"Für Martin ist es richtig schwer"

Von Interview: Daniel Börlein
Richard Freitag feierte in Harrachov seinen ersten Sieg überhaupt
© Getty

Richard Freitag ist die deutsche Entdeckung dieses Skisprung-Winters. In Harrachov feierte der 20-Jährige seinen ersten Weltcup-Erfolg - wie sein Vater im Jahre 1983. Im Interview spricht Freitag über seinen Aufstieg, Fehlstunden in der Schule, Sprünge im Parallelstil und die Situation von Martin Schmitt.

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SPOX: Herr Freitag, seit einiger Zeit versuchen Sie sich im Gitarre spielen. Wie läuft's denn?

Richard Freitag: Oje, in letzter Zeit komme ich leider kaum dazu, deshalb entwickelt es sich nicht wirklich weiter. Ich bin noch nicht soweit, dass ich die Gitarre auf Reisen mitnehme. Das will ich den Jungs nicht antun. (lacht)

SPOX: Sie sind momentan fast häufiger unterwegs als zuhause. Wenn die Gitarre nicht dabei ist: Womit verbringen Sie auf Reisen die Zeit abseits der Springen?

Freitag: Natürlich ist man da auch froh, wenn man sich erholen kann und Ruhe hat. Aber wir spielen auch öfter mal irgendwelche Computerspiele oder ganz gerne Karten. In Bayern ist ja Schafkopfen ganz beliebt. Aber daran muss ich mich erst noch gewöhnen. Ich habe bislang mehr verloren als gewonnen und sollte mir vielleicht überlegen, ob ich noch länger mitspiele. (lacht) Michael Neumayer und Severin Freund sind da schon eher die Cracks.

SPOX: Mit Severin Freund teilen Sie sich auf Reisen ein Zimmer. In dieser Saison sind Sie beide das deutsche Top-Duo. Während Freund schon im letzten Jahr vorne mitgesprungen ist, ging es für Sie in diesem Winter fast von null auf hundert. Wo liegt das Geheimnis Ihres Aufstiegs?

Freitag: Es hört sich vielleicht nicht spektakulär an, aber ich glaube, dass sich der Ehrgeiz und die Hartnäckigkeit nun einfach auszahlen. Wir haben im Vorfeld dieser Saison gut trainiert. Das hat sich bereits in den Sommerspringen bemerkbar gemacht, und das hat mir Kraft gegeben. Hinzu kommt, dass ich im letzten Jahr die Schule beendet und das Abitur in der Tasche habe. Das macht einiges leichter, auch wenn es wahrscheinlich nicht der Schlüssel war.

SPOX: Sie haben die Schule mit einem Abi von 1,5 abgeschlossen, obwohl Sie wegen des Skispringens auch häufig fehlten. Klingt ein bisschen nach jemandem, dem lernen sehr leicht fällt.

Freitag: Man sagt hinterher natürlich immer, ich hätte mehr machen können. Aber grundsätzlich ist mir das Lernen schon reicht leicht gefallen. Ich konnte mir Dinge schon immer gut einprägen. Bei über 200 Fehlstunden war das sicher auch ganz hilfreich.

SPOX: Sie haben in Harrachov Ihren ersten Weltcupsieg gefeiert - wie Ihr Vater vor 29 Jahren. Der ist damals noch im Parallelstil gesprungen. Können Sie das eigentlich auch noch, oder funktioniert das nur im V-Stil?

Freitag: Oje, das ist wahrscheinlich so wie mit dem Gitarre spielen: da müsste ich lange dafür üben. (lacht) Im Training macht man das schon mal. Da springt man dann und sagt sich: Jetzt muss ich das Video sehen, das war jetzt schön parallel. Aber wenn man's dann sieht, dann ist das V nur zehn Zentimeter kleiner geworden und von parallel keine Spur. Das konnte mein Vater schon deutlich besser.

SPOX: Für Ihren Vater blieb Harrachov allerdings der einzige Weltcup-Sieg. Ihr Trainer Werner Schuster würde seine "rechte Hand" darauf verwetten, dass bei Ihnen weitere folgen. Welchen Wetteinsatz gibt's von Ihnen?

