Ermittler: Deutsche in Blutbank-Affäre involviert

SID
20 deutsche Wintersportler sollen Blutdoping betrieben haben
© Getty

Vier Tage vor dem Start der Winterspiele in Vancouver haben Mutmaßungen über die Verwicklung deutscher Wintersport-Athleten in die Wiener Blutdoping-Affäre neue Nahrung erhalten.

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Vier Tage vor dem Startschuss der Olympischen Spiele in Vancouver sind schwere Doping-Anschuldigungen gegen deutsche Wintersport-Athleten laut geworden.

In einem "ARD"-Film bestätigte ein Ermittler erstmals, dass es Hinweise auf die Verwicklung von deutschen Sportlern in der Wiener Blutbank-Affäre gebe.

Deutsche Biathleten und Langläufer involviert?

Zudem behaupteten der ehemalige Ski-Trainer Walter Mayer sowie ein anonym gebliebener nordischer Skisportler, dass Doping im Wintersport nach wie vor zum Alltag gehöre.

"Es gab Hinweise auf Sportler aus Deutschland, aus dem Wintersport. Wir hatten aber keine konkreten Namen", sagte Arnold Riebenbauer, damals Vorsitzender des Disziplinar-Ausschusses des österreichischen Ski-Verbandes, in dem "ARD"-Film "Geheimsache Doping: Eiskalter Betrug", der in der Nacht zum Dienstag ausgestrahlt wurde.

Riebenbauer erklärte, dass er Hinweise auf Verstrickung deutscher Biathlethen und Skilangläufer in die Affäre im Rahmen von Zeugen-Vernehmungen erhalten habe.

Damit stellte erstmals eine Quelle aus Ermittlerkreisen eine Verbindung von deutschen Athleten zum Wiener Labor her. Bislang lagen nur Hinweise von anonymen Quellen über Verstrickungen vor.

Der Blutbank-Skandal war im Winter 2007/2008 publik geworden. Nach damaligen Recherchen der ARD sollen rund 20 deutsche Sportler aus den Bereichen Biathlon und Skilanglauf in einem Humanplasma-Labor in Wien Blutdoping betrieben haben.

DSV verweist auf anderslautende Informationen

Stefan Schwarzbach, Pressesprecher des Deutschen Ski-Verbandes (DSV), hatte indes anderslautende Informationen. "Wir haben bei Staatsanwaltschaften und Nationalen Anti-Doping-Agenturen nachgefragt und die Bestätigung erhalten, dass keine deutschen Sportler involviert sind."

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) reagierte reserviert: "Auch diese Aussage von Herrn Riebenbauer bringt keine Neuigkeit. Statt dunkle Andeutungen zu machen, sollte er Ross und Reiter nennen. Die österreichischen Behörden als auch die NADA Österreichs haben uns stets mitteilen lassen, dass es keine belastbaren Hinweise auf deutsche Athleten gibt", sagte DOSB-Sprecher Christian Klaue.

"Wir fischen im Trüben"

Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag, blieb ebenfalls skeptisch: "So lange wir keine Namen kennen, fischen wir weiter im Trüben. Wir benötigen mehr Fakten", sagte Freitag über die neuen Erkenntnisse in der Blutbank-Affäre, zu denen auch das ZDF beiträgt.

In der Reportage "Mission Gold - Die Blutspur der Dopingsünder" am Mittwoch (23.15 Uhr) bringt Karl Stoss, Präsident des Nationalen Komitees Österreichs, ebenfalls deutsche Athleten in Zusammenhang mit der Affäre.

Für den ehemaligen österreichischen Ski-Trainer Walter Mayer, zentrale Figur in dem Doping-Skandal bei Olympia 2006 in Turin, ist laut "ARD"-Film das Doping-Problem aktueller denn je.

Die Ermittlungen seien eine Farce. Dringend müsste es Nachtests von den Spielen 2006 geben, um das Blutdopingmittel Cera nachzuweisen, so Mayer: "Wenn es Nachtests zu Turin geben würde, würden viele Medaillengewinner in einem schlechten Licht stehen."

Mayer: "Cera wurde in Turin zu 100 Prozent benutzt"

IOC-Vize-Präsident Thomas Bach meinte dagegen: "Unsere Experten sagten mir, dass es zurzeit keine Anhaltspunkte gebe, dass Cera in Turin benutzt wurde." Mayer indes behauptet: "Cera wurde in Turin zu 100 Prozent benutzt."

Der ehemalige österreichische Ski-Trainer war nach einer Razzia bei Olympia 2006 in Österreichs Langlauflager vorübergehend verhaftet worden und dann amokfahrend geflüchtet. Nach wie vor wird gegen Mayer ermittelt.

Doping-Vorwürfe erhob in dem Film auch ein nordischer Skisportler aus Mitteleuropa, der anonym bleiben wollte. Der WM- und Olympiateilnehmer verglich die Doping-Situation im nordischen Skisport mit dem Radsport. Vor allem im Skilanglauf habe er mitbekommen, dass massiv gedopt werde, sagte der Athlet, der selbst Blutdoping zugab.

Das Blutdoping bei Humanplasma in Wien sei "noch die sauberste Form des Dopings", erklärte der Top-Sportler. "Es wird keine Chemie zugesetzt, es wird nur eingefroren und später wieder rückgeführt in den Körper", sagte der unbekannte Athlet. "Für uns hatte er eine hohe Glaubwürdigkeit, deshalb kam er zu Wort", sagte "ARD"-Doping-Experte Hajo Seppelt.

Substanz S107

Erschreckende Details lieferte der Film über die Substanz S107. Das Präparat, das in ein paar Jahren zur Behandlung von Herzleiden eingesetzt werden soll, fördere die Ausdauerleistung bei Menschen um 20 Prozent und sei im Sport schon längst im Umlauf, hieß es.

Die Substanz stehe allerdings noch nicht auf den Doping-Listen, sei aber problemlos im Internet zu bestellen. "Es kann sein, dass es schon im Einsatz ist", sagte der frühere Radsport-Profi und geständige Dopingsünder Bernhard Kohl.

Erneut in die Schusslinie geriet auch Russland. Speziell in der Stadt Minsk sollen Doping-Einkäufer auf ihre Kosten kommen. Das Film-Team erhielt in Apotheken EPO und organisierte in einem Fitnesscamp Wachstumshormone. Über das russische System, das seit Tagen schwer in der Kritik steht, plauderte der wegen EPO-Dopings gesperrte Ex-Weltmeister Dmitri Jaroschenko.

"Ich weiß, dass die Teamärzte sich untereinander kennen und austauschen. Und offensichtlich bekommen die Ärzte die Mittel von derselben Quelle zur selben Zeit."

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