Zwischen Himmel und Hölle

Von Christian Rapp
Pete Sampras ist nach seinem historischen Fünfsatz-Match mit den Kräften am Ende
© getty
Cookie-Einstellungen

4. Held der Schmerzen

Pete Sampras - Andrej Chesnokov 3:6, 6:4, 6:3, 6:7, 6:4

Ort: Moskau, RUS

Runde: Finale 1995

Davis-Cup-Finale 1995. Russland empfängt die USA zum Showdown. Beide Großmächte sind noch geprägt vom Ende des Eisernen Vorhangs. Es geht um mehr, als um die "hässlichste Salatschüssel der Welt". Es geht um den Wettstreit zwischen dem Westen und Osten.

Pete Sampras, Nummer 1 der Welt, hat das fragwürdige Vergnügen das Finale zu eröffnen. Gegner ist Andrej Chesnokov. Genau der Chesnokov, der das Traumfinale Deutschland - USA mit seinem famosen Sieg über Michael Stich verhinderte.

Hexenkessel Moskau

Die Russen wählen als Belag Sand. Für Aufschlagkönig "Pistol Pete" ein ungeliebter, da langsamer Belag. So kann Chesnokov, mittlerweile auf Platz 91 der Welt abgerutscht, von Beginn an die Partie offen gestalten.

Er breakt den Amerikaner früh und holt sich den ersten Satz mit 6:3. Die Menge tobt, schreit ihren Außenseiter nach vorne. Sampras stellt sein Spiel um, versucht riskanter zu agieren. Mit Erfolg. Die beiden nächsten Sätze gehen an die Nummer 1.

"Call for you, Sampras!"

Das Momentum liegt nun klar beim Amerikaner. Sampras dominiert seinen Gegner mit krachenden Aufschlägen und dem unnachahmlichen Netzspiel. Chesnokov taumelt. Da springt die Moskauer Menge für ihn ein und spielt ihr eigenes, unfaires Spiel gegen Sampras.

Aufschlagfehler werden bejubelt, immer wieder ertönen klingelnde Handys. Doch die Nummer 1 lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Bis zum Stand von 4:2.

Sampras serviert. Der Amerikaner muss über den Zweiten gehen und wieder ertönt das Klingeln von Mobiltelefonen. Der Klassenprimus holt zum Schlag aus, da kommt ein Zwischenruf: "Call for you, Sampras!". "Pistol Pete" serviert einen Doppelfehler. Die Menge johlt. Das Momentum dreht sich, Satz vier geht an den Russen.

Von Krämpfen geplagt

Der entscheidende Satz entwickelt sich zum Krimi. Sampras diktiert das Spielgeschehen, aber der Russe ist flink auf den Beinen. Chesnokov spielt geduldig die Bälle zurück und lauert auf Fehler des Amerikaners. Beim Stand von 3:3 setzen bei Sampras die ersten Krämpfe ein.

Die Nummer 1 muss nun noch schneller auf den direkten Punkt gehen. "Ich musste so spielen. Je länger die Partie ging, desto schlechter ging es mir", sagte Sampras im Anschluss.

Sampras setzt alles auf eine Karte - und hat Erfolg damit. Ihm gelingt das Break zum 5:4. Wenig später hat er Matchball. Doch dem Amerikaner wird nichts geschenkt. Ausgerechnet zum krönenden Abschluss heben sich die Kontrahenten die spektakulärste Rallye auf. 26 Ballwechsel dauert es, bis Chesnokov eine Rückhand ins Aus haut.

Sampras kollabiert

Sampras sinkt auf den Boden. Doch nicht vor Glück, sondern vor Schmerzen. Total ausgelaugt und geplagt von Krämpfen am ganzen Körper, ist er unfähig aufzustehen. Zwei Trainer des US-Teams eilen zu ihm und versuchen ihn aufzurichten. Ohne Erfolg. Sampras, total fertig und in Trance, wird vom Platz in die Kabine getragen.

Was an den nächsten beiden Tagen folgt, ist eigentlich nicht zu glauben. Sampras gewinnt samstags das Doppel, am Sonntag bestreitet er das Einzel gegen Kafelnikov und zerstört den Russen nach allen Regeln der Kunst in drei Sätzen. So krönt sich Sampras mit unbändigem Willen zum Davis-Cup-König des Jahres 1995.

Seite 1: Die Schlacht von Hartford

Seite 2: Wintermärchen von Göteborg

Seite 3: Teppichboden bringt die Wende

Seite 4: Held der Schmerzen

Seite 5: Drama der Matchbälle