"Ich sehe mich nicht als Retter des Skisprungs"

Von Interview: Daniel Börlein
Severin Freund ist derzeit der erfolgreichste deutsche Skispringer
© Imago

Severin Freund ist einer großen Gewinner der bisherigen Skisprung-Saison und der erste deutsche Weltcup-Sieger seit vier Jahren. Im Interview spricht der 22-Jährige über Erwartungsdruck, sein Studentenleben, die Vorzüge einer Großstadt und seine Ziele für die Weltmeisterschaft in Oslo.

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SPOX: Herr Freund, es gibt ein Blog von Ihnen, in dem nach jedem Eintrag Ihr "Song of the Moment" vorgestellt wird. Was favorisieren Sie musikalisch derzeit?

Severin Freund: Im Moment: Duptribe feat. Ben Cocks - Blackbird Song.

SPOX: Müsste man einen "Springer of the Moment" nennen, wären Sie derzeit sicherlich gut im Rennen. Sie haben in dieser Saison für den ersten deutschen Weltcup-Sieg seit vier Jahren gesorgt und sind für viele bislang die große Überraschung des Winters - auch für Sie selbst?

Freund: Ich habe vor der Saison natürlich nicht damit gerechnet, dass ich Weltcupspringen gewinne. Aber ich wusste nach dem Sommer schon, dass es eine gute Saison werden kann. Aber eine Garantie gibt es nie, auch nicht wenn man einen guten Sommer hatte. Deswegen habe ich mich einfach auf mich konzentriert und bin Springen für Springen angegangen.

SPOX: Je mehr Erfolg Sie haben, desto größer wird der Rummel. Österreichs Trainer Alex Pointner hat neulich über Sie gesagt: "In Deutschland wird er schon mit Schmitt und Hannawald verglichen, dabei würde er jetzt Ruhe brauchen." Hat er Recht?

Freund: In einem Land, in dem das Skispringen einmal so groß war wie in Deutschland, ist natürlich auch der Wunsch, in so eine Glanzzeit zurückzukehren, groß. Deswegen ist es nur normal, dass im Moment eben mehr Interesse an mir besteht. Und dass Regenerationszeiten extrem wichtig sind, stimmt schon. Aber wir haben es im Team gut im Griff, auch immer die nötigen Pausen zu schaffen.

SPOX: Eine große Boulevardzeitung hat Sie als "Deutschlands neuer Skisprung-Held" vorgestellt. Eine gelungene Schlagzeile?

Freund: Solche Schlagzeilen sind eben auch ein Ausdruck dafür, dass sich viele in eine Zeit von deutschen Seriensiegen zurückwünschen. Aber ich sehe mich weder als "Held" noch als "Retter des deutschen Skisprungs", wie es auch schon gesagt wurde. Ich versuche einfach, gute Leistungen zu bringen, weil mir das Skispringen Spaß macht. Und wenn ich damit auch anderen Spaß mache, ist es natürlich schön.

SPOX: Das öffentliche Interesse einer Sportart wird häufig durch das Abschneiden und Auftreten seiner Protagonisten bestimmt. Taugen Sie als Vorbild für junge Menschen und als Idol für Skisprung-Fans?

Freund: Das kann ja nicht ich entscheiden. Wenn ich jemanden dazu bringe, Sport zu machen oder Leute für eine Sache zu begeistern, freut es mich natürlich. Aber ob ich ein Vorbild bin oder als Idol tauge, müssen die Leute entscheiden.

SPOX: Neben dem Skispringen studieren Sie International Management. Zeit für Studentenpartys und Ausschlafen bis nachmittags bleibt aber wohl kaum. Geht Ihnen das ab?

Freund: Was man nicht kennt, vermisst man vielleicht auch nicht. Bei mir ist es so, dass ich, seit ich klein war, Sport mache und deswegen einfach damit aufgewachsen bin und es immer Teil meines Lebens war. Wenn ich daran denke, wie viele schöne Erinnerungen ich mit dem Springen verbinde und wie viel man von der Energie, die man in den Sport steckt zurückbekommt, würde ich an meinem Weg bisher nichts verändern wollen. Außerdem ist es ja nicht so, dass man als Sportler nicht auch mal Spaß haben dürfte. Und den Mythos vom laxen Studentenleben widerlegen die "normalen" Studenten, die ich so kenne, sowieso.

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SPOX: Sie stammen aus dem kleinen Städtchen Waldkirchen und leben nun seit einiger Zeit in München. Was gefällt Ihnen am Großstadtleben?

Freund: Man hat einfach viele Möglichkeiten. Oft ist ein bisschen Ablenkung die beste Regeneration, und in München fällt mir immer irgendwas ein, was ich unternehmen könnte und bei dem ich auch weit genug weg vom Sport komme. Und im Winter ist es ja auch nicht schlecht, dass ich immer den kürzesten Weg zum Flughafen München habe.

SPOX: Das erspart natürlich ein bisschen Stress. Allerdings gelten Sie als jemand, der sich ohnehin keinen Stress macht und recht ausgeglichen ist.

Freund: Dass ich immer ausgeglichen wäre, stimmt natürlich auch nicht. Wenn ich einen schlechten Sprung mache oder irgendwas einfach nicht funktionieren will, werde ich genauso sauer wie jeder normale Mensch. Ich habe mir in den letzten Jahren aber einfach angewöhnt, dass ich versuche, so schnell wie möglich wieder nach vorne zu blicken. Wenn ein Sprung daneben geht, ist es immer ärgerlich, aber dass es einem dann nicht groß hilft, sich ewig darüber aufzuregen, habe ich selbst oft genug erlebt. Da hilft es mehr, sich zu fragen, warum es so war und was man daran ändern kann.

SPOX: Früher mussten Sie sich häufiger über schlechte Sprünge Gedanken machen. Bundestrainer Werner Schuster hat über Sie gesagt: "Severin ist kein Überflieger. Das hilft ihm." Warum ist es in Ihrem Fall von Vorteil, dass Sie immer kämpfen und sich durchbeißen mussten?

Freund: Wenn man sich etwas hart erarbeiten muss und eben auch schon öfter mit Rückschlägen umgehen musste, dann fällt es vielleicht einfacher, immer im Hinterkopf zu behalten, dass es nie ein Selbstläufer sein wird und dass Leistungssport eben bedeutet, dass die Arbeit nie aufhören wird.

SPOX: Seit ein paar Wochen arbeiten Sie auf das Ziel Weltmeisterschaft hin. Nun geht es endlich auch für Sie los. Wie lauten die Ziele?

Freund: Das werden die selben Ziele wie in jedem anderen Wettkampf auch sein: Ich will dort das zeigen, was ich kann und gute Sprünge machen. Zu was das dann im Endeffekt reicht, wird man sehen. Auf jeden Fall freue ich mich sehr auf die ganze Atmosphäre.

Der Stand im Gesamtweltcup

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