"Michael Ballack hört diese Frage nie"

Von Interview: Florian Regelmann
Martin Schmitt holte 2002 Olympia-Gold in Salt Lake City
© Getty

Martin Schmitt sorgte zwischen 1998 und 2001 für einen absoluten Hype im Skispringen. Doch dann blieben die Erfolge aus und es wurde stiller um ihn. Inzwischen wartet er seit sieben Jahren auf einen Sieg. Jetzt, im Olympia-Winter will er noch einmal angreifen. Bei SPOX spricht er über den Beginn seiner Karriere im Garten, seinen besten Sprung und über Harald Schmidt.

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SPOX: Herr Schmitt, lassen Sie uns zu Beginn ganz an die Anfänge zurückgehen. Wie blöd schauen die Nachbarn, wenn man im heimischen Garten mit dem Skispringen beginnt?

Martin Schmitt: (lacht) Die haben gar nicht komisch geschaut, aus der Nachbarschaft haben Kumpels von meinem Bruder und mir dann sofort mitgemacht. Unser Garten hat es zugelassen, dass man eine kleine Schanze baut - und das hat unser Vater dann gemacht. Wir sind mit Langlaufskiern gesprungen und mein Vater hat mit der Zeit sogar noch ein kleines Holzgerüst angefertigt, so dass wir mehr Anlauf hatten. Das hat großen Spaß gemacht.

SPOX: Dennoch war es ja dann mehr Zufall, dass Sie zum Skispringen gekommen sind.

Schmitt: Das stimmt. Mein Bruder hatte mit dem Skispringen angefangen und ich habe ihn zu einem Wettkampf begleitet. Dann ist plötzlich jemand ausgefallen und ich wurde gefragt, ob ich nicht Lust hätte, einzuspringen. Ich habe meine Chance genutzt und in einer höheren Altersklasse gleich den zweiten Rang belegt. Ich habe eine Medaille bekommen und war stolz wie Oscar. Das war dann für mich der Anstoß weiterzumachen.

SPOX: Zu diesem Zeitpunkt waren Sie sechs Jahre als, jetzt sind Sie 31. Wie fällt 25 Jahre nach dem ersten richtigen Sprung das Zwischenfazit Ihrer Karriere aus?

Schmitt: Auf jeden Fall sehr positiv. Natürlich träumt man als Kind davon, Olympiasieger und Weltmeister zu werden, aber dann gab es auch Phasen im Schüler- und Jugend-Bereich, in denen ich nicht ernsthaft daran geglaubt habe, so etwas einmal zu schaffen. Das war so weit weg. Viele aus meiner Altersklasse haben es auch nie in den Weltcup geschafft. Der einzige Weggefährte von damals ist Michael Uhrmann, sonst ist niemand übrig geblieben. Ich bin stolz, dass ich tolle Erfolge feiern konnte - es war eine tolle Zeit bis heute.

SPOX: Besonders schön war sicher die Zeit zwischen 1998 und 2001. Sie haben in diesem Zeitraum 27 Weltcup-Springen gewonnen und die Szene komplett dominiert.

Schmitt: An diese Zeit erinnere ich mich unglaublich gerne zurück. Ich hatte damals ein wahnsinniges Niveau, mich konnte so schnell nichts umhauen. Ich wusste vor jedem Wettkampf, dass ich mindestens in die Top 3 komme, wenn es normal läuft. Das war eine sehr komfortable Situation.

SPOX: Wenn Sie Ihren besten Sprung aller Zeiten nennen müssten: Stammt der auch aus dieser Phase?

Schmitt: Es gibt ein paar Sprünge, die mir spontan in den Kopf kommen. 1999 habe ich in Planica mal einen perfekten Wettkampf gemacht und den damaligen Skiflug-Weltrekord aufgestellt. Ich bin sogar 219 Meter gesprungen, dann aber beim Jubeln in den Schnee gefallen. Oder meine Siege in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen, wo ich neue Schanzenrekorde aufgestellt habe, die waren auch genial. Grundsätzlich kommt es aber auch häufig vor, dass die besten Sprünge gar nicht immer die sind, mit denen man Wettkämpfe gewinnt. Oft macht man einen außergewöhnlich guten Sprung bei ganz schwierigen Verhältnissen. Der ist dann nicht so weit, kann aber für die Umstände perfekt sein.

