"Nicht mit goldenem Löffel aufgezogen"

Von Jan Höfling
Boris Becker hat seinen Schützling in höchsten Tönen gelobt
© getty

Novak Djokovic dominiert die Tennis-Welt scheinbar nach Belieben. Großen Anteil daran hat Trainer Boris Becker. Der sechsfache Grand-Slam-Sieger lobt die Einstellung seines Schützlings, erklärt die Besonderheit von Wimbledon und spricht über die Ziele der aktuellen Saison. Für die Presse gibt es hingegen einen Seitenhieb.

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"Novak hat eine unglaubliche Motivation", lobt Becker den Serben im Gespräch mit Laureus. "Er gewinnt diese Grand Slams nicht zum ersten Mal, wird aber immer besser und besser." Viele Spieler, die eine vergleichbare Anzahl an Triumphen vorweisen könnten, würden den nötigen Hunger verlieren, so der 48-Jährige. Bei Djokovic sei dies jedoch nicht der Fall, vielmehr ordne er alles dem Tennis unter.

Einen Grund dafür sieht Becker in der Herkunft seines Schützlings. "Er ist nicht mit dem goldenen Löffel aufgezogen worden", sagt der Deutsche. "Er wurde in einem vom Krieg gebeutelten Land geboren und musste nicht nur einmal mit seiner Familie die Wohnung verlassen, um vor Bomben Schutz zu suchen. Das muss man sich erst mal vorstellen. Es ist etwas, das ein ganzes Leben prägt. Etwas, das den Charakter formt."

Dass die Erfolge des Weltranglistenersten teilweise unterschätzt werden, ärgert Becker: "Die Menschen verstehen nicht immer, wie schwer es ist, einen Grand Slam zu gewinnen. Auf dem Papier sieht alles sehr einfach aus, aber jedes große Turnier hält schwere Spiele bereit. Viel hängt auch von äußeren Faktoren ab. Etwa von Unterbrechungen oder Regen."

French-Open-Sieg fehlt noch

Deshalb werde es auch in diesem Jahr für die French Open, den einzigen Grand Slam, den Djokovic noch nie auf Platz eins beenden konnte, keinerlei besondere Vorbereitungen geben. "Er denkt nicht an die French Open, bevor er das erste Mal in Paris ein Match zu bestreiten hat", sagt Becker. "Kein Turnier wird in der Vergangenheit gewonnen. Man muss jeden Tag sein bestes Spiel zeigen. Wir werden sehen, was passiert."

Neben den Australian Open, die für Djokovic ein besonderes Highlight seien, da er dort zum ersten Mal einen Grand-Slam-Titel erringen konnte, sei auch der jährliche Auftritt in Wimbledon etwas Besonderes. Dies gilt auch für Becker selbst.

"Ich denke es ist anders - und doch irgendwie gleich", sagt die deutsche Tennis-Legende angesprochen auf das Gefühl als Trainer in Wimbledon zu gastieren. "Wenn ich coache und in Wimbledon am Rande des Centre Courts in der Box sitze, dann fühle ich mich, als wenn ich spielen würde. Ich fühle mich wieder wie 17 oder 18." Er habe den gleichen Enthusiasmus, das Feuer und den Willen zu gewinnen, wie es als Spieler der Fall gewesen sei, erklärt Becker und beschreibt das Turnier als den "ultimative Nervenkitzel".

Hinsichtlich der Ziele für die aktuelle Saison zeigt sich der Deutsche hingegen gelassen. "Das ist eine Konversation, die bei uns nicht stattfindet", so Becker. "Wir reden darüber nicht. Das Problem ist, dass den Medien die Superlative ausgehen und sie immer größere konstruieren wollen. Für uns spielt das allerdings keine Rolle. Das nächste Ziel ist immer das nächste Spiel und das nächste Turnier."

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