"Jeder sollte ab und zu Bier trinken"

Von Interview: Philipp Dornhegge
Julia Mancuso gewann bei den Olympischen Spielen in Vancouver zweimal Silber
© Getty

Julia Mancuso ist das Glamourgirl des Skisports. Die Amerikanerin steht sportlich oftmals im Schatten von Vonn und Riesch, ist aber trotzdem die erfolgreichste US-Alpinistin bei Olympischen Winterspielen. Nach vielen Verletzungen will Mancuso endlich die beiden Superstars vom Thron stoßen. Bei SPOX spricht die 26-Jährige über zwielichtige Pool-Fotos, Reisen im Minivan und die zweifelhafte Berühmtheit ihres Vaters.

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SPOX: Sie hatten einen guten Start in die Saison. Wie zufrieden sind Sie mit sich?

Julia Mancuso: Ich bin sehr glücklich, wie gut es bisher läuft. Natürlich habe ich hier und da ein paar kleinere Fehler gemacht, die ich gerne vermieden hätte. Aber alles in allem bin ich zufrieden und freue mich auf den Rest der Saison.

SPOX: Sie hatten oftmals in Ihrer Karriere Knie- und Rückenprobleme. Wie geht es Ihnen derzeit?

Mancuso: Oh, ich fühle mich super, da gibt's keine Probleme. Das könnte einer der Gründe sein, warum die Saison bisher gut läuft: Ich mache mir keine Gedanken über irgendwelche Schmerzen und ich versuche nicht, übervorsichtig zu sein.

SPOX: Waren diese Verletzungen einfach nur Pech oder sind Sie chronisch?

Mancuso: Man könnte schon sagen, dass Sie chronisch sind, weil ich mit einer Fehlbildung der Hüfte geboren wurde. Naja, vielleicht kam Sie auch davon, dass ich als Kind so aktiv war. (lacht) Ich habe früher Gymnastik und allerlei Kram gemacht. Ich musste mich sogar operieren lassen, weil ich mir in Folge der Fehlbildung am Gelenk einen Knorpel eingerissen habe. Insofern: Ja, ich musste sehr viel darüber lernen, wie ich auf meinen Körper acht gebe. Pilates gehört zu den Dingen, die mir sehr geholfen haben.

SPOX: Jetzt, wo Sie hundertprozentig fit sind, könnten Sie doch Lindsey Vonn und Maria Riesch angreifen, die zumindest in Deutschland mit Abstand die meiste Aufmerksamkeit genießen.

Mancuso: Absolut! Dass ich gemerkt habe, dass ich noch Luft nach oben habe, hilft mir sehr. Ich hoffe, dass mir der gute Saisonstart ein gewisses Momentum verschafft und ich die beiden in Zukunft regelmäßig herausfordern kann. Man muss allerdings sagen, dass beide verdammt stark sind. Vor allem im Slalom. Da muss ich mich verbessern, genauso wie im Riesenslalom.

SPOX: Jeder in Deutschland weiß, dass Vonn und Riesch beste Freundinnen sind. Wie ist Ihr Verhältnis zu den beiden?

Mancuso: Unser Verhältnis ist ein rein sportliches. Ich fahre schon seit den Junioren gegen sie und ich weiß natürlich genau, wie unheimlich ehrgeizig sie sind. Mir kommt das sehr entgegen, weil ihre Leistungen mich zusätzlich pushen.

SPOX: Vonn wirkt aus der Distanz eher konservativ, fast ein bisschen schüchtern. Sie dagegen scheinen eine sehr offene Person zu sein, die gerne Spaß hat.

Mancuso: Spaß muss auf jeden Fall sein. Ich versuche, meine Zeit unterwegs nicht einfach nur als Wettbewerb zu sehen, sondern ich möchte jeden Aspekt genießen. So bin ich aufgewachsen: Ich habe Skifahren immer schon geliebt und im Winter jede freie Minute draußen verbracht. Dieses Gefühl, dass ich es immer noch der Liebe zum Wintersport wegen mache, brauche ich. Natürlich bin ich ehrgeizig, aber ich brauche das Gefühl, Spaß dabei zu haben. Ansonsten kann es verdammt hart werden, monatelang aus dem Koffer zu leben.

