UFC

Der vielleicht beste MMA-Kämpfer aller Zeiten

Von Oliver Copp
Anderson Silva dominiert das Mittelgewicht der UFC seit Oktober 2006
© Getty
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Silva wurde gezwungen, seine Mittelgewichts-Meisterschaft drei Monate später gegen den designierten Herausforderer Patrick Cote zu verteidigen. Im Vorfeld dieses Kampfes zeichnete sich bereits ab, dass Silva absolut keine Lust hatte, sich auf den Kanadier vorzubereiten. Im Octagon tänzelte der Weltmeister drei Runden lang um den Herausforderer herum und tat genug, um dem Publikum zu zeigen, dass Cote völlig chancenlos war. Er weigerte sich aber, den Kampf zu beenden, bis der Herausforderer sich in der dritten Runde eine Knieverletzung zuzog und seinerseits den Kampf abbrechen lassen musste.

"Ich könnte - aber ich will nicht"

Während die Veranstaltung, bei der die nächste Titelverteidigung stattfand, mit dem Namen Redemption untertitelt wurde, war der Hauptkampf alles andere als eine Erlösung. Im Gegenteil: Er war der mit Abstand schlechteste Titelkampf der UFC-Geschichte bis zu diesem Zeitpunkt mit einem Herausforderer, der sich ständig auf den Rücken warf, um den Weltmeister dorthin zu locken und einem Anderson Silva, der sichtlich gelangweilt wenig tat, außer seinen Gegner mit schnellen Luftschlägen zu verhöhnen. Frei nach dem Motto: "Ich könnte ja, wenn ich wollte - aber ich will nicht."

Die UFC-Offiziellen waren stinksauer auf Anderson Silva und steckten ihn zur Strafe in einen Halbschwergewichts-Kampf gegen den früheren Weltmeister dieser Gewichtsklasse, Forrest Griffin. Die Intention war klar: Man wollte dem Brasilianer eine Lektion erteilen und ihm etwas Demut lehren. Doch der Schuss ging nach hinten los.

Denn dieser Fight motivierte den Mittelgewichts-Meister, und er lieferte den bis dato dominantesten Kampf seiner Karriere ab. Er ließ Griffin nicht nur schlecht aussehen - er deklassierte ihn so, dass sich weder seine Popularität noch seine Karriere bis heute von dieser Abreibung erholt haben. Teils hatte man das Gefühl, Szenen aus dem Film "Die Matrix" zu sehen: Schläge, denen um wenige Millimeter ausgewichen wird, die aber trotzdem nur Luft erwischen.

Dana White stinksauer auf Anderson Silva

Nun steckte die UFC doppelt im Dilemma: Es war offensichtlich, dass Anderson Silva im Mittelgewicht durch nichts mehr zu motivieren war. Gleichzeitig machte es aber auch keinen Sinn, ihn im Halbschwergewicht die Leiter empor klimmen zu lassen, denn der amtierende Weltmeister war Lyoto "The Dragon" Machida, seines Zeichens ein Teamkollege Silvas beim "Black House"-Trainingscamp. Ein Fight der beiden war somit komplett ausgeschlossen.

Als nächstes sollte Silva seinen Titel im Wüstenemirat Abu Dhabi gegen seinen früheren Trainingspartner Vitor Belfort aufs Spiel setzen, doch Belfort verletzte sich... zumindest offiziell. So kam der Grappler Demian Maia an einen Titelkampf, den er zu dieser Zeit noch überhaupt nicht wollte... und Silva war stinksauer.

In der Konsequenz lieferte er den bis heute schlechtesten Titelkampf der UFC-Geschichte ab. Es war klar, dass Maia ihm nichts anhaben konnte, aber Silva weigerte sich trotzdem, etwas zu tun und tänzelte fünf Runden lang um seinen Gegner, während er Maia verbal aufforderte, sich doch zu trauen und etwas zu probieren.

UFC-Präsident Dana White war nach dieser Vorstellung so wütend, dass er seine Anwälte prüfen ließ, ob man Silva nicht einfach aus seinem Vertrag entlassen könne. Er war es einfach leid, einen Weltmeister zu haben, der kaum mit etwas zufrieden zu stellen ist.

