Stan ist der neue König!

Er hat es geschafft: Nach den Australian Open 2014 gewinnt Stan Wawrinka sein zweites Grand-Slam-Turnier
© getty

Stanislas Wawrinka hat sensationell die French Open von Roland Garros gewonnen und ist damit Nachfolger von Seriensieger Rafael Nadal. In einem über weite Strecken hochklassigen Finale setzte sich der Schweizer in vier Sätzen mit 4:6, 6:4, 6:3 und 6:4 gegen den Weltranglistenersten Novak Djokovic durch und gewann damit nach den Australian Open 2014 seinen zweiten Grand-Slam-Titel. Der Djoker muss damit weiter auf den einen Titel warten, der ihm noch fehlt.

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Nach nervösem Beginn auf beiden Seiten gab Wawrinka im ersten Satz sein Aufschlagspiel zum 3:4 aufgrund zu vieler Fehler zu Null ab, Djokovic sicherte sich damit den ersten Durchgang und schien seinem Traum vom "Grand Slam" einen großen Schritt nähergekommen zu sein - die übrigen drei Major-Turnier hat er allesamt bereits gewonnen.

Stan Wawrinka im SPOX-Interview: "Ich bin kein Superstar"

Während der Djoker sein Niveau danach allerdings nur bedingt steigern konnte, spielte sich der an acht gesetzte Wawrinka spätestens zur Mitte des zweiten Satzes in einen wahren Rausch und punktete mit Vor- und Rückhand beinahe nach Belieben. Die Sätze zwei und drei gingen klar an ihn, und auch ein frühes Break und die 3:0-Führung im vierten Durchgang halfen dem eigentlichen Favoriten aus Serbien nicht, der das Level seines Gegenspielers von der Grundlinie einfach nicht mitgehen konnte.

Während Djokovic weiter auf Platz eins der Weltrangliste bleiben wird, springt Wawrinka durch den Erfolg auf Platz vier. Er ist der erste Sieger seit Sergi Bruguera 1993, der auf dem Weg zum Titel die Nummer Eins und die Nummer Zwei der Welt geschlagen hat.

Die Reaktionen:

Stan Wawrinka: "Ich habe das Match meines Lebens gespielt. Beim letzten Aufschlagspiel war ich richtig nervös. Ich dachte an 'French-Open-Sieger Stan'.

... über Novak Djokovic: "Ich bin sicher, er wird den Titel auch eines Tages holen, er ist so stark, und er ist ein guter Freund."

... über seine kontroversen Shorts: "Ich mag sie. Anscheinend bin ich der Einzige. Sie kommen hier ins Museum, da könnt ihr sie euch jeden Tag anschauen."

Novak Djokovic: "Ich war gut vorbereitet. Körperlich in Ordnung. Er hat einfach großartig gespielt. Ich muss ihm gratulieren, er hat es verdient. Es gibt auch andere Spieler, die diese Trophäe gewinnen wollen, nicht nur mich. Jeder will sie genauso sehr gewinnen wie ich."

Der Spielfilm

Satz 1

Bei strahlendem Sonnenschein und angenehmen 22 Grad auf dem Chatrier, aber auch immer wieder aufkommendem Wind, blieb bis zum 3:3 alles in der Reihe - wobei die Initiative weitgehend vom Schweizer ausging: Der trieb den Djoker mit krachenden Vorhanden und seiner einhändigen Rückhand-Peitsche, die er vor allem cross einsetzte, über den Platz. Djokovic schien dagegen mit dem leichten Wind und dem einen oder anderen versprungenen Ball mehr Probleme zu haben, haderte mit sich und schlug den Ball einfach nicht so glatt und hart, wie beispielsweise noch gegen Nadal zwei Runden zuvor.

Wawrinka - Djokovic: Der Finalkrimi im RE-LIVE

Weil der Serbe aber seine gewohnten Defensivqualitäten zeigte und sich vor allem auf den eigenen Aufschlag verlassen konnte (zu 78 Prozent kam der erste), hielt er seine Aufschlagspiele ohne große Probleme. Wawrinka dagegen schlug zwar mehr Winner (12:7), machte aber auch mehr Fehler (13:7) - und gab sein Service mit drei Fehlern und einem Doppelfehler zum 3:4 ab.