SPOX: Glauben Sie, dass Ihnen Ihre Art in punkto Publicity weiterhilft?

Mancuso: Kann schon sein, aber darüber denke ich überhaupt nicht nach. Ich will einfach nur ich selbst sein und nicht für andere eine Show abziehen müssen. Ich bin, wie ich bin, und jeder muss selbst wissen, ob ihm das gefällt oder ob er mich dafür kritisieren will, dass ich gerne Spaß habe und ab und zu Blödsinn mache.

SPOX: Haben Sie für die berühmten Pool-Bilder, auf denen Ihnen unter anderem Chemmy Alcott an die Brüste grapscht, Kritik einstecken müssen?

Mancuso: (lacht) Eigentlich gar nicht. Aber ich fände es nicht schlecht, wenn diese Fotos nicht die ersten wären, die auftauchen, wenn man bei Google nach Bildern von mir sucht. Da gebe ich natürlich kein gutes Vorbild ab. Aber hey, manchmal kann man eben nicht kontrollieren, wer was macht, oder wann wer auf den Auslöser drückt.

SPOX: Von den Fotos mal abgesehen scheint Chemmy Alcott eine sehr gute Freundin von Ihnen zu sein.

Mancuso: Oh ja, sie ist auf der Tour sehr wichtig für mich. Sie ist wie eine Schwester. Deshalb tut es mir umso mehr weh, dass sie sich beim Training in Lake Louise einen offenen Beinbruch zugezogen hat. Aber es hat uns auch gezeigt, wie sehr wir uns gegenseitig brauchen, und dass wir wirklich wie eine Familie sind. Seit dem Unfall kümmere ich mich um sie, so gut ich kann.

SPOX: Von Ihrer besten Freundin zu Ihrem Freund: Wie schaffen Sie und Aksel Lund Svindal es, bei Ihrem dicht bepackten Terminkalender Zeit miteinander zu verbringen?

Mancuso: Während der Saison ist es schwer. Aber im Sommer zum Beispiel hat es wunderbar geklappt. Ich war eine Weile in London bei Chemmy, dann war ich in Norwegen, und später haben mich beide auf Maui besucht.

SPOX: Svindals Saisonstart war auch nicht schlecht. Könnte Ihre Beziehung etwas mit dem Erfolg zu tun haben?

Mancuso: Natürlich fühlt man sich immer am wohlsten, wenn privat alles passt. Aber davon abgesehen denke ich, dass es bei mir eher damit zu tun hat, dass ich endlich fit bin und mich keine Verletzungen behindern. Und bei Aksel: Der ist doch schon eine ganze Weile sehr gut!

SPOX: Noch ein Wort zu den angesprochenen Fotos: Auf einem trinken Sie eine Dose Bier. Sie sehen gut aus, sind offen, haben gern Spaß und trinken auch noch Bier. Ist Ihnen klar, dass Sie damit der Traum eines jeden Mannes sind?

Mancuso: (lacht) Tja, was soll ich sagen? Ich finde, ab und zu sollte jeder ein Bier trinken.

SPOX: Sie sind also keine Weintrinkerin?

Mancuso: Doch, Wein mag ich auch. (lacht) So lange man verantwortungsbewusst damit umgeht, kann Alkohol zu viel Spaß führen. Ich weiß natürlich, dass das in Europa ein noch stärkerer Teil der Kultur ist als bei uns. Deshalb freue ich mich immer, wenn ich rüberkommen und mitmachen kann. Aber natürlich nicht vor einem Rennen!

SPOX: Und nicht, wenn Sie fahren müssen. Sie haben sich kürzlich Ihren eigenen Minivan zugelegt, um selbst von Rennen zu Rennen zu reisen.

Mancuso: Das stimmt, der steht gerade draußen vor meinem Hotel.

SPOX: Nehmen Sie den auch mit in die USA?

Mancuso: Nein, der soll speziell für meine Europa-Termine sein. Die nächsten paar Jahre will ich mich damit durch den Kontinent schlagen.