Freitag: Mit dem Wetten habe ich's nicht so. Davon lass ich lieber die Finger. Ich weiß ja auch, wie schnell sich wieder etwas ändern und es auch mal bergab gehen kann. Deshalb halte ich mich mit öffentlichen Aussagen einfach zurück und behalte mir eine Prognose mal vor.

SPOX: Das klingt sehr nüchtern für jemanden, der sich in dieser Saison in der Weltspitze etabliert hat. Sie scheinen ohnehin bemerkenswert realistisch ans Skispringen heranzugehen. Vor der Saison sagten Sie: Wenn es bis 2014 nichts wird, machen Sie eben etwas anderes.

Freitag: Ich glaube, dass ich da schon sehr von meinem Vater geprägt bin. Er hat ja sehr früh mit dem Sport aufgehört (mit 23 Jahren, Anm. d. Red.), etwas "Ordentliches" gemacht und gezeigt, dass man zunächst sportlich erfolgreich sein kann und anschließend auch beruflich. Das hat mein Vater als Skispringer und später Orthopäde geschafft. Und so gehe ich die Sache auch an: Ich habe mir als Skispringer das Ziel gesetzt, möglichst erfolgreich zu sein. Das will ich unbedingt erreichen, mit aller Konsequenz. Dafür gebe ich jetzt alles. Aber wenn ich meine Ziele eben nicht erreiche, dann gibt es auch noch andere Möglichkeiten.

SPOX: Sie haben mal davon gesprochen, dass Sie beispielsweise ein Medizinstudium sehr reizen würde.

Freitag: Momentan schaue ich nur aufs Skispringen. Aber für später wäre das schon eine Möglichkeit. Der erste Impuls für das Interesse daran kommt sicher auch durch meinen Vater. Aber auch in der Schule hatten wir sporttheoretische Stunden, die sich mit dem medizinischen Bereich befasst haben, und das hat mich schon sehr interessiert.

SPOX: Sie kommen aus einer echten Skispringer-Familie. Neben Ihrem Vater und Ihnen ist auch Ihre jüngere Schwester Skispringerin. Ihr Bruder war auch mal aktiv. Mit Ihm zusammen haben Sie früher vor allem Sven Hannawald zugejubelt.

Freitag: Er war schon so etwas wie der Held meiner Kindheit, aber das ist auch normal, finde ich. Als junger Kerl fiebert man ja immer mit denen mit, die am erfolgreichsten sind. Und das war damals eben zum Beispiel Sven Hannawald. Aber da zählt ganz sicher auch Martin Schmitt dazu.

SPOX: Tut es deshalb nun umso mehr weh, hautnah miterleben zu müssen, wie Martin Schmitt um den Anschluss kämpft?

Freitag: Ich persönlich glaube, dass sich Martin einfach nochmal die Chancen geben will, erfolgreich zu springen. Diese Chance sollte ihm niemand verweigern. Er war jahrelang ganz vorne drin, und er kann ja nach wie vor sehr gut Skispringen. Ich bewundere ihn schon, wie er mit der Situation umgeht. Es nimmt einen ja mit, wenn es im Wettkampf nicht klappt, obwohl die Trainingsleistungen stimmen. Das ist richtig schwer, glaube ich. Und deshalb ist ihm sein Verhalten ganz hoch anzurechnen.

SPOX: Wie geht ihr im Team damit um: Sprecht ihr mit ihm über seine Situation?

Freitag: Ich glaube, er will das nicht unbedingt. Es ist deshalb auch kein großes Thema innerhalb der Mannschaft. Er hat seine eigenen Ziele und Vorstellungen, und die sollte man ihm auch zugestehen.

SPOX: Sie haben die Erwartungen in dieser Saison bislang weit übertroffen und stehen deshalb nun viel mehr in der Öffentlichkeit. Gefällt Ihnen das?

Freitag: Klar gab es schon Momente, in denen es etwas zu viel war. Aber insgesamt muss ich schon sagen, dass es mir Spaß macht. Man will ja für die Fans, die vorm Fernseher sitzen oder an die Schanzen kommen, auch da sein. Denn wir sind auch froh, dass sie sich für uns interessieren. Davon profitieren wir und unser Sport ja auch.

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