"Konflikt mit Kohlschreiber wäre lösbar gewesen"

Von Interview: Florian Regelmann
Zwischen Patrik Kühnen und Philipp Kohlschreiber kam es zu Unstimmigkeiten
© getty

In München stehen die BMW Open auf dem Programm. Turnierdirektor Patrik Kühnen spricht im SPOX-Interview über das stark besetzte Turnier, erinnert sich an seine erfolgreichen Davis-Cup-Zeiten und seine Zeit als Teamchef. Der 47-Jährige erklärt die Gründe für das Ende der Zusammenarbeit mit dem DTB und bezieht auch Stellung zum Konflikt mit Philipp Kohlschreiber.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Herr Kühnen, die BMW Open in München stehen kurz vor der Tür. Wie ist der Turnierdirektor mit dem Teilnehmerfeld 2013 zufrieden?

Patrik Kühnen: Ich bin sehr zufrieden und glaube, dass wir mit diesem Feld eines der am bestbesetzten 250er Events auf der Tour sind. Wichtig sind für uns zwei Säulen. Zum einen, dass die deutschen Spieler alle da sind, allen voran Tommy Haas, Philipp Kohlschreiber und Florian Mayer. Und zum anderen, dass wir auch internationale Stars präsentieren können. Mit Janko Tipsarevic, Marin Cilic, Gael Monfils, Alexandr Dolgopolov oder Marcos Baghdatis haben wir auch gute Typen am Start, die attraktives Tennis spielen. Dieser Mix aus einer deutschen Farbe und internationalen Stars macht die Spannung des Turniers aus. Und wir sind auch stolz, dass wir viele Spieler im Feld haben, die jedes Jahr gerne wiederkommen, weil sie das Turnier schätzen. Mikhail Youzhny und Tommy Haas sind zum Beispiel jetzt schon zum zehnten Mal dabei.

SPOX: Tommy Haas ist zweifellos die Hauptattraktion, gerade angesichts seines unfassbaren Revivals in der letzten Zeit. Was sagen Sie zu seiner Leistung?

Kühnen: Dass er Novak Djokovic geschlagen hat, war eine große Leistung. Klasse war aber auch, dass er dann nachgelegt und auch gegen Gilles Simon gewonnen hat. Auch das Match danach gegen David Ferrer war ganz eng. Es ist schon phänomenal, wie er sich jetzt wieder an die Top 10 zurückgekämpft hat. Man mag gar nicht darüber nachdenken, was gewesen wäre, wenn er nicht immer wieder diese großen Verletzungsprobleme in seiner Karriere gehabt hätte. Tommy ist vor kurzem 35 Jahre alt geworden, so ein Comeback nach den langen Verletzungspausen ist auf der Tour einmalig. Es spricht einfach für seine Qualität. Und für seine Leidenschaft für den Tennissport. Man kann ihm nur die Daumen drücken, dass es noch eine Weile so weitergeht.

SPOX: Wenn wir über die Highlights Ihrer Karriere sprechen, fällt einem sofort Wimbledon 1988 ein. Im Achtelfinale schlugen Sie den großen Jimmy Connors in fünf Sätzen - und im Viertelfinale waren Sie gegen Stefan Edberg auch nicht weit weg...

Kühnen: Ich hatte Satzball im Vierten, das weiß ich noch. Wimbledon war für mich etwas ganz Besonderes, weil mit diesem Turnier mein Traum, Tennisprofi zu werden, geboren wurde. Ich war 12 oder 13 Jahre alt, als ich mir im Fernsehen das Finale zwischen Björn Borg und John McEnroe angeschaut habe. Von dem Zeitpunkt an wusste ich, dass ich unbedingt dort auch einmal spielen wollte. Wenn ich an mein erstes Centre Court Match in Wimbledon zurückdenke, gegen Ivan Lendl, das war einfach sehr beeindruckend. Und das Turnier 1988 war sicher eines meiner besten in meiner Karriere.

SPOX: Sie konnten Lendl in Ihrer Karriere auch besiegen, auch Mats Wilander haben Sie geschlagen. Und gegen Andre Agassi haben Sie sogar eine positive Bilanz...

Kühnen: (lacht) 2:1. Und das wird sich auch nicht mehr ändern!

SPOX: Dennoch sind Sie nicht durch Einzelerfolge, sondern mehr durch den Davis Cup in Erinnerung geblieben. Was hat der Davis Cup für Sie bedeutet?

