"Wir sind keine Golf-Rowdys"

Von Interview: Florian Regelmann
Crossgolf-Portal-Chef Klaus Simianer in der Arena auf Schalke selbst in action
© crossgolf-portal

Crossgolf rocks! Immer mehr Golfer zieht es weg von den elitären Golf-Clubs hin zum zwanglosen Spielen in der Natur. Klaus Simianer, Geschäfsführer des Crossgolf-Portals, klärt bei SPOX über die Entstehung und Hintergründe des Trendsports auf.

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SPOX: Herr Simianer, einfache Frage zu Anfang: Wie ist der Trendsport Crossgolf eigentlich überhaupt entstanden?

Klaus Simianer: Eigentlich müsste man fragen, wie Golf entstanden ist. Denn genau genommen gab es Crossgolf, bevor es Golf im heutigen Sinne gegeben hat. Golf ist entstanden, als Schafshirten in Schottland mit ihren Schäferstöcken ihre Schafköttel durch die Gegend gehauen haben, diese Schäfer waren eigentlich die ersten Crossgolfer. Unsere Vorbilder sozusagen.

SPOX: Dennoch hat lange niemand so wirklich daran gedacht, den Schritt zurück ins golferische "Mittelalter" zu machen. Wie ist Crossgolf in Deutschland populär geworden?

Simianer: Jeder Golfer übt gerne bei sich im Garten auf der Wiese, es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis jemand kommt und daraus einen eigenen Sport macht. 1992 waren es dann die Natural Born Golfers aus Hamburg, die den Anstoß gegeben haben. Sie haben Crossgolf als Geschäftsfeld erkannt, die ersten Turniere veranstaltet und auch damit begonnen, Klamotten mit ihrem Logo zu verkaufen. Das war der Beginn der Rock'n Hole-Philosophie.

SPOX: Aber von einer Plattform, wie sie es jetzt auf dem Crossgolf-Portal gibt, war man noch weit weg. Wie sind Sie persönlich mit dem Crossgolf-Virus infiziert worden?

Simianer: Ich komme aus St. Leon-Rot, einer absoluten Golf-Hochburg. Wenn ich am Golfplatz entlang beim Inlineskaten war, hat es mich schon immer fasziniert, wie die Bälle geflogen sind. Ich wollte es unbedingt mal ausprobieren, und dann hat mir meine Freundin eine Trainerstunde geschenkt. Ich habe vorher extra im Club angerufen und gefragt, ob ich etwas beachten müsste, aber sie meinten: nein. Dann ging das Drama los.

SPOX: Sie sind wahrscheinlich völlig unpassend erschienen, richtig?

Simianer: (lacht) Genau. Ich bin ganz locker in meiner Jeans anmarschiert und dann wollte mich niemand auf die Range lassen. Das fand ich eine Riesensauerei. Irgendwann haben sie sich dann erbarmt und mich im letzten Eck abschlagen lassen. Ich habe sofort gemerkt, dass das genau mein Sport ist, nur mit der Etikette wollte ich nicht wirklich was zu tun haben. Also habe ich im Internet recherchiert und bin aufs Crossgolfen gekommen. Das habe ich dann mal versucht und es hat sich als sehr cool und spaßig herausgestellt. Als ich gesehen habe, dass es keine Plattform gibt, auf der man sich austauschen kann, bin ich auf die Idee gekommen, eine Community aufzubauen.

SPOX: Wie baut man aus dem Nichts mal eben eine Crossgolf-Community auf?

Simianer: Der Anfang war sehr schleppend. Ich bin von Beruf Justizvollzugsbeamter, ich hatte in solchen Sachen also null Erfahrung. Also habe ich mir einfach mal sechs Accounts angelegt und mit mir selbst diskutiert. Ein paar Freunde sind dazugekommen - und mit der Zeit haben sich immer mehr Crossgolfer aus dem deutschsprachigen Raum angemeldet. Wir wachsen stetig.

SPOX: Wie groß ist die Vernetzung inzwischen in Deutschland?

Simianer: Ich würde sagen, dass es in Deutschland etwa 10.000 Crossgolfer gibt im Moment. Wir sind deutschlandweit vernetzt. Im Osten ist Crossgolf bis auf die Hochburg Leipzig noch nicht ganz so verbreitet, aber insgesamt kann man sagen: Innerhalb eines Umkreises von 40 Kilometern findet jeder in ganz Deutschland Leute, mit denen er spielen kann. Dazu veranstalten wir Turniere, so etwas gibt es in dieser Form nur in Deutschland, da sind wir weltweit führend.

