Mit Kreuzbandriss und Dalai Lama

Von Interview: Merja Schubert
David Möller geht als Gesamtweltcup-Zweiter in die WM in Lake Placid
© Getty

Bei der Weltmeisterschaft in Lake Placid lief es für David Möller nicht rund. Ein Erfolg war es allerdings schon trotz eines Kreuzbandrisses überhaupt an den Start zu gehen. Bei SPOX spricht der 27-jährige Ex-Champion über die Einsamkeit des Tüftlers, den Einfluss von Schorsch Hackl und den Dalai Lama.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Herr Möller, ihr Lieblingsbuch ist "Dalai Lama - Der Weg zum Glück". Das ist ja nicht unbedingt die Literatur, die man von einem Risikosportler erwartet...

David Möller: Gerade deshalb ist sie wichtig! Damals in Nagano habe ich meine Leidenschaft für den Buddhismus gefunden. Ich bin vor meinen Rennen in den Tempel gegangen und habe an Glücksritualen teilgenommen. Sie mögen es Aberglaube nennen, aber es hat funktioniert und ich bin Weltmeister geworden. Ich bin ein sehr ehrgeiziger Sportler, aber man muss auch andere Bereiche kennenlernen, um den Sport zu relativieren. Im Buddhismus versucht man, Sachen objektiver und mit weniger Emotionen zu sehen. Das ist genau die richtige Herangehensweise an meinen Sport.

SPOX: Sind Sie praktizierender Buddhist?

Möller: Er ist meine Lebensphilosophie. Wenn man im Leistungssport seine Niederlagen einzuschätzen weiß und hinnehmen kann, hat man die Kraft, aus einer Niederlage gestärkt hervorzugehen. Es gibt ein schönes Zitat: 'Eine weise Person lässt sich weder durch Not noch durch Kritik aus der Ruhe bringen.' Das sollte sich ein guter Sportler zum Motto setzen. Irgendwann haut es dann wieder hin.

SPOX: Viele Sportler sind ja dann doch eher uncool und rasten oft aus.

Möller: Ich habe mich sehr geärgert, dass es mir diese Saison so ging. Gerade wenn man meint, jetzt passt alles, jetzt hab ich einen schnelleren Schlitten, dann ist der Armin Zöggeler doch wieder ein Stück besser. Es war nur noch der Versuch, etwas übers Knie zu brechen, damit ein Sieg herausspringt. Es ist jetzt der richtige Punkt vor der Weltmeisterschaft, meine Lockerheit zurückzubekommen. Da werden mir die buddhistischen Lebensweisheiten helfen. Ich habe das Buch wieder eingepackt.

SPOX: Stichwort WM: Sie sind trotz eines Kreuzbandrisses gefahren. Sind Rodler so harte Hunde?

Möller: Ich glaube nicht, dass ich irgendwie besonders taff bin, aber ein harter Hund muss man schon sein, wenn man sich mit 130, 140 km/h die Bahn runterstürzt. In meinem Fall lag es daran, dass nur das Kreuzband ab ist, aber sonst nichts in Mitleidenschaft gezogen wurde. Mein Trainer sagt immer: 'Es gibt nichts Negatives, wo nicht auch etwas Positives dabei ist.' Dementsprechend habe ich versucht, die Situation zu nehmen wie sie ist. Ich war zum Glück recht schmerzfrei und konnte alles trainieren, was für das Rodeln notwendig ist.

SPOX: Sie sind schon vierfacher Weltmeister. Dieses Mal sind Sie aber leer ausgegangen. Enttäuscht?

Möller: Ich kenne das Gefühl, Weltmeister zu werden und weiß, wie schön das ist. Ich weiß aber auch, dass an so einem Tag alles passen muss. Meine Saison ist bisher unglücklich verlaufen. Mal war der Start nicht gut, mal hatte ich Pech mit der Witterung, mal bin ich einfach nicht gut gefahren. Es hat immer ein bisschen gefehlt.

SPOX: Sie haben als kleiner Junge mit Fußball angefangen, sind dann aber zum Rodeln übergegangen. Wie kommt man als Kind auf die Idee, sich für diesen Sport zu entscheiden?