Kühnen: Alles. Im Davis Cup als Mannschaft für Deutschland auf den Platz zu gehen, hat bei mir immer besondere Kräfte freigesetzt. Unsere drei Davis-Cup-Triumphe sind unvergessen, es war eine sehr besondere Zeit. Ich habe noch den Matchball in Göteborg im Doppel vor Augen. Eric servierte und Boris ging mit dem Rückhand-Volley dazwischen. Gigantisch.

SPOX: Oder 1993 in Düsseldorf. Michael Stich hatte Jason Stoltenberg in fünf Sätzen geschlagen, danach verlor Marc-Kevin Goellner 7:9 im Fünften gegen Richard Fromberg. Und dann mussten Sie an der Seite von Michael Stich gegen das Über-Doppel Todd Woodbridge/Mark Woodforde ran.

Kühnen: Auch diesen Matchball kann ich heute noch nachspielen. Woodbridge zieht voll durch die Mitte, aber der Ball bleibt ganz knapp an der Netzkante hängen. Das sind Momente, die du nie vergisst. Genau wie die Emotionen, als Michael am Sonntag gegen Fromberg dann alles klar gemacht hat. Ich muss aber auch sagen, dass es nicht nur diese Bälle sind, die in Erinnerung bleiben. Davis Cup war für uns immer mehr, als nur die Matches von Freitag bis Sonntag. Es war die ganze Woche, die man zusammen verbracht hat. Wir haben als verschworene Gemeinschaft zusammen trainiert, waren stolz, für Deutschland auf den Court gehen zu dürfen und haben dann alles rausgelassen. Das war eine besondere Zeit und ich bin dankbar, dass ich das alles erleben durfte.

SPOX: Nun wäre es sicher auch ein Traum von Ihnen gewesen, den Davis Cup als Kapitän zu gewinnen, oder?

Kühnen: Natürlich. Als ich das Amt übernahm, mussten wir erst einmal schwere Zeiten durchstehen. Wie wir 2003 in Sundern gegen Weißrussland verloren haben und damit abstiegen waren ... das war hart. Wir haben zwei Jahre gebraucht, um den Wiederaufstieg zu schaffen. Für den ganz großen Coup hat es in all den Jahren leider nie gereicht, 2007 waren wir im Halbfinale gegen Russland sicher am nächsten dran.

SPOX: Sie sprechen es an. Nach dem Doppel führte Deutschland in Moskau mit 2:1. Leider wurde Tommy Haas krank und Philipp Kohlschreiber verlor das entscheidende Einzel gegen Igor Andreev. Das müssen bittere Stunden gewesen sein?

Kühnen: Das war sehr bitter. Als wir am Sonntagmorgen die Nachricht bekamen, dass Tommy nicht spielen konnte, war das wie ein Nackenschlag für uns alle. Er wollte unbedingt auf den Platz und uns ins Finale bringen, aber es ging gesundheitlich einfach nicht. Und Kohlschreiber hatte schon vor dem Match eine negative Bilanz gegen Andreev, gegen ihn hat er nie gerne gespielt. Es war eine große Enttäuschung, auch weil wir ein Davis-Cup-Finale vor heimischem Publikum gegen die USA vor Augen hatten.

SPOX: Sie waren bis 2012 Davis-Cup-Captain. Einfach gefragt: Wären Sie es gerne auch jetzt noch, wenn die Umstände andere wären?

Kühnen: Der Job hat mir immer sehr viel Spaß gemacht. Ich war zehn Jahre lang Kapitän, davor fünf Jahre DTB-Nachwuchstrainer. Alles hat seine Zeit. Mit dem Abstand von sechs Monaten kann ich sagen, dass ich es zehn Jahre lang mit großer Leidenschaft gemacht habe, jetzt aber die Zeit für neue Aufgaben gekommen ist.

SPOX: Wie ist der Entschluss, den Job als Captain nicht mehr weiterzumachen, bei Ihnen gereift?

Kühnen: Als ich gemerkt habe, dass die nötige Unterstützung und Rückendeckung des DTB nicht mehr gegeben war, ist der Entschluss recht schnell gereift. Das Vertrauen war nicht mehr vorhanden und damit auch nicht mehr die notwendige Basis für eine gute und erfolgversprechende Zusammenarbeit.

SPOX: Die Zusammenarbeit mit dem DTB ist die eine Sache, das Verhältnis zu den Spielern die andere. Es soll sich kein Spieler für Sie ausgesprochen haben. Philipp Kohlschreiber soll sogar seinen Einsatz davon abhängig gemacht haben, ob Sie Kapitän sind oder nicht. Hat Sie das erstaunt?

Kühnen: Ob es tatsächlich so ein Votum aller Spieler gegeben hat, weiß ich nicht. Mir gegenüber hat sich keiner dazu geäußert. Ob es nun stimmt oder nicht, es hat mich natürlich beschäftigt. Und der Konflikt mit Philipp Kohlschreiber wäre aus meiner Sicht lösbar gewesen.