SPOX: Aber so richtig organisiert ist es ja trotzdem nicht. Gibt es Bestrebungen, das zu ändern?

Simianer: Ja, die gibt es. Wir sind gerade dabei, Pläne zu schmieden, um 2011 einen offiziellen Crossgolf-Verband zu gründen. Wir wollen eine offizielle Tour mit Turnieren in ganz Deutschland auf die Beine stellen und dann auch einen offiziellen deutschen Meister küren.

SPOX: Und als Preis gibt es einen Kasten Bier?

Simianer: (lacht) Vielleicht. Wobei ich hier auch die Gelegenheit nutzen will, um mit einem Vorurteil aufzuräumen. Natürlich ist es richtig, dass es beim Crossgolf ungezwungener zugeht als beim normalen Golf. Es ist lauter, lockerer, wilder - es werden Bälle durch die Gegend gedroschen und es werden nebenher auch ein paar Bierchen gezischt. Aber das heißt nicht, dass Crossgolfer Rowdys sind. Wir kämpfen gegen dieses Image und haben deshalb auch die Crossgolf-Initiative "Forebild" gegründet, in der wir erklären, dass wir unseren Sport im Einklang mit Mensch und Natur ausüben wollen. Klingt ein bisschen nach Ying und Yang, aber es soll nur heißen, dass wir zum Beispiel unseren Müll wieder mitnehmen und uns sonst an die Regeln halten.

SPOX: Wie lauten denn die Regeln im Crossgolf?

Simianer: Es gibt genau eine Regel und die lautet: Safety first. Wenn irgendwas im Weg steht und Leute eventuell gefährdet werden können, sucht man sich ein anderes Ziel. Den Großteil der Bahnen spielen wir außerdem mit so genannten "almost-Golfbällen", die nur 13 Gramm wiegen und keinen Schaden anrichten können. Ein normaler Golfball wiegt zum Vergleich 46 Gramm und kann locker eine Holzplatte durchschlagen.

SPOX: Auch wegen solcher Initiativen: Spüren Sie, dass die Anerkennung steigt?

Simianer: Auf jeden Fall. Es ist auch ganz wichtig zu sagen, dass wir nicht die Feinde der normalen Golfer sind. Im Gegenteil. Es gibt zwar einige Crossgolf-Anarchos, die ihre leeren Bierflaschen zerschlagen, Bälle in die Pampa hauen und Scheiben von leeren Gebäuden einschießen, aber das ist die Minderheit. Viele spielen sowohl auf dem Platz als auch Crossgolf, weil es sich überhaupt nicht ausschließt, sondern eine tolle Abwechslung ist. Auch mit den Clubs haben wir immer mehr Partnerschaften, weil sie merken, wie viel Potenzial da drin steckt und dass die Crossgolfer von heute ihre Mitglieder von morgen sein könnten.

SPOX: Wie zu lesen war, spielen aber nicht nur Studenten Crossgolf, auch bekannte Firmen haben den Sport als Betriebsveranstaltung lieben gelernt.

Simianer: Genau so ist es. Nur um mal ein Beispiel zu nennen: Wir haben vor zwei Jahren für einen großen deutschen Automobilhersteller ein riesiges Firmenevent veranstaltet. Wir haben einen Steinbruch gemietet und dort einen Parcours hingezaubert, auf dem die Mitarbeiter sich austoben konnten. Die Resonanz war gewaltig.

SPOX: Ein Steinbruch ist sicher spektakulär, was ist noch alles möglich?

Simianer: Grundsätzlich gilt: Man kann immer und überall spielen. Auch im Winter. Auch im Schnee. Und auch nachts. Das haben wir alles schon gemacht. Das Crossgolf-Motto lautet: The world is my favourite golf course - und das leben wir aus. Besonders toll ist es zum Beispiel immer, aus einem Gebäude durchs offene Fenster zu spielen. Oder von einem Autodach abzuschlagen, auch das ist faszinierend. Einmal haben wir ein Turnier in einem Freibad ausgerichtet und vom 10-Meter-Turm auf ein schwimmendes Ziel geschossen. Oder ein anderes Mal vom obersten Parkhaus-Deck auf einen Computer-Monitor. Es gibt so viele Möglichkeiten.

SPOX-Selbstversuch: Vom Ameisenhaufen in den Mülleimer