Rot-weiß-rote Übermacht

Von Richard Rother
Wintersport, Skispringen, Morgenstern
© Getty

München - Allein das verträumte Gegröle heiratswilliger Girlies sollte beim Skispringen im Hang für Aufwind sorgen. Am meisten profitierte in dieser Saison Thomas Morgenstern davon. Der Österreicher sprang sich schier kometenhaft in die verliebten Herzen.

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Die ersten sechs Bewerbe - um gleich in den Sprachgebrauch der Alpenrepublik überzugehen - der Saison gewann der 21-Jährige in Serie und egalisierte damit den Rekord von Janne Ahonen und Matti Hautamaeki. In die 56. Vierschanzentournee (So., ab 16 Uhr im SPOX-LIVE-TICKER) geht Morgenstern damit als der Favorit schlechthin.

Ihn am Gesamtsieg zu hindern, wird schwierig. Durch Punktabzug wegen Speedings in der Anlaufspur vielleicht. Oder die Veranstalter lassen ihn anstatt seines gewohnten Materials mit geleimten Laminat-Latten aus dem Baumarkt vom Backen. Oder er muss Martin Schmitt Huckepack in die kreischenden Massen hinunter tragen.

Die Suche nach der Chancengleichheit scheint fast schon vergebene Liebesmüh'. Der Sieger kann eigentlich nur Morgenstern heißen. Da aber auch er erst achtmal weit springen und sicher unten ankommen muss, hoffen auch die Konkurrenten. Morgensterns größte Widersacher kommen dabei aus dem eigenen Lager.

Andreas Kofler

Im Weltcup rangiert Kofler auf dem vierten Platz der Gesamtwertung - und ist damit nur viertbester ÖSV-Adler. Dennoch ist der 23-Jährige ein heißer Tipp auf den Tournee-Sieg. Nach eher schwachem Saisonstart kommt Kofler immer besser in Schwung. In Engelberg dominierte er die Konkurrent locker und leicht, segelte zweimal am weitesten, verschenkte den Sieg dann aber, weil er im Auslauf stürzte. Abzuwarten bleibt allerdings, wie Kofler reagiert, wenn er den Erfolg tatsächlich vor Augen hat, denn in der Vergangenheit hatte er immer mal wieder mit seinen Nerven zu kämpfen.

Gregor Schlierenzauer

Das Milchgesicht aus Innsbruck steht schon im zweiten Jahr vor seiner Reifeprüfung. In der vergangenen Saison mit zwei Siegen in die Tournee gestartet, ließ er sich letztendlich doch noch von Anders Jacobsen abfangen. Allerdings ist Schlierenzauer mittlweile gereift und hat sich auch an den Hype um seine Person gewöhnt. Vorteil für ihn: Mit Kofler und vor allem Morgenstern verteilen sich Österreichs Hoffnungen auf andere Schultern. Schlierenzauer kann, anders als im vergangenen Jahr, unbekümmert drauf los springen. In dieser Saison lässt der 17-Jährige ganz starken Sprüngen aber immer wieder auch etwas schwächere folgen. Fehlende Konstanz kann man sich bei der Tournee nicht erlauben - zumindest, wenn man am Ende ganz oben stehen will.

Tom Hilde

Jung, dynamisch, sucht... Anschluss an das Podium. Mika Kojonkowski nahm den 20-Jährigen 2006/2007 unter seine Fittiche. Hilde rechtfertigte das Vertrauen seines Trainers und durchbrach in dieser Saison bereits drei Mal die rot-weiß-rote Phalanx auf dem Treppchen. Bei der Tournee hat Norwegens Hoffnung allerdings nicht nur gegen Österreichs Springer zu kämpfen, sondern gegen eine komplette Nation, die den ersten Gesamtsieg seit Andreas Widhölzls Triumph im Jahr 2000 herbeisehnt. Eine derartige Situation hat Hilde noch nie erlebt.

Wolfgang Loitzl

Na klar, noch ein homo austriacus. Loitzl ist der erfahrenste Springer in Österreichs Spitzenquartett. Der 27-Jährige galt lange als ewiges Talent. In dieser Saison scheint er nun den endgültigen Durchbruch geschafft zu haben. Sein technisch filigraner Flugstil beschert Loitzl eigentlich immer Bestnoten bei den Punktrichtern. Fraglich ist allerdings, ob er wirklich genug Killerinstinkt für den Tourneesieg besitzt. Seine drei Teamkollegen scheinen ihm da einen Schritt voraus.

Die Erfahrenen

Die Topfavoriten kommen aus Österreich, ganz klar. Doch häufig entscheidet bei der Tournee nicht die beste Form, sondern Nerven und vor allem Erfahrung. Und davon haben die Herren Küttel, Ahonen und Malysz genug. Genau deshalb darf man dieses Trio nicht außer Acht lassen. Andreas Küttel demonstrierte in Engelberg seine aufsteigende Form und durchbrach dort Morgensterns Siegesserie. Janne Ahonen hat die Tournee bereits viermal gewonnen, mehr muss man wohl nicht sagen. Und auch Adam Malysz muss man immer auf der Rechnung haben, sobald es in Oberstdorf erstmals vom Backen geht.

Und was ist mit den Deutschen?

Ums Podest oder gar den Sieg wird kein Deutscher mit springen, so viel ist jetzt schon klar. Wenn es gut läuft werden Michael Uhrmann und Michael Neumayer unter den ersten 15, bei perfektem Verlauf vielleicht sogar unter den Top 10 landen. Das war es denn auch. Bei Martin Schmitt, Georg Späth und dem Rest des Teams geht es lediglich um das ein oder andere gute Einzelergebnis.

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