Weniger später hatte Djokovic zwei Satzbälle, die Wawrinka aber per Passierschlag und einer Rückhand auf den Körper abwehren konnte. Mit einem Service-Winner entschärfte der Serbe seinerseits dann aber eine Breakchance und holte sich den ersten Durchgang.

Satz 2
Mit einem Ass musste Wawrinka gleich in Spiel eins einen Breakball abwehren, holte dann das Spiel - und konnte in der Folge fast immer mühelos vorlegen. Im Gegenzug ging die Service-Quote bei Nole nach unten, und plötzlich war er es, der große Probleme hatte. Er spielt seine Grundschläge nun glatter, übertrieb es aber mit seinen Stopps, die der Schweizer gleich mehrfach mühelos erlaufen konnte.

Resultat: Ein ums andere Mal erspielte sich Wawrinka einen Breakball, konnte seine Chancen bei 2:1, 3:2 und 4:3 allesamt nicht nutzen, weil er einen Fehler einstreute oder der Weltranglistenerste sein Niveau noch einmal steigerte. Als der Djoker das Spiel zum 4:4 durch zwei erfolgreiche Stopps eintütete, prügelte sein Gegner vor Frust mit dem Schläger auf das Netz ein.

Chance also vertan? Mitnichten! Wieder hielt er seinen Aufschlag, und dann gab es die nächsten Breakbälle. Da geriet die Rückhand von Djokovic zu lang, der Satz war weg. Überaus verdient, bei 16 Winnern und nur elf Fehlern (Djokovic 6:14).

Satz 3

Was für ein Satz von Wawrinka! Auch Djokovic spielt alles andere als schlecht, wehrt im ersten Spiel gleich drei Breakbälle mit fantastischen Ballwechseln ab - und zwar jeweils über den zweiten Aufschlag. Aber beim Schweizer klappt einfach alles, die Winner fliegen dem Djoker von beiden Seiten förmlich um die Ohren.

Immer wieder pusht sich Stan nach gewonnenen Punkten, er ist zu diesem Zeitpunkt auch mental der stärkere Mann. Mit zwei genialen Winnern, darunter die Rückhand longline von ganz weit hinten, holt er sich drei Breakbälle - und macht gleich den ersten per Winner nach schlechtem Stopp perfekt. Das Break zum 4:2 bestätigt er zweimal ohne Probleme und geht mit 2:1 Sätzen in Führung. Auch das Publikum steht mittlerweile fast geschlossen hinter dem unter Strom stehenden Außenseiter.

Satz 4

Frühes Break vom Djoker, jetzt den Fighter aus sich herauskramen muss. Mit einer ganz tiefen Rückhand vor die Füße des ans Netz geeilten Gegners holt er sich die Breakchance, dann verunglückt die Rückhand longline von Stan. Gegen 15:30 bestätigt der Serbe dann das Break, reißt endlich mal wieder auch die Ballwechsel von der Grundlinie an sich.

Aber nach dem 3:0 geht es dahin für Djokovic - weil Wawrinka sein Level noch einmal steigert. Nach einem sensationellen Ballwechsel setzt der Djoker die Vorhand ins Netz, das Rebreak ist da. Während Wawrinka feiert, kommt auf der Gegenseite der laaaange Blick in Richtung Box, wo Boris Becker auch keinen Rat mehr weiß.

Als sich Wawrinka das Break zum 5:4 holt, scheint alles entschieden, aber mehrere Fehler bedeuten 0:40. Egal, mit dem Aufschlag und der Vorhand-Peitsche werden sie alle entschärft, und der zweite Matchball mit der patentierten Rückhand longline verwandelt. Der Jubel danach fällt angenehm ruhig aus - einfach nur pure Erlösung! Eine lange Umarmung am Netz, dann ist es vorbei. Wawrinka gewinnt die French Open!

