UFC

Aus Freunden werden Feinde

Von Oliver Copp
Schau mir in die Augen Kleiner: Jon Jones (l.) im Blickduell mit Rashad Evans
© Getty

In den meisten MMA-Gyms ist es üblich, vor der Aufnahme neuer Talente die wichtigsten Leistungsträger um ihre Meinung zu bitten. Der Neue muss von der Persönlichkeit her ins Team passen, er muss das Wissen und Können ergänzen... und er sollte keine Konkurrenzsituation heraufbeschwören und damit das Teamklima vergiften.

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Rashad Evans, die einst unbestrittene Nummer eins des Teams um Trainer Greg Jackson, hatte von vornherein Bedenken, als er gefragt wurde, ob er etwas dagegen hatte, einen jungen, talentierten und aufstrebenden Kämpfer namens Jon Jones ins Team aufzunehmen.

Wie Rashad war Jones im Halbschwergewicht unterwegs, und es war schon damals offensichtlich, dass er das Talent hatte, um eines Tages Weltmeister zu werden. Bei Team Jackson gilt - wie bei anderen an der Weltspitze - die Prämisse, dass Teammitglieder im Training alles geben können, weil sie sich darauf verlassen können, dass sie niemals in die Rolle gedrängt werden würden, gegen denjenigen anzutreten, dem sie gerade ihre innersten Geheimnisse anvertraut hatten.

Eine solche Übereinkunft gab es auch zwischen Evans und Jones. Greg Jackson ging noch einen Schritt weiter: Er sagte, er würde zu Evans stehen, sollte die Situation doch einmal Realität werden. Ob man nun allen Beteiligten grenzenlose Naivität unterstellt oder doch von niederen Motiven der einen oder anderen Seite ausgeht - Jon Jones sprang für Rashad Evans ein, als der sich kurzfristig vor einer Titelchance verletzte, holte sich das Gold und ist heute der amtierende UFC Weltmeister im Halbschwergewicht.

Interview sorgt für Ärger

Er erklärte sich kurz nach dem Titelgewinn in einem Fernsehinterview mit Ariel Helwani einverstanden, gegen Rashad Evans zu kämpfen, womit er einen Sturm der Entrüstung auslöste, der Jones' Mentor Evans dazu brachte, Team Jackson sprichwörtlich über Nacht zu verlassen.

Er hatte sich bereits länger abgekapselt und hauptsächlich mit dem ehemaligen Olympiaringer Mike Van Arsdale trainiert, aber Jones offener Verrat war schließlich das Zünglein an der Waage für einen sauberen Schnitt.

Doch war es wirklich so? Man könnte doch auch argumentieren, dass Jones sich als amtierender Weltmeister seiner Verantwortung bewusst war, niemanden unten zu halten und als jemand in die Geschichte einzugehen, der sich jeder Herausforderung gestellt hat. Es war zweifelsohne so, dass er Evans den Titelkampf weggenommen hatte.

Folglich war Evans der Topherausforderer um die Krone. Wie hätte die Welt wohl reagiert, wenn Jones auf die Frage, ob er gegen Evans verteidigen würde, gesagt hätte, Freunde würden nicht gegeneinander kämpfen?

Opposition gegen Jones

Mit anderen Worten: Jon Jones war in einer unmöglichen Situation, und er wäre so oder so ins Messer gelaufen - unabhängig von seiner Antwort. In dem Jahr seit dem Interview hat sich viel getan. Jones verteidigte gegen Quinton "Rampage" Jackson und Lyoto Machida, zwei ehemalige Weltmeister, die er jeweils vorzeitig besiegte. Evans setzte sich im August 2011 gegen Ex-Weltmeister Tito Ortiz durch.

Jones gewann durch die Siege immer mehr an Selbstbewusstsein und wurde im Umgang mit Dritten stellenweise arrogant, während er sich in der Öffentlichkeit immer demütig gab. Schon vor einem halben Jahr fingen viele Fans an, Jon Jones vermeintlich auf die Schliche zu kommen. Online formten sich die ersten Gruppen, die ihn als scheinheiligen Scharlatan bezeichneten. Über die Monate hinweg nahm diese Bewegung mehr und mehr an Fahrt auf.

