"Da kann man nur verbittert sein"

SID
morgenstern, skispringen
© Getty

Es war ein sensationeller Sieg in einem wahnsinnig aufregenden Springen. Janne Ahonen mit seinem fünften Triumph bei der Tournee - da ist man fast schon sprachlos. 

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Ich war beim vierten Triumph von Jens Weißflog dabei, damals bei meiner ersten Vierschanzentournee. Ich stand mit Michi Uhrmann direkt am Auslauf. Wir waren damals beide richtig stolz, dass wir dabei sein durften. Und Ahonen hat jetzt nochmal einen draufgesetzt.

Wenn jemand über eine so lange Zeit an der Weltspitze ist, kann man dafür eigentlich keine Worte finden. Und ich denke, dass es im Skisprungzirkus keinen gibt, der ihm diesen Erfolg nicht gönnt.

Er ist schon ein sehr ruhiger Typ - ich würde sagen, normal gesprächig. Man kann sich schon mit ihm unterhalten. Er ist halt sehr sachlich. Die Finnen sind aber alle so. Ich schätze an ihnen, dass sie immer sehr offen sind und einem nichts vorspielen. Sie sind einfach sehr ehrlich. Da die Finnen aber schon auch feiern können, wird auf dem Weg zum Flughafen und auf dem Flug selbst sicher das ein oder andere Bier geköpft.

Hut ab vor Michael Neumayer! 

Neben Ahonen war Michael Neumayer die Sensation. Ihm ist wirklich der Riesencoup gelungen. Sicherlich haben ihn einige Faktoren begünstigt, aber er hat die Chance eben auch genutzt. Andere haben das nicht geschafft. Er hat nie locker gelassen und hat über die Tournee gesehen acht solide Sprünge gemacht, und die auf hohem Niveau. So kommt Platz drei zustande. Also: Hut ab!

Ansonsten hat diese Tournee eindrucksvoll bewiesen, dass im Skispringen alles möglich ist. Die äußeren Bedingungen können mit einem Wettkampf alles machen. Außerdem sind Ahonen und auch Neumayer die besten Beispiele, dass man, wenn man hart an sich arbeitet, alles erreichen kann, egal wie alt man ist.

Ein Verlierer der Tournee waren für mich die überraschend schwachen Norweger. Tom Hilde war zwar immer in Schlagdistanz, aber sie haben nicht diese mannschaftliche Geschlossenheit demonstriert, die man von ihnen gewohnt war. Schade war auch, dass mit Innsbruck eine Schanze weggefallen ist. Es ist nun mal eine Vierschanzentournee. Das hat dem Mythos schon etwas genommen.

Österreich wird verbittert sein

Die Stimmung war dagegen sehr gut, die Springen waren fast immer ausverkauft. Das zeigt, das Produkt Vierschanzetournee wird immer gut sein. Egal, wie gut die Leistung der Deutschen im Vorfeld ist.

Das deutsche Team muss man mit einem weinenden und einem lachenden Auge sehen. Michi Neumayer hat sich als Schutzschild der Mannschaft herauskristallisiert. Martin Schmitt hat auch akzeptable Sprünge gezeigt. Die zwei sind die positiven Aspekte. Georg Späth war eher durchwachsen. Bei Michael Uhrmann ging gar nichts. Die Jungen, naja. Severin Freund hat in Bischofshofen Punkte gesammelt. Man muss ihn jetzt halt auch zu den nächsten Weltcups mitnehmen, damit er Erfahrung sammeln kann. Der Rest muss einfach auch den Anspruch haben, ab und an in die Weltcuppunkte zu kommen.

Die Österreicher waren zwar immer vorne dabei, für den ersten Gesamtsieg seit 2000 hat es dennoch nicht gereicht. Deshalb werden sie verbittert sein. Klar kann man gegen einen Ahonen verlieren, das ist sicherlich keine Schande. Aber gerade Morgenstern hat vor der Tournee bis auf einen alle Weltcups gewonnen und ist sicher zur Tournee gefahren und hat gesagt, der Sieg geht nur über mich. Doch gewonnen hat nun eben nicht.

Schlierenzauer wird ins Nachdenken kommen

Außerdem haben die Österreicher ihre Vormachtstellung eingebüßt. Das Selbstvertrauen wird jetzt sicherlich nicht mehr auf dem Level sein, wie vorher. Vor der Tournee haben sie mit der Konkurrenz gespielt, sind mit dem Lift hoch gefahren und haben sich gedacht, wenn wir springen, ist das Ding erledigt. So ist das nun sicherlich nicht mehr.

Vor allem an Gregor Schlierenzauer wird der Tourneeverlauf nagen. Er hat ja jetzt schon Emotionen gezeigt, was ich aber durchaus schön finde. Im letzten Jahr hat ihm nach der Tournee auch etwas die Souveränität gefehlt. So etwas geht an keinem spurlos vorbei, er wird ins Nachdenken kommen. Gerade, weil er erst 17 ist. Allerdings hat er auch ein gutes Umfeld, das ihm klar machen wird, dass Sport nicht alles im Leben ist.

Abschließend bleibt mir zu sagen: Man hat gesehen, dass Skispringen eine verdammt schöne, aber auch unheimlich verflixte Sportart ist. Wenn man eine ganze Saison auf ein Highlight hin arbeitet und es entscheiden nur Nuancen, dann ist das schon hart. Und im Skispringen noch mehr als in anderen Sportarten.

Macht's gut.

Und nicht vergessen: Immer schön am Boden bleiben.

Euer Alex Herr