Von der Klo-Schüssel auf den Thron

Von Johannes Rupprechter
Vor dem Rennen war Christoph Stephan gar nicht wohl, dann schlug der 23-Jährige aber zu
© Getty

Christoph Stephan machte an diesem Wintersportwochenende groß von sich reden. Und dies nicht nur aufgrund seines ersten Weltcup-Sieges. Ein Schweizer schrieb Ski-Geschichte, ein Skispringen wurde zur Düsenjet-Show und die Japaner können's nicht lassen. Das und noch mehr in den Tops und Flops vom Wochenende.

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+ Sprint ohne volle Hosen

Bisher war Rang sieben die beste Weltcup-Platzierung des Thüringers Christoph Stephan. Aber am vergangenen Wochenende im italienischen Antholz war es soweit, die große Stunde des 23-Jährigen hat geschlagen. Im Massenstart-Rennen setzte sich Stephan in einem an Spannung kaum zu überbietenden Schlusssprint gegen den Österreicher Dominik Landertinger um einen Wimpernschlag durch. Viel eindrucksvoller kann man seinen ersten Weltcup-Sieg wohl nicht feiern. Und das obwohl Stephan vor dem Rennen an Magenproblemen litt: "Vor dem Rennen war ich glaub ich neun oder zehn mal scheißen", so der Originalton bei seinem ersten Siegerinterview.

- Grenzwertige Flugshow

Das ging ja gerade noch mal gut für die Jury. Im Normalfall wird der Anlauf der FIS im Skispringen sehr sorgfältig bemessen und auf die Besten angepasst, denn deren Gesundheit soll über allem stehen. Im zweiten Durchgang des zweiten Weltcup-Wettbewerbs bei der Olympia-Generalprobe in Whistler war diese aber nicht mehr gewährleistet. Der nach dem ersten Durchgang Dritte Ville Larinto überbot bei starkem Aufwind den Schanzenrekord mit 149 Metern gleich um sieben (!) Meter, kam dabei aber zu Sturz. Und dennoch wurde der aktuelle Überflieger und neue Weltcup-Leader Gregor Schlierenzauer in die Spur geschickt. Dass der Österreicher, der den Sprung auf dieselbe Weite stand, nicht zu Sturz kam, lag nur daran, dass er nicht voll durchzog. Denn ansonsten wäre er jenseits der 150 Meter gelandet. Und was dann passiert wäre, will sich niemand ausmalen.

+ Vom Schatten in die Sonne

In 13 Jahren gelang dem Schweizer Didier Defago gerade einmal ein Weltcup-Sieg. Nun aber schlug er binnen sieben Tagen gleich zweimal zu. Und das gleich bei den beiden Top-Klassikern in Wengen und Kitzbühel. Der 31-Jährige, der zumeist unscheinbar im Schatten seines Namensvetters Cuche stand, schrieb damit Ski-Geschichte und erfüllte sich einen Traum. "Kitzbühel zu gewinnen, ist schöner als Weltmeister zu werden", so der Routinier. Ebenfalls ein Traum-Woche erlebte seine um acht Jahre jüngere Landsfrau Dominique Gisin. Und dies, obwohl die Besitzerin eines Kampfflugzeug-Ausweises nach unzähligen Knieverletzungen von den meisten bereits abgeschrieben wurde. Doch mit ihren Triumphen in Zauchensee und Cortina hat Gisin die Kritiker eines Besseren belehrt und sich innerhalb einer Woche in die Favoritenrolle für die Weltmeisterschaft in Val d'Isere gehievt.

- Alles verballert

Alles war perfekt gelaufen. Magdalena Neuner musste sich nach drei fehlerfreien Schießeinlagen den Sieg im Massenstart-Bewerb von Antholz eigentlich nur noch abholen. Eigentlich, denn die sechsfache Weltmeisterin brachte bei der abschließenden Vorstellung am Schießstand das wenig begeisternde Kunststück zustande, alle Schüsse daneben zu ballern. Und so musste die 21-Jährige fünf Mal ihre Kreise in der Strafrunde ziehen und sich am Ende mit Rang sieben begnügen. Weltcup-Spitzenreiterin Jekaterina Jurjewa dankte es ihr und lief zum Sieg.

+ Japans Sprung-Opas

Viele haben ihn belächelt, andere zum Aufhören geraten. Doch der 36-jährige Noriaki Kasai ließ seine Kritiker verstummen und springt nach längerer Dürre-Phase in diesem Winter konstant gut. Durch die Ränge neun und zwölf auf der Olympiaschanze von 2010 in Whistler zeigte er, dass man auch jenseits der 30 mit der Weltelite mithalten kann. Dort muss er sich auch aus einem anderen Grund wieder so richtig jung gefühlt haben. Denn plötzlich saß auch der um zwei Jahre ältere Takanobu Okabe wieder auf einem Weltcup-Balken. Doppelt so alt wie der aktuell dominierende Gregor Schlierenzauer stürzte er sich die Schanze runter. Und das nicht mal schlecht, zwei Top-20-Platzierungen haben ihren Respekt verdient!

- Heja Norge? Das war mal!

Einst war das Vaterland des Skisprung-Sports kaum zu bezwingen. Nach der Verpflichtung von Mika Kojonkoski als Cheftrainer 2002 gab es Erfolge ohne Ende für die Skandinavier. So gewannen unter seiner Gilde Sigurd Pettersen (2004), Anders Jacobsen (2007) die Vierschanzentournee, Lars Bystöl Olympia-Gold 2006, Roar Ljökelsöy im Einzel und das Team bei der Skiflug-WM jeweils Gold (2004 und 2006). Auch der weiteste gestandene Flug in der Geschichte (Björn Einar Romören, 239 Meter) stammt aus seiner Ära. Doch in dieser Saison geht nichts, die Nordländer werden vor allem von den Österreichern vorgeführt und springen meilenweit hinterher. Kein Springer befindet sich im Gesamt-Weltcup unter den Top-Ten, und der Trainerstuhl des einst vergötterten Kojonkoski ist ins Wackeln geraten.

Saisonergebnisse im Skispringen