Zwischen Himmel und Hölle

Von Christian Rapp
Pete Sampras ist nach seinem historischen Fünfsatz-Match mit den Kräften am Ende
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3. Aus dem Schatten für einen Tag

Michael Westphal - Tomas Smid 6:8, 1:6, 7:5, 11:9, 17:15

Ort: Frankfurt, BRD

Runde: Halbfinale 1985

Es steht 5:5 im 3. Satz in der Davis-Cup-Halbfinalpartie zwischen Michael Westphal und Tomas Smid. Er sprintet nach vorne ans Netz. Großer Ausfallschritt, der Deutsche setzt zum Volley an, als er auf einem sich lösenden Stück des Teppichbodens ausrutscht. Es sollte der Wendepunkt der Partie werden.

Sieben Minuten müssen die Akteure warten, bis sie sich die gelbe Filzkugel wieder um die Ohren dreschen können. Vor der Pause beherrscht Routinier Smid seinen Kontrahenten aus Deutschland beinahe nach Belieben.

Die Halle bebt

Nach der unfreiwilligen Pause wirkt Westphal jedoch wie ausgewechselt. Westphal schnappt sich aus dem Nichts den dritten Satz. Ab dem vierten liefert sich der junge Deutsche mit dem Routinier einen packenden Fight. Der Hamburger dreht auf, spielt sich in einen Rausch.

Die Zuschauer halten es nicht mehr aus, sind total aus dem Häuschen. Sie feuern den Underdog mit Sprechchören an, die Frankfurter Festhalle kocht über. An den heimischen Bildschirmen verfolgen 12 Millionen Zuschauer die sich anbahnende Sensation.

Teppich löst sich erneut

Für den Belag ist die Stimmung jedoch Gift. Beim Stand von 4:4 löst sich der Teppich erneut. Später nennen Mitarbeiter der Teppichfirma die Hitze in der Halle als Grund für die Auflösungserscheinungen des Bodens.

Westphal ist mittlerweile im - von Sportlern so gern zitierten - Modus. In einer anderen Welt. Er lässt sich von seinem Plan, heute Tennis-Geschichte zu schreiben nicht mehr abbringen. Auch der vierte Satz geht mit 11:9 an den Deutschen.

Einfach nur episch

Was dann im fünften Abschnitt passiert, ist einfach nur noch mit einem Wort zu beschreiben: Episch! Westphal und Smid schenken sich nichts, kloppen wie zwei Verrückte aufeinander ein. Jeden Punktgewinn des Deutschen zelebrieren die Fans auf den Rängen, als ginge es bereits um die Salatschüssel.

Kurz vor Mitternacht ist es schließlich so weit. Michael Westphal ringt Smid in einem unglaublichen fünften Satz nieder. 17:15!!! Für einen Tag tritt er aus dem großen Schatten Boris Beckers.

In die Herzen gespielt

Das Spiel selbst geht in die Davis-Cup-Geschichte ein. Mit 85 Spielen hält die Partie den All-Time-Rekord. Westphal benötigt 5:29 Stunden, um sich in die Herzen der Deutschen zu spielen. Es ist die bis dato längste Davis-Cup-Partie der Geschichte.

Doch das Schicksal meint es nicht gut mit Westphal. Bereits ein knappes Jahr später ist der Rekord wieder Makulatur. Neuer Rekordhalter: Becker mit einem irrsinnigen Spiel gegen John McEnroe. Westphal tritt wieder in den (zu) großen Schatten des Leimeners.

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