SPOX: Bei den US Open gab es eine viel thematisierte Aussprache mit Philipp Kohlschreiber, die aber ins Gegenteil umgeschlagen ist. Kohlschreiber kritisierte Sie scharf und erklärte eine Versöhnung als "fast unmöglich".

Kühnen: Es hatte schon Monate zuvor eine Aussprache gegeben. Desto mehr war ich verwundert, als bei den US Open noch einmal alles hoch kam.

SPOX: Kohlschreiber hat Sie unter anderem für Ihre Arbeitsweise kritisiert, dass zu wenig Kontakt da gewesen wäre. Dazu gab es die bekannte "SMS"-Affäre. Gibt es Dinge, die Sie im Nachhinein anders handhaben würden?

Kühnen: Rückblickend gibt es immer Dinge, die man hätte anders oder besser machen können. Wenn man mit Menschen zusammenarbeitet, gibt es hier und da Differenzen. Das lässt sich kaum vermeiden. Entscheidend ist, wie man damit umgeht. Ich habe in meiner fünfzehnjährigen Tätigkeit für den DTB immer wieder Konflikte lösen müssen, andernfalls hätte ich das alles nicht lange machen können.

SPOX: Eins ist klar: Früher war der Davis Cup ein echter Straßenfeger in Deutschland. Wenn Davis Cup gespielt wurde, saß das Land vor dem Fernseher. Heute bewegt sich das Image des Davis-Cup-Teams fast im negativen Bereich. Wie konnte es aus Ihrer Sicht dazu kommen?

Kühnen: Die öffentliche Begeisterung für das deutsche Davis Cup Team steht und fällt mit dem Erfolg der Mannschaft sowie mit den Leistungen und dem Auftreten der einzelnen Spieler während der gesamten Saison, vor allem aber bei den Grand Slams. Das alles war in den zurückliegenden Jahren nicht immer optimal. Aber das ist nur eine Momentaufnahme. Jeder Spieler kann jeden Tag aufs Neue seinen Teil dazu beitragen, die Fans zu begeistern, Identifikationspotential zu schaffen und Nähe aufzubauen. Dann wird das Interesse auch wieder steigen.

SPOX: Der fehlende Erfolg bei den Grand Slams ist sicher ein Punkt, aber dazu kommen die Querelen innerhalb der Mannschaft, die für viele Negativ-Schlagzeilen gesorgt haben.

Kühnen: Die negativen Schlagzeilen der letzten Jahre waren nicht immer berechtigt, trotzdem haben sie natürlich das Image des Teams und der beteiligten Spieler beeinträchtigt.

SPOX: Novak Djokovic würde auf einem Bein ans Ende der Welt reisen, um für Serbien Davis Cup zu spielen. Für Tommy Haas war es immer etwas Besonderes. Sie haben angesprochen, was Ihnen der Davis Cup bedeutet hat. Haben Sie den Eindruck, dass nicht jeder diesen Spirit verinnerlicht hat?

Kühnen: Abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen war die Bereitschaft der deutschen Profis immer da, für ihr Land zu spielen. Bei den meisten Spielern hatte ich den Eindruck, dass es etwas ganz Besonderes war, für Deutschland zu spielen. Wir haben als Mannschaft immer hart auf unser Ziele hingearbeitet. Außerdem habe ich großen Wert auf Teamgeist gelegt. Nur als funktionierendes Team kannst Du im Davis Cup Erfolg haben. Anders als Serbien oder manch andere Nation haben wir aber derzeit keinen Spieler vom Kaliber Novak Djokovic, der im Normalfall zwei sichere Punkte einfährt.

SPOX: Bei den deutschen Damen sieht es momentan deutlich besser aus als bei den Herren. Neben den etablierten Spielerinnen drängt eine Annika Beck nach, im Juniorinnen-Bereich gehört Antonia Lottner zur absoluten Weltspitze. Bei den Jungs tut sich dagegen wenig bis nichts. Wie ist Ihr Ausblick?

Kühnen: Der männliche Nachwuchs tut sich derzeit schwerer, das stimmt. Trotzdem haben wir auch hier Talente, die ihr Potential bereits angedeutet haben. Cedrik-Marcel Stebe, Jan Lennard Struff oder Robin Kern sind nur drei davon. Die Situation kann sich schnell ändern, auch wenn der Wettbewerb enorm groß ist und die Luft immer dünner wird, je weiter du nach oben kommst.

Die BMW Open im Überblick