Das Duell mit Chael Sonnen

Noch während die Gespräche liefen, eilte ein Mann zur Rettung, der einen Fight gegen Silva als seine ganz große Chance sah, der Bedeutungslosigkeit zu entrinnen: Chael Sonnen. Der Weltklasseringer und frühere Olympia-Ersatzmann hatte gerade die beiden Topherausforderer Yushin Okami und Nate Marquardt überraschend ausgeschaltet und forderte nach der Blamage von Abu Dhabi seinen Titelkampf ein. Er versprach, er würde Silva dazu zwingen zu kämpfen und dass er den Champion ausknocken würde, wenn er wie ein Clown vor ihm hin und her spränge.

Doch Sonnen machte dort nicht Halt. Er nutzte die vier Monate bis zu seinem Titelkampf, um im Internet, im Radio und im Fernsehen alles zu beleidigen, was Anderson Silva hoch und heilig ist: sein Team, seine Trainer, seine Fähigkeiten und seine Ehre. Obwohl der Weltmeister öffentlich die Verbalinjurien seines Herausforderers gütig belächelte, kochte er innerlich und trainierte so hart für die Titelverteidigung gegen Sonnen, wie er noch nie für einen Fight trainiert hatte.

Es stellte sich heraus, dass er zu hart trainierte und sich eine Woche vor dem Kampf einen schwere Rippenverletzung zuzog, die ihn bei jedem anderen Gegner dazu gebracht hätte, aus Verletzungsgründen abzusagen. Doch Sonnen hatte Silva inzwischen so in Rage geredet, dass der Weltmeister ihm seine sportlichen Grenzen aufzeigen wollte - um jeden Preis.

Am Rande der Niederlage

Sonnen hatte das Jiu-Jitsu der Nogueira-Brüder beleidigt, indem er sagte, ein Schwarzgurt unter ihnen habe in etwa den Wert eines Spielzeugs aus einem Happy Meal. In Anderson Silvas Welt war das Herabwürdigen seiner Trainer eine Todsünde, die er rächen wollte. Er wollte seinen Herausforderer unbedingt auf der Matte mit einer Jiu-Jitsu-Technik zur Aufgabe zwingen.

Doch beinahe wäre es nie soweit gekommen. Der krasse Außenseiter Sonnen zeigte über viereinhalb Runden die beste Leistung seiner Karriere. Er deklassierte Anderson Silva auf den Beinen und am Boden. Der Weltmeister wirkte zum ersten Mal in seiner UFC-Karriere schlagbar und schien kein Bein auf den Boden zu bringen. Nur zwei Minuten vor Ende der fünften Runde - und damit vor einem völlig verdienten Punktsieg und Titelwechsel - bekam Silva den Arm seines Herausforderers zu fassen und setzte einen Triangle Choke aus der Unterlage an, in dem Chael Sonnen schließlich abklopfen musste.

Ausgerechnet Chael Sonnen hatte Anderson Silva so weit an den Rand einer Niederlage getrieben, dass der Weltmeister alles geben musste, um am Ende doch noch zu gewinnen. Dieser Kampf gilt heute als einer der besten Fights der UFC-Geschichte und wurde von etlichen internationalen Publikationen zum Kampf des Jahres 2010 gewählt. Anderson Silva musste erst kurz davor stehen, alles zu verlieren, um seinen Legendenstatus zu zementieren.

Anderson Silva: eine Koryphäe seines Sports

Seit diesem Kampf wird Silva von den Fans und der Presse wieder anders gesehen. Mit seiner Leistung an jenem Abend waren alle unmotivierten Leistungen der beiden Jahre davor verziehen. Seine Titelverteidigung gegen Vitor Belfort im Februar spielte vor ausverkauftem Haus in Las Vegas und zog ein mediales Interesse, wie es dem Mittelgewichts-Meister in den Jahren davor noch nie zuteil geworden war.

Es scheint so, als habe die Welt verstanden, wer Anderson Silva ist: ein Genie, eine Koryphäe seines Sports, ein Mensch, der gefordert werden will, um motiviert zu sein. Am 27. August steht er in Rio de Janeiro bei UFC 134 das nächste Mal im Octagon und wird seine Weltmeisterschaft im Mittelgewicht gegen Yushin Okami aufs Spiel setzen, den letzten Kämpfer, der auf dem Papier einen Sieg gegen Silva hält.

Doch irgendwo in den hintersten Winkeln seines Gehirns ist der Weltmeister überzeugt davon, dass Okami nur eine Zwischenstation darstellt auf dem Weg zum finalen Showdown: einem Rückkampf gegen Chael Sonnen. Denn so deklassiert zu werden, kann ja überhaupt nicht angehen. Willkommen in der Welt von Anderson Silva.

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