SPOX: Wer ist noch an Bord, wenn Sie fahren?

Mancuso: Meistens bin ich allein. Das ist ein eher kleines Ding, nicht so ein gigantisches Wohnmobil, wie es viele Amerikaner haben. Aber für mich hat es die perfekte Größe. Es hat die volle Ausstattung, inklusive Bett und Küche. Es ist mir wichtig, dass ich meine Ernährung selbst im Griff habe.

SPOX: Wie gut kennen Sie sich denn in Europa aus? Brauchen Sie immer und überall ein Navigationssystem?

Mancuso: Nicht immer. Österreich und Teile der Schweiz kenne ich schon ganz gut. Aber klar gibt's Strecken, auf denen ich nicht weiß, wo es her geht. Da reicht ein Navi allerdings nicht aus. Ich habe immer auch Karten dabei, weil Navis die komische Angewohnheit haben, einen immer über die falschen Pässe zu lotsen. (lacht)

SPOX: Gibt es Länder, durch die Sie besonders gern reisen?

Mancuso: Das nicht unbedingt, aber es gibt einzelne Orte und Rennen, auf die ich mich immer besonders freue. Cortina zum Beispiel ist toll, unser kleines Hotel in Val d'Isere war auch sehr schön. Und Garmisch natürlich, weil es in der Nähe eine Army Base gibt. Man freut sich immer, wenn man im Ausland Unterstützung von seinen Landsleuten bekommt. Außerdem verstehen es die Deutschen, an der Piste für richtig Stimmung zu sorgen.

SPOX: Mit anderen Worten: Sie freuen sich auf die WM Anfang 2011?

Mancuso: Die WM ist immer ein Highlight für mich. Weil man dann mal ein paar Wochen an einem Ort bleiben kann. Mir ist es viel lieber, wenn ich neben dem Skifahren auch Zeit habe, die Stadt zu genießen und mir ein paar Sachen anzuschauen. Dieses ständige Hin- und Herreisen kann schon die Konzentration beeinträchtigen.

SPOX: Könnte das einer der Gründe sein, warum Sie bei Weltmeisterschaften und Olympischen Winterspielen so unheimlich erfolgreich sind?

Mancuso: Das kann sein. Ich meine, ich habe ja schon so einige Podiumsplätze bei Weltcuprennen geholt und versuche immer, das Optimum heraus zu holen. Aber es stimmt schon, bei den großen Events hatte ich stets viel Glück. Vielleicht hole ich da ein paar zusätzliche Prozentpunkte heraus.

SPOX: Nicht nur bei diesen großen Events ist Ihr Vater jemand, der Sie häufig unterstützt.

Mancuso: Das stimmt, er ist dabei, so oft er kann.

SPOX: Sie beide haben ein sehr gutes Verhältnis, obwohl er ins Gefängnis musste, als Sie klein waren, weil er ein gut gehendes Marihuana-Imperium hatte.

Mancuso: Ja, er war knapp fünf Jahre im Gefängnis. Aber das heißt nicht, dass er ein schlechter Vater war oder ist. Er hat mich immer toll unterstützt, auch damals schon.

SPOX: Ich frage mich, wie viel die Geschichte von damals damit zu tun hat, wer Sie heute sind.

Mancuso: Ich hatte eine schwere Zeit, das kann ich Ihnen sagen. Ich war sieben und hatte keine Ahnung, was los ist. Und plötzlich steht die Polizei vor der Tür und nimmt mir meinen Daddy weg! So etwas kann definitiv traumatisierend sein. Damals habe ich viel Zeit auf dem Hang verbracht. Skifahren hat mir sehr geholfen, damit klar zu kommen, dass andere Familien zu Hause über uns geredet und die Kinder mich in der Schule ausgelacht haben. Das war sicher nicht die einfachste Art, seine Kindheit zu verbringen. Auf der anderen Seite hat es mir geholfen, sehr selbständig, ehrgeizig und fokussiert zu sein und nichts darauf zu geben, was andere Menschen sagen oder über mich denken.

Lake Louise: Mancuso Dritte hinter Vonn und Riesch

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