"Mit 100 km/h gegen die Wand"

Von Interview: Carolin Blüchel
ski alpin, felix, neureuther
© Getty

Die obligatorische Frage zu seinen Eltern hängt Felix Neureuther längst zum Hals heraus. Nur zu verständlich, denn mit zwei Podestplätzen und dem siebten Rang in der Slalom-Wertung zeigte der 24-Jährige in der vergangenen Saison, dass er selbst ein ganz Großer werden kann.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

In dieser Saison soll es nun auch endlich mit dem ersten Weltcupsieg klappen. "Ich versuche, mir keinen Druck zu machen. Wenn er kommt, dann kommt er", gibt sich Neureuther betont gelassen.

Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Winter könnten nicht besser sein. Erstmals seit längerer Zeit kam Neureuther krankheits- und verletzungsfrei durch den Sommer.

Bei SPOX spricht der Shootingstar über seine Bewunderung für Roger Federer, die Freundschaft zu Bastian Schweinstieger und verrät, wer ihm die Freude am Fußballtraining genommen hat.

Ski alpin: Alle Termine der Herren

SPOX: In der letzten Saison waren Sie mit sechs Top-Ten-Platzierungen äußerst erfolgreich. Wie lange müssen wir denn noch auf den ersten Weltcup-Sieg warten?

Felix Neureuther: Ich hoffe nicht mehr so lange. Ich war im letzten Jahr schon extrem nah dran und hätte ihn eigentlich einfahren müssen.

SPOX: Warum hat es nicht geklappt?

Neureuther: Ich bin die Sache etwas übermütig angegangen, aber daraus habe ich gelernt. Natürlich fiebert jeder darauf hin und fragt, wann es endlich soweit ist. Aber man kann es eben nicht erzwingen. Wenn er kommt, dann kommt er. Ich mache mir da nicht zu viel Druck.

SPOX: Sie haben zumindest viel dafür getan und haben schon frühzeitig wieder mit dem Konditionstraining begonnen. Ist Freizeit ein Luxus, den Sie sich nicht leisten können?

Neureuther: Ja, irgendwie schon. Ich hatte nur zwei Wochen Urlaub, war eine Woche davon auf Teneriffa. Aber dann ging es auch gleich wieder los. Natürlich tritt man zwischendurch mal etwas kürzer. Gerade nach einem harten Trainingstag muss man auch mal die Beine hochlegen dürfen. Das brauche ich, um abzuschalten.

SPOX: Bleibt genügend Zeit, um mit Ihrem Kumpel Bastian Schweinsteiger um die Häuser zu ziehen.

Neureuther: Was heißt um die Häuser ziehen. Wir kennen uns schon sehr lange und schreiben uns hin und wieder mal eine SMS, aber das war's dann auch schon. Er lebt in München, ich in Garmisch. Die Entfernung ist zwar nicht allzu groß, aber es lässt sich leider selten einrichten, dass wir beide gleichzeitig frei haben.

SPOX: Stimmt es, dass Sie um ein Haar selbst eine Fußballer-Laufbahn eingeschlagen hätten?

Neureuther: Naja, nicht so wirklich. Mit 14 wurde ich mal zum Probetraining für eine Bayern-Auswahl eingeladen. Aber ich habe abgesagt. Das Skifahren war mir immer wichtiger. Außerdem haben die Leute immer so gebrüllt, wenn mich meine Mutter zum Fußball-Training gebracht hat. Das hat mir überhaupt nicht gefallen.

SPOX: Ihre Karriere war 2004 wegen einer Herzbeutelentzündung schon einmal fast vorbei, ehe sie richtig angefangen hat. Wie sehr hat Sie diese Erfahrung verändert?

Neureuther: Das hat mich extrem geprägt. Wenn man sich plötzlich gar nicht mehr belasten darf, ist das, als würde man mit 100 km/h gegen die Wand klatschen. Ich habe seitdem aber gelernt, besser auf meinen Körper hören.

SPOX: Haben Sie eigentlich ein sportliches Vorbild?

Neureuther: Ja, klar, Roger Federer.

SPOX: Ich hätte jetzt eher einen Skifahrer erwartet.

Neureuther: Früher stand mal Alberto Tomba ganz oben auf meiner Liste, dann mein Vater, dann Bode Miller. Aber jetzt bin ich ja selbst Skifahrer, also bleibe ich bei Roger Federer. Mich fasziniert einfach seine professionelle Einstellung, und wie er mit Druck umgeht. Da kann man sich schon einiges abschauen. Außerdem ist er trotz seiner Erfolge vollkommen am Boden geblieben.

SPOX: Federer ist ein absoluter Einzelkämpfer. Auch viele Wintersportler wie Miller oder auch der Biathlet Michael Greis kapseln sich immer mehr von der Mannschaft ab und trainieren alleine. Wie handhaben Sie das?

Neureuther: Im Sommer während der Vorbereitung trainiere ich eigentlich relativ alleine und auch mit anderen Nationen. Das ist in meiner Situation der absolut richtige Weg. Aber natürlich muss auch das Training mit der Mannschaft sein. Ich kenne die Jungs ja schon sehr lange, da entstehen auch Freundschaften. Und dann macht es gleich viel mehr Spaß.

SPOX: Haben Sie sich in diesem Jahr verstärkt auf den Riesenslalom konzentriert? In der letzten Saison lief es da ja nicht so rund.

Neureuther: Ja, ich habe natürlich auch viel Riesenslalom trainiert und meine Form ist sehr gut. Das Problem ist nur, dass ich eine hohe Startnummer haben werde. Damit ist es extrem schwierig, sich überhaupt für den zweiten Durchgang zu qualifizieren. Da braucht man schon einen fast perfekten Lauf. Trotzdem ist es natürlich mein Ziel, in die Punkte zu fahren, damit ich meine Startnummer verbessern kann. Wenn das gelingt, kann ich mir auch im Riesenslalom höhere Ziele setzen.

SPOX: In den technischen Disziplinen gibt es neben Ihnen noch eine ganze Reihe an jungen Wilden wie zum Beispiel Byggmark und Grange, die aufs Podest fahren können. In der Abfahrt und im Super-G haben dagegen meistens die alten Hasen wie Miller, Cuche oder Walchhofer die Nase vorne. Was ist der Grund dafür?

Neureuther: Die Erfahrung in den schnellen Disziplinen spielt eine größere Rolle als bei den technischen. Die Kurssetzung bei Abfahrt und Super-G bleibt jedes Jahr relativ gleich. Je öfter man fährt, desto leichter fällt es einem, weil man routinierter wird. Im Slalom und Riesenslalom ist dagegen kein Rennen wie das andere.

SPOX: So, jetzt sind wir tatsächlich ein ganzes Interview ohne eine einzige Frage zu Ihren Eltern ausgekommen.

Neureuther: Ja, ich bin begeistert.

SPOX: Aber eine muss dann doch sein. Wie fühlen Sie sich eigentlich, wenn Ihre Eltern immer wieder bei Chart-Sendungen im TV auftreten und lustige Kommentare abgeben?

Neureuther (lacht): Ich denke mir meinen Teil. Und manchmal schäm ich mich auch ein bisschen.

Saisonvorschau: Alles steht und fällt mit Felix und Maria