Wir sind doch eine Wintersport-Nation

Von Christoph Köckeis
Stefan Luitz ist die Sensation des Wochenendes - er fährt überraschend auf das Podium
© Getty

Ein No-Name und die Skispringer bereiten dem Deutschen Ski-Verband einen ungeahnten Höhenflug. Ein elektrisierender Zweikampf und ein Zickenkrieg hält den Damen-Weltcup in Atem. Indes leidet die Schweizer Nation mit ihren gefallenen Stars.

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Tops

Stefan Luitz: Wer, bitte? Die Zuschauer staunten nicht schlecht, als der deutsche "Nobody" in Val d'Isere mitten in die Weltspitze raste. Von Platz 25 auf das Podest. "Unbeschreiblich. Ich bin unten gestanden und einer nach dem anderen war langsamer", kommentierte Luitz seine Glücksgefühle. Selbst Dominator Ted Ligety (USA) biss sich an ihm die Zähne aus. Einzig Marcel Hirscher, der amtierende Gesamtweltucp-Sieger aus Österreich, konnte eine der knapp drei Sekunden Vorsprung retten. Für den DSV das beste Riesenslalom-Ergebnis seit 1993. Noch dazu auf der berüchtigten "Face de Bellevarde". Alpin-Direktor Wolfgang Maier jubelte: "Das ist ein deutliches Ausrufezeichen." Tags zuvor wurde Felix Neureuther Slalom-Zweiter. Ein perfektes Wochenende, noch dazu im WM-Winter.

DSV-Adler: Fünf Deutsche unter den Top-10, und gleich zwei davon bestiegen am "Tag des Herren" das Treppchen. Im Olympia-Ort 2014, Sotschi, erinnerten unsere Adler an Glanztage um die Jahrtausendwende. Die neuen Sven Hannawalds und Martin Schmitts - SPOX widmet ihm eine eigene Kategorie - hören auf die Namen Severin Freund, Andreas Wellinger oder Richard Freitag. "Wir haben junge Springer dazubekommen, die sehr belebend sind. Und die Etablierten sind gut in Form", beschreibt Werner Schuster. Er entdeckte schon Gregor Schlierenzauer, mit dem 17-jährigen Wellinger zauberte er den nächsten Diamanten aus dem Hut. Gejagt von drei "Ösis" trägt Freund das Gelbe Trikot. Das belebt die zuletzt äußerst einseitige Rivalität. Was könnte der Vierschanzen-Tournee Besseres passieren?!

Maze vs. Vonn: Ein Zweikampf elektrisiert die Massen: Lindsey Vonn, in der Vergangenheit beinahe unerreichbar, gegen Tina Maze. Die Ski-Beautys durften bislang je vier Mal mit ihrem Siegerlächeln bezaubern. Während die Amerikanerin ihre Konkurrenz in den Speed-Disziplinen verzweifeln lässt, glänzt Maze als Technikerin. 260 Punkte liegt sie in der Gesamtwertung voran. "Es ist schön, dass ich so fahre. So kenne ich mich gar nicht", freut sich die Slowenin. Die ehrgeizige Vonn muss gestehen: "Tina fährt derzeit großartig. Ich muss hart arbeiten." Achtung: Der Schein trügt. Zwischen den Beiden läuft es nicht ganz so harmonisch - dazu später mehr. Weshalb die konstante Maria Höfl-Riesch auch nur die dritte Geige spielt.

Birnbacher, der neue Leader: Mitte der Woche trat eine große Persönlichkeit des Biathlons ab. Verletzungen zwangen Michael Greis dazu, den Schlussstrich zu ziehen. Aber: Keine Angst, für Nachschub ist gesorgt. Andreas Birnbacher erbrachte den Beweis: Er ist bereit, die riesigen Fußstapfen auszufüllen. "Ein komisches Gefühl", so der 31-Jährige: "Ich bin lange mit ihm unterwegs gewesen, jetzt ist er weg." Der Abschiedsschmerz scheint jedenfalls überwunden: Über 10 Kilometer sprintete er in Hochfilzen zum Erfolg. Abermals beeindruckend die Kulisse: Jahr für Jahr bereiten die Fans ihren Idolen in Österreich einen würdigen Empfang. Die Begeisterung kennt keine Grenzen: Biathlon rocks!