Schlag des Spiels: Wawrinkas Rückhand

Sind die Zeiten vorbei, als Roger Federer die schönste einhändige Rückhand auf dem Circuit hatte? Wawrinkas Variante ist vielleicht nicht ganz so elegant, dafür aber unheimlich glatt, hart und voller Power. Er kann mit ihr den Ball auch im Steigen drücken, cross extrem viel Druck machen - und die Longline-Variante dann zum Winner nutzen. Diese Erfahrung musste Djokovic gleich mehrfach machen, so auch beim Matchball.

Ballwechsel des Spiels

Bei 5:2 im dritten Satz legte Wawrinka einen Return per Slice nur cross ins Feld. Djokovic konterte aus der Rückhandecke mit einem Ball kurz cross, mit enorm viel Spin. Der Schweizer wurde so quer aus dem Feld getrieben, zog aus unmöglicher Position dann aber die Rückhand longline durch - am Netzpfosten vorbei und ins Feld!

Das fiel auf

  • Sowohl die Nervosität als auch der in Böen einfallende Wind machte den Protagonisten im ersten Satz noch zu schaffen. Potenzielle Gewinnschläge wurden noch nicht so hart und glatt durchgezogen, wie man es von ihnen eigentlich kennt, stattdessen gerieten einige Bälle eher unbeholfen und zu hoch bzw. zu kurz. Spätestens zur zweiten Hälfte des zweiten Satzes war davon dann nichts mehr zu sehen, die Partie entwickelte ein beeindruckendes Niveau.
  • Man sieht es nicht oft, dass ein Gegner den Djoker von der Grundlinie dominieren kann. Wawrinka ist einer der wenigen Kandidaten, der sowohl mit der Vor-, als auch mit der Rückhand diesen Druck entwickeln kann - und er befand sich schon das gesamte Turnier über in Bestform, wie sein Landsmann Federer attestieren kann. Auch gegen Djokovic funktionierten seine Grundschläge als Winner, und zwar in fast jeder Lage.
  • Djokovic glänzte mit dem gewohnt starken Defensivspiel, grub viel aus und deckte fast den kompletten Court ab. Aber die Offensive ging ihm an diesem Tag ab. Er konnte zwar umschalten, hatte aber zu wenig Druck, um aus der Defensive den Ballwechsel zu drehen und selbst den direkten Punkt zu machen. Das führte dazu, dass es sich Wawrinka sogar erlauben konnte, die Vorhand ein paar Mal als Slice ins Feld zu legen - er wusste, dass er seine Chance bekommt, weil sein Gegner die direkten Punkte nicht machen konnte.

  • Die Statistiken waren dann auch eindeutig: 60 direkte Punkte bei 45 Fehlern für den Siege - doppelt so viele Gewinnschläge wie bei Djokovic.
  • Die Nummer Eins der Welt setzte wie gewohnt immer wieder auf Stopp-Bälle, vor allem zu Beginn des zweiten Satzes. Aber die waren nicht immer gut vorbereitet, es waren auch einige Verlegenheitsbälle, an die Wawrinka gut herankam. Dabei achtete Stan darauf, seinen folgenden Schlag durch die Schlägerhaltung nicht zu früh zu verraten, um Djokovic zu überraschen - unter anderem täuschte er mehrfach einen Gegenstopp an, nur um den Ball dann doch lang zu spielen.
  • Zwei mentale Giganten trafen an diesem Tag aufeinander. Das zeigte sich vor allem bei Breakbällen, wo sie bei eigenem Aufschlag dann ihr bestes Tennis auspackten. Djokovic wehrte elf von 15 Breakchancen ab, Wawrinka acht von zehn. Insgesamt war Stan aber auch in diesem Bereich besser, pushte sich immer wieder und blieb topmotiviert, während beim Favoriten ein paar Durchhänger zu beobachten waren. Da half auch Boris Becker in der Box nicht.
  • Das französische Publikum ist ja nicht immer für seine Fairness bekannt. Nach dem Match zeigte es sich dann aber von seiner schönsten Seite: Djokovic musste als Verlierer zuerst aufs Podium - und wurde mit minutenlangen Standing Ovations bedacht. Da wurden die Augen des Serben ein bisschen feucht.

Die ATP-Weltrangliste

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