WM und ich habe gute Erfolge erzielt. Ich denke, der Einbruch kam 2010, als ich mich nicht für Vancouver qualifizieren konnte. Danach ging es immer wieder bergauf und bergab.

SPOX: Was war 2010 schiefgelaufen?

Rösch: Es war eine schwierige Zeit. Ich war mit 22-Jahren Olympiasieger geworden, habe mir die Erfolge danach erarbeitet und verdient. Danach habe ich aber auch privat einige Fehlentscheidungen getroffen, die die Situation noch verschärft haben.

SPOX: Vom IBU-Cup rutschten Sie in den Deutschland-Cup ab. War das bisher Ihre schwerste Zeit?

Rösch: Man fühlt sich schon ausgebootet, wenn man als ehemaliger Leistungsträger im Nationalcup starten muss. Aber im Endeffekt zählt die Leistung, und meine Leistung war schlecht. Ich stehe am Start und bin dafür verantwortlich.

SPOX: Haben Sie nie an ein Karriereende gedacht?

Rösch: Nein, solange ich es finanziell schaffen kann und ich weiterhin Spaß an der Sache habe...

SPOX: ...haben Sie denn weiterhin Spaß, obwohl Sie nur trainieren?

Rösch: Ja. Natürlich gibt es Tage, an denen ich mich frage, ob es das wert ist. Aber die sind so selten. Es überwiegt das Gefühl, dass ich Spaß im Training habe. Ich bin schon immer ein Kämpfer gewesen und gebe das auch nur ungerne auf.

SPOX: Wie motivieren Sie sich?

Rösch: Das ist eine gute Frage. Irgendwas ist in mir drin, das mich immer wieder antreibt und das ist auch gut so. Darüber mache ich mir wenig Sorgen.

SPOX: Was ist ihr großer Traum?

Rösch: Mein Ziel ist es erst mal zu starten. Mein Traum wäre natürlich, wieder im Weltcup, bei einer WM oder Olympia ganz weit vorne zu sein. Es muss nicht unbedingt auf dem Podest sein. Ich wäre echt zufrieden, wenn ich mal wieder ein ansprechendes Rennen für mich selber mache und mir selbst beweisen kann, dass sich die ganze Warterei gelohnt hat. Ich will den Leuten, die sich für mich eingesetzt haben, ob jetzt zu Hause oder in Belgien, etwas zurückzahlen. Das wäre eine Genugtuung.

SPOX: Hegen Sie Groll gegen den DSV?

Rösch: Ich war enttäuscht. Aber im Endeffekt brauche niemandem böse zu sein. Ich war beim DSV erfolgreich.

SPOX: Belgien soll Ihnen angeboten haben, nach der aktiven Karriere als Trainer tätig zu sein.

Rösch: Wenn es dazu kommt, ist das wichtig für meine Zukunft, damit ich eine berufliche Perspektive habe. Es würde mir schon Spaß machen, irgendetwas in der Trainer-Richtung zu machen. Das wäre eine Herausforderung.

SPOX: Üben Sie schon die belgische Nationalhymne?

Rösch: Nein, die kann ich noch nicht. Aber die gibt's ja in drei Sprachen, da kann ich mir eine aussuchen. Ich nehme die deutsche Fassung.

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