Flops

"Fuck you"-Affäre: Vonn ist es gewohnt, im Rampenlicht zu stehen. Ob durch ihre Triumphzüge. Oder durch ihren zu Saisonbeginn vorgetragenen Wunsch, sich mit dem starken Geschlecht messen zu wollen. Sobald jemand an ihrem Thron kratzt, reagiert sie "not amused". Das bekam Freundin Höfl-Riesch ebenso zu spüren, wie jetzt Maze. Sie wollte sich in Copper Moutain auf die Nordamerika-Rennen vorbereiten. In Vonns Revier einzudringen - nicht geduldet. Das US-Team verweigerte. In St. Moritz sollen sich die Spannungen entladen haben: "Fuck you, Maze", wurde der 28-Jährigen in den Mund gelegt. Vonn bestritt die Anschuldigungen, mit etwas Abstand zeigte sich Maze reumütig: "Ich habe mich geirrt und bei ihr entschuldigt. Ich fühle mich schlecht, das sind Frauenprobleme." Wir lassen das so stehen.

Regel-Chaos pur: Früher, ja früher, war alles besser! Manch Skisprung-Fan schwelgt dieser Tage in Erinnerungen an die guten alten Zeiten, in denen zumeist der weiteste Sprung kombiniert mit guter Haltung zum Gewinn reichte. Heutzutage verkompliziert die leidige Wind- und Anlaufregel den Sport unnötig. Zu allem Überdruss dürfen nunmehr Betreuer über Verkürzungen entscheiden. Was ursprünglich FIS-Renndirektor Walter Hofer schützen und zur Sicherheit beitragen sollte, wird für taktische Zwecke missbraucht. Allen voran forciert dies Österreichs Alexander Pointner, um Schlierenzauer und Co. vom Schanzenrekord fernzuhalten. Die fehlenden Meter werden durch Plus-Punkte kompensiert, ein lupenreiner Telemark garantiert gute Benotungen. Für Laien der Gipfel der Unverständlichkeit. Kein Wunder, dass sich nach Lillehammer, der nordischen Hochburg, Kuusamo und Sotschi nur der harte Kern verirrte.

Ach Martin: Warum tust Du Dir das an? Man ist geneigt, Martin Schmitt diese Frage zu stellen. Vom Weltklasse-Mann, dem Olympia-Goldenen, Weltmeister und Gesamtsieger, ist nichts mehr übrig. Seit einiger Zeit hinkt er der Elite hinterher. Im Sommer der nächste Tiefschlag: Cheftrainer Schuster eliminierte ihn aus dem Aufgebot, es war kein Platz mehr. Der 34-Jährige würde schlichtweg einem der jungen Hoffnungsträger die Möglichkeit nehmen, auf höchstem Niveau zu bestehen. Über den Continental Cup wollte sich Schmitt nochmals empfehlen, der Auftakt im kasachischen Almaty missglückte komplett. Sonntags verpasste er als 31. den zweiten Durchgang. Im ersten Bewerb stürzte er auf Rang 26. Hannawald rät ihm zur Trainer-Karriere, Schmitt selbst hat sich ein Ultimatum bis zur Tournee gesetzt. Wir meinen: Martin, lass es!

Schweizer Leiden: Wer hat's erfunden? Die Schweizer. Die leckeren Kräuterpastillen ja, das erfolgreiche Skifahren haben sie verlernt. Im März stellte Didier Cuche seine Arbeitsgeräte in die Ecke und hinterließ eine gigantische Lücke. Er war es, der oftmals den Alleinunterhalter mimte. Mit Carlo Janka dachte man 2009/10 den neuen Superstar gefunden zu haben. Nach Gesamtweltcup und Riesenslalom-Triumph bei den Spielen in Vancouver erwartete man Übermenschliches. Der 26-Jährige konnte dem mitunter durch eine lange Viruserkrankung gehandicapt nicht gerecht werden. Zuletzt handelte er sich unglaubliche 4,07 Sekunden Rückstand ein. Dann wäre noch Beat Feuz, Shootingstar des Vorjahres. Eine Knieverletzung zwang ihn zum vorzeitigen Saison-Aus, ohne am Start gewesen zu sein. Arme Schweizer! Nun wurde Cuche vom Verband als Berater verpflichtet, ob er etwas bewegen kann?

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