Urteil ist laut Pechstein "der nackte Wahnsinn"

SID
Claudia Pechstein ist über das Urteil erbost
© Getty

Claudia Pechstein hat die Bestätigung ihrer zweijährigen Dopingsperre als "Justizirrtum des Anti-Dopingkampfes" und als "Kollateralschaden" bezeichnet. Auch beteuert sie "nie gedopt" zu haben.

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Neuer Rundumschlag von Claudia Pechstein, erste Anzeichen für eine drohende Flut von Sperren und Forderungen nach härteren Dopingstrafen aus der Politik: Das spektakuläre Urteil gegen die fünfmalige Eisschnelllauf-Olympiasiegerin hat in der Sportwelt ein heftiges Nachbeben erzeugt.

Pechstein gab sich einen Tag nach der Bestätigung ihrer Zwei-Jahres-Sperre schon wieder kampfeslustig und bezeichnete den Spruch des Internationalen Sportgerichtshofes CAS als "Justizirrtum des Anti-Dopingkampfes".

Das Urteil sei ein "Kollateralschaden, der scheinbar im Umfeld aller Verbände und Institutionen hingenommen wird, damit der Anti-Dopingkampf keinen Schaden nimmt. Das Ganze ist der nackte Wahnsinn", schrieb Pechstein auf ihrer Homepage und gab erneut eine Ehrenerklärung ab: "Ich habe nie gedopt, und ich habe ein reines Gewissen!"

Pechstein: "Ich könnte mich kaputtlachen"

Ohne Namen zu nennen, übte sie harte Kritik am DOSB-Präsidenten Thomas Bach. Der oberste deutsche Sportfunktionär hatte Pechstein aufgefordert, die Hintermänner zu nennen, die ihr beim Doping geholfen haben. Pechstein dazu: "Wenn's nicht so traurig wäre, könnte ich mich kaputtlachen. Hintermänner! Was für Hintermänner? Wenn ich nicht gedopt habe, kann es auch keine Hintermänner geben! So einfach ist das."

Pechstein erklärte, dass sie sich seit zehn Monaten fühle, "als lebe ich im Moment gar nicht mein eigenes Leben, sondern wäre Teil eines Films". Sie forderte "sämtliche investigativen Journalisten" auf, zu recherchieren: "Sucht nach Dealern. Kliniken, Ärzten, Rechnungen, E-Mails, Blutbeuteln, Zeugen - oder was auch immer! Tut endlich Eure Arbeit. Denn jede Recherche wird mich entlasten. Ich bin gespannt, ob ich irgendwann einmal über solche Recherchen etwas lesen darf."

Immer deutlicher zeichnet sich auch ab, dass Pechstein auch ein möglicher Erfolg vor dem Schweizer Bundesgericht im Hinblick auf einen Start bei den Olympischen Spielen in Vancouver nicht weiterhelfen wird. "Ich werde nicht darüber spekulieren, was ein Bundesgericht in der Schweiz urteilen wird. Für uns ist die Sportgerichtsbarkeit entscheidend. Diese Entscheidung gilt für uns", sagte DOSB-Generaldirektor Michael Vesper. Der DOSB hat hinsichtlich der Nominierungen das letzte Wort.

Erste Hinweise auf weitere Sperren im Eisschnelllauf

Auch wenn am Tag nach dem Urteil noch keine neuen Sperren gegen verdächtige Athleten verhängt wurden, gab es erste Hinweise, dass dies nur noch eine Frage der Zeit ist. Und der Eisschnelllauf könnte wieder mitmischen. "Es ist wahrscheinlich, dass im Eisschnelllauf und möglicherweise auch in anderen Sportdisziplinen nun weitere Fälle mit nur einem Blutparameter angestrengt werden", sagte Günter Schumacher.

Der Sportdirektor der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) ist pikanterweise auch Mitglied der Technischen Kommission des Weltverbandes ISU, der Pechstein sperrte. Im Berufungsverfahren vor dem CAS in Lausanne war bekannt geworden, dass neben Pechstein zwölf weitere Läuferinnen und Läufer mit einem überhöhten Retikulozytenwert aufgefallen sind.

UCI-Sprecher: "Sind überzeugt, dass unser System gut ist"

Gian Franco Kasper, der Präsident des Ski-Weltverbandes FIS, bezog sich zwar nicht ausdrücklich auf das Pechstein-Urteil, kündigte aber für die olympische Saison einen "Kampf gegen Doping mit allen Mitteln und in allen Disziplinen" an. Kasper hatte schon vor dem Urteil mit der Feststellung für Aufsehen gesorgt, dass sein Verband eine "schwarze Liste" mit Verdächtigen führe.

Enrico Carpani, Sprecher des Radsport-Weltverbandes UCI, wollte den Fall Pechstein "nicht kommentieren", sagte aber: "Wir werden unseren Weg mit den Blutprofilen weitergehen. Wir sind überzeugt, dass unser System gut ist." Die UCI hatte fünf Fälle mit indirektem Dopingnachweis an die jeweiligen Nationalverbände weitergeleitet.

Derweil wurden aus der Politik erneut Forderungen nach der Installierung von Doping und Sportbetrug im Strafrecht laut. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) hat nach Angaben der Süddeutschen Zeitung bereits einen Entwurf für ein Bundes-Sportschutzgesetz ausgearbeitet.

Demnach sollen Bestechung, Bestechlichkeit, Doping und sonstige betrügerische Manipulationen künftig mit allen Mitteln strafrechtlich verfolgt werden. Dagmar Freitag, die neue Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, begrüßte den Vorschlag.

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