Möller: Bei uns in der Gegend hat das Tradition. Schon zu ehemaligen DDR-Zeiten wurden in Oberhof Trainings- und Sichtzentren ausgebaut. Dank des Engagements der ehrenamtlichen Trainer hat man dieses Zentrum nach der Wende weitergeführt und auch die Schulen miteinbezogen. Letztendlich gab es nur diese zwei Alternativen: Entweder du gehst in den Fußballverein oder hast Rennrodelsport betrieben. Und da ich schon immer sehr sportlich war, bin ich Anfangs auch zweigleisig gefahren. 1995 bin ich aufgrund meiner Jugend-Erfolge dann auf die Sportschule nach Oberhof gewechselt, wodurch ich gleich im Leistungssportsystem war.

SPOX: Sie sind ja generell ein eher ehrgeiziger Typ, haben Ihr Abitur mit dem Notenschnitt 1,2 gemacht, eine Ausbildung absolviert, studieren nun und sind ganz nebenbei auch noch Leistungssportler.

Möller: Zum Glück ist mir eine gute Auffassungsgabe geschenkt worden. Wenn ich mir etwas durchlese, dann weiß ich gleich, worum es geht. Wo sich andere drei bis vier Stunden hinsetzen müssen, reicht mir eine halbe Stunde. Ich bin auch froh darum, sonst würde das alles gar nicht  funktionieren. Mein "Problem" ist das Interesse an diversen Sachen, deswegen habe ich mich auch für das Studium des Medienmanagements entschieden und eben nicht für Sport, um noch etwas anderes kennenzulernen.

SPOX: Sie sind auch ein Tüftler, wenn es um Ihren Schlitten geht und Sie machen sehr viel selbt. Wie kann man sich diese Feinabstimmung als Laie vorstellen?

Möller: Es gibt da so viele Details, mit denen man spielen kann. Es gibt zuerst einmal das Grundgestell des Schlittens, das auf jeden individuell angepasst wird. Worauf es wirklich ankommt, ist die Schiene. Es gibt verschiedene Stähle, verschiedene Schliffe und Biegungen. Jeder Sportler muss wissen, auf welcher Bahn welcher Schliff verwendet wird, da trennt sich die Spreu vom Weizen. Das ist natürlich alles ein längerfristiger Prozess, der viel Zeit in Anspruch nimmt, da verbringt man nebenher mal drei Stunden nur damit, um der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein.

SPOX: Wenn Sie so ein Tüftler sind, sieht es mit dem Privatleben ja eher mau aus.

Möller: Ja, das stimmt. Ich habe zum Glück eine ganz tolle Freundin, die mir viele Freiräume gibt, ansonsten würde das gar nicht gehen.

SPOX: Wenn man kein richtiges Privatleben hat, liegt es ja nahe, dass man sich mit seinen Kollegen aus der Rodelszene gut versteht und Freundschaften schließt. Geht man dann mit seinem größten Konkurrenten Armin Zöggeler auch mal abends ein Bierchen trinken?

Möller: Leider ist es so, dass wir Deutschen aufgrund unserer Erfolge nicht unbedingt beliebt sind. Wir sind sehr professionell und es gibt viele, die denken, wir hätten irgendwelche Geheimnisse im Materialbereich. Sie haben sich da ein bisschen ein Feindbild aufgebaut, das ist nicht unbedingt einfach. Aber gerade mit einem Armin Zöggeler, der selbst erfolgreich ist und weiß, wie das Spiel läuft,  kann man ganz normal reden. Er ist sehr professionell und total am Boden geblieben.

SPOX: Wie war das eigentlich damals für Sie mit Schorsch Hackl - haben Sie darunter gelitten, dass sich alles nur um ihn gedreht hat, oder war es für Sie eher die Chance, in seinem Schatten groß zu werden?

Möller: Natürlich war es schwer für uns, insbesondere für mich als 22-Jähriger, als ich in Nagano Weltmeister geworden bin. Ich hab gedacht: Okay, du bist jung und erfolgreich, das muss doch irgendjemanden interessieren. Aber dann war doch immer der Schorsch im Fokus. Auf der anderen Seite haben auch wir und der Rodelsport an sich viel vom Schorsch profitiert. Gerade durch sein Wesen und sein Auftreten in den Medien ist der Rodelsport erst so richtig bekannt geworden und hat ein Gesicht bekommen. Deshalb können wir alle dankbar sein, einen Schorsch Hackl gehabt zu haben.

Felix Loch verteidigt Titel