SPOX: Ihr bis heute letzter Weltcup-Sieg kam dann 2002 in Lahti. Es gab eine Zeit, da war das Siegen so einfach und jetzt warten Sie seit über sieben Jahren auf einen Sieg. Ist das nicht unglaublich?

Schmitt: Irgendwie schon. Mit der Zeit haben die vielen Siege eine ganz andere Bedeutung bekommen. Damals war das Siegen überhaupt nicht schwer - und dann wurde es plötzlich verdammt schwer oder sogar unmöglich.

SPOX: Sie sprechen die Krise an. Die Saison 2005/06 war Ihre schlechteste. Was war das Schlimmste zu der Zeit?

Schmitt: Das Schlimmste war die Unsicherheit. Die Unsicherheit, nicht zu wissen, woran es liegt. Es war niemand da, der mir einen Weg aufgezeigt hat, wie ich wieder nach vorne komme. Ich habe mich hilflos gefühlt. Wenn du den unbedingten Willen hast, aus dem Loch herauszukommen, du aber von keiner Seite einen Weg aufgezeigt bekommst, ist es schwierig. Das war sicher der Tiefpunkt meiner Karriere - eine sehr frustrierende Zeit. Da ist man abends im Hotel schon mal am Boden, wenn man wieder den zweiten Durchgang verpasst hat.

SPOX: Welche Erfahrungen haben Sie in dieser Zeit gemacht?

Schmitt: Was sehr positiv war: Ich habe in der schwierigen Phase keine menschlichen Enttäuschungen erlebt. Es war eine sportliche Unsicherheit vorhanden und ich wusste nicht, wohin die Reise geht. Die Weltspitze war unglaublich weit weg - und auch wenn die Hoffnung irgendwo noch da war, wieder den Anschluss zu finden, hat die hundertprozentige Überzeugung gefehlt.

SPOX: Viele Leute haben Sie komplett abgeschrieben. Wie nahe waren Sie selbst daran aufzuhören?

Schmitt: Ich hatte diesen Gedanken nie. Ich habe nie den Glauben verloren, dass ich es kann und dass ich die Fähigkeiten besitze, die erforderlich sind, um wieder oben anzuklopfen. Es ging darum, einen Weg zurück in die Erfolgsspur zu finden. Mein Umfeld hat mich immer unterstützt und dann war es ein Glücksfall für mich, als Stefan Horngacher als neuer Stützpunkt-Trainer gekommen ist. Er hat mir sehr viel gegeben und mir gezeigt, wie ich wieder erfolgreich Skispringen kann. Auch wenn es in den Jahren 2007 und 2008 auch noch nicht so erfolgreich lief, hat er in den Jahren die Grundlagen gelegt. Ich habe schnell das Gefühl bekommen, dass es für mich wieder ganz nach vorne gehen kann.

SPOX: Und dann kam Werner Schuster als neuer Cheftrainer. Was sind seine größten Stärken?

Schmitt: Er geht stark auf jeden einzelnen Springer ein, er fördert die Stärken und hilft einem, die Schwächen abzustellen. Er besitzt eine große Fachkompetenz, kaum einer versteht so viel vom Skispringen wie er. Er hat eine Vision ins Team gebracht. Und er ist nebenbei ein toller Mensch. Er sieht den Sportler nicht als Maschine, die funktionieren muss, sondern geht auf unsere Bedürfnisse ein und hat zu jedem im Team einen guten Zugang. Er weiß, wie er aus allen das Maximale herausholen kann. Wir vertrauen ihm.

Teil 2: Schmitt über den Mädchenhype um seine Person und Youngster Bodmer