Die dreiteilige TV-Vorschau auf den Kampf, "UFC Primetime", tat nun ihr übriges und überzeugte auch den Rest der Nation, dass Jon Jones eine Primadonna sei und Rashad Evans der Mann, der Jones - bildlich gesprochen - übers Knie legen wird und ihm den Hintern versohlen wird, um ihn wahre Demut zu lehren.

Evans kehrt heute zurück an den Ort seines wichtigsten Sieges, Atlanta im US-Bundesstaat Georgia. Dort schlug er bei UFC 88 im August 2008 den früheren Weltmeister Chuck "The Iceman" Liddell k.o. und begann somit einen Siegeszug, der ihn im Jahr 2012 nach Aussage von Mittelgewichtsherausforderer Chael Sonnen zum MMA-Sportler mit dem wohl imposantesten Kampfrekord der Welt macht.

Evans als krasser Außenseiter

Rashad Evans hält neunzehn Siege bei nur einer Niederlage. Er ist früherer UFC Weltmeister im Halbschwergewicht und hält Siege gegen vier seiner Vorgänger: Ortiz, Quinton Jackson, Forrest Griffin und Chuck Liddell, drei dieser vier vorzeitig und durch Knockout oder technisches K.o.

Seine Erfahrung auf Weltklasseniveau sollte ihn zu einem ebenbürtigen Gegner für Jon Jones machen... und trotzdem wird Evans als krasser Außenseiter in den Kampf gehen. Jones ist ganze 13cm größer, hat 25cm mehr Reichweite, ein unorthodoxeres Striking und spielt ringerisch in der gleichen Liga wie der Herausforderer, wird dabei aber gute 15kg schwerer sein.UFC-Legende Randy Couture ist berühmt für den Satz, dass sich bei vergleichbarem Können der deutlich schwerere Ringer in neun von zehn Fällen durchsetzen wird.

Wer in der Vergangenheit gegen Rashad Evans gewettet hat, hat in neunzehn Fällen sein Geld verloren und nur ein einziges Mal richtig gelegen. Es wäre nach Papierlage töricht, gegen jemanden wie ihn zu wetten. Und trotzdem erwarte ich eine einseitig dominante Zerstörung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Evans an Jones herankommen wird, um ihn mit einem Takedown auf die Matte zu bekommen.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Evans ein Takedown gelänge, selbst wenn er am Mann wäre. Und selbst dann, wenn es Evans als erstem Kämpfer in Jones' MMA-Karriere gelänge, den Weltmeister auf den Boden zu befördern - was dann? Mir erscheint dieser Kampf als eine Mission Impossible für Rashad Evans. Alles andere als ein vorzeitiger Sieg von Jon Jones würde mich sehr überraschen.

Außerdem bei UFC 145

- Rory MacDonald wird gegen Che Mills versuchen, der zweite große kanadische Star an der Seite von Weltergewichtsmeister Georges St. Pierre zu werden.

- Brendan Schaub und Ben Rothwell müssen im Schwergewicht miteinander ausmachen, wer das Ticket für den Verbleib in der UFC löst und wer sich aus der Liga verabschieden müssen wird.

- Michael McDonald wird im Bantamgewicht versuchen, endgültig in den Olymp seiner Gewichtsklasse aufzusteigen, indem er den Ex-Weltmeister Miguel Torres vorzeitig aufhalten will.

- Mark Hominick kehrt nach seiner beherzten Leistung von Toronto ins Octagon zurück, um Eddie Yagin zu besiegen, ohne dass ihm wieder ein zweiter Kopf wächst.

UFC 145: Jones vs. Evans wird in der Nacht von Samstag auf Sonntag ab 4 Uhr auf SPOX.com und UFC.tv übertragen. Die Vorkämpfe starten um 1 Uhr auf facebook.com/UFC und um 2 Uhr dann parallel auf SPOX.com und UFC.tv.

UFC: Alle Champions im Überblick

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