Larry Nassar darf Gefängnis nie mehr verlassen: "Todesurteil unterschrieben"

SID
Larry Nassar wurde zu bis zu 175 Jahren Haft verurteilt.
© getty

Larry Nassar verbringt den Rest seines Lebens hinter Gittern. Wegen jahrzehntelangen Missbrauchs junger Turnerinnen erhielt der frühere US-Teamarzt eine Haftstrafe von 40 bis 175 Jahren. "Ich habe gerade Ihr Todesurteil unterschrieben", sagte Richterin Rosemarie Aquilina in Lansing im US-Bundesstaat Michigan.

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Nassar, der jahrzehntelang Turnerinnen unter dem Deckmantel der ärztlichen Behandlung missbraucht hat, bekannte sich in zehn Fällen schuldig. Es behaupten allerdings mehr als 150 Athletinnen, dass der Mediziner sich an ihnen vergangen hat. Betroffene und auch Eltern verlasen im Gericht sieben Tage lang persönliche Erklärungen zu den Vorfällen. Der 54-jährige Nassar brach dabei immer wieder in Tränen aus.

"Es ist für mich eine Ehre und ein Privileg, Sie verurteilen zu dürfen. Sie verdienen es nicht, jemals wieder das Gefängnis zu verlassen", sagte Aquilina. "Sie haben nichts getan, um ihre Triebe zu kontrollieren." Die Taten seien "kalkuliert, manipulativ, hinterhältig und verabscheuungswürdig" gewesen. Staatsanwältin Angela Povilaitis hatte eine Gefängnisstrafe von bis zu 125 Jahren gefordert.

Nassar war im Dezember wegen Besitzes kinderpornografischen Materials bereits zu 60 Jahren Gefängnis verurteilt worden - faktisch sitzt der Mediziner deshalb lebenslänglich. In 99 Jahren könnte er erstmals einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung stellen. Also 2117.

Entschuldigung und unabhängige Untersuchung

Vor dem Urteilsspruch hatte sich Nassar bei seinen Opfern, unter anderem den Olympiasiegerinnen Aly Raisman und Simone Biles, entschuldigt. "Was ich fühle, ist nichts im Vergleich zu dem Schmerz, dem Trauma und der emotionalen Zerstörung, die ihr spürt", sagte der Angeklagte.

Am Tag der Urteilsverkündung gab das US-Olympiakomitee USOC bekannt, dass wegen der skandalösen Vorgänge eine unabhängige Untersuchung durchgeführt werden wird. Geschäftsführer Scott Blackmun teilte in einem Brief mit, dass das USOC wissen wolle, "wer wann was wusste". Raisman hatte öffentlich eine solche Ermittlung gefordert und eine "Verrottung von innen heraus" kritisiert.

Rücktritt und Suspendierung

Vor wenigen Tagen war der Vorstand von USA Gymnastics zurückgetreten, Stunden später wurde Erfolgstrainer John Geddert suspendiert. Geddert, der das Team bei den Olympischen Spielen in London zu Gold geführt hatte, wird eine große Nähe zu Nassar vorgeworfen.

Und auch die Michigan State University (MSU) wird sich rechtfertigen müssen. Mindestens 14 Mitarbeiter der MSU wussten offenbar seit 1997 von den Vorwürfen gegen Nassar, der dort bis zu seiner Entlassung 2015 angestellt war.

Nahezu drei Jahrzehnte war der Mediziner für den US-Verband tätig, viermal gehörte er zum Olympiateam der USA. Zahlreiche Medaillengewinnerinnen haben Nassar des sexuellen Missbrauchs bezichtigt, die prominenteste unter ihnen ist die viermalige Rio-Olympiasiegerin Biles.

"Er hat mein Vertrauen missbraucht und mehr als hundertmal bedrängt und genötigt", hatte etwa die frühere Turnerin Alexis Moore vor Gericht unter Tränen berichtet. "Sie sind so krank", sagte Raisman bei ihrer Aussage zu Nassar. Dieser erklärte am Mittwoch, dass er die Worte der Opfer "bis zum Ende seiner Tage" im Kopf haben werde. Ein schwacher Trost.

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