David Ferrer: Der ewige Schattenmann

Von Jochen Rabe
David Ferrer schlägt regelmäßig alle Spieler unter sich, für die Big Four reicht es aber nicht
© Getty

Sieben Turniersiege im Jahr 2012, so viele wie kein anderer auf der Tour - David Ferrer ist mit 30 in der Form seines Lebens. Das bewies der Spanier nach Erfolgen in Auckland und Buenos Aires auch beim Masters in Miami. Erst im Finale war Andy Murray eine Nummer zu groß. Mal wieder. Für ganz oben reicht es einfach nicht. Die Statistik gegen die Big Four ist verheerend. Für den Dauerläufer kein Problem, er bleibt geduldig und arbeitet hart an sich. So war er jedoch nicht immer.

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Deutlicher hätte das Zeichen kaum sein können. Das Zeichen, dass die Lücke noch da ist - und dass sie nach wie vor gefühlt riesig ist: Im Halbfinale der Australian Open bekam David Ferrer gegen den Weltranglistenersten Novak Djokovic eine richtige Abreibung.

Nach 89 Minuten verwandelte der Djoker seinen ersten Matchball zum 6:2, 6:2, 6:1, Ferrer blieb zum wiederholten Male der Einzug in ein Grand-Slam-Finale verwehrt.

"Ich hatte heute nicht den Hauch einer Chance zu gewinnen. Er war in allen Belangen besser als ich", resümierte der Spanier nach dem Match kühl.

Der Turnierverlauf in Melbourne ist ein Spiegelbild zu Ferrers momentaner Situation auf der Tour: "Er schlägt alle Spieler unter sich in der Weltrangliste und wartet darauf, die Jungs über ihm anzugreifen", sagt Jason Goodall, britischer Ex-Spieler und Kommentator.

Der Beste vom Rest

Ferrer ist der Beste vom Rest. Zwar scheint er nunmehr unter den Top 4 der Weltrangliste auf, verdrängte den lange verletzten Rafael Nadal. Im direkten Duell feuerte ihn sein Landsmann in Acapulco aber mit 0:6 und 2:6 vom Court.

Nichtsdestotrotz ist Ferrer mit 30 Jahren in der Form seines Lebens und endlich verletzungsfrei. 2012 gewann er 76 Matches und sieben Turniere, so viele wie kein anderer Spieler. Auch ins neue Jahr startete er mit den Turniersiegen in Auckland und Buenos Aires. Fakten, die in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings untergehen.

Zu unscheinbar und zurückhaltend ist der Spanier als Typ, zu wenig hat er bei den wichtigen Grand Slams vorzuweisen, zu unspektakulär sind seine Aktionen auf dem Court.

Spektakel auf dem Platz bietet Ferru bestenfalls mit seiner starken Physis oder mit fast unmöglichen Rettungsaktionen.

"Bester Return-Spieler auf der Tour"

Er gibt keinen Ball verloren und bringt dadurch seinen Gegner zum Verzweifeln - bis der dann den Fehler macht. Roger Federer bezeichnete ihn als "den besten Return-Spieler auf der Tour". Tommy Haas, dessen Erfolgslauf in Miami im Halbfinale von Ferrer gestoppt wurde, nannte ihn eine "unermüdliche Ballmaschine".

Auch konditionell macht ihm kaum einer etwas vor. Im Viertelfinale von Melbourne fightete er sich beispielsweise gegen Almagro nach 0:2-Satzrückstand zurück ins Match und triumphierte am Ende mit 6:2 im fünften, während sein Landsmann stehend K.O. war.

Trainer hat Ferrer eingesperrt

Der Spanier wirkt wie das Paradebeispiel für Disziplin und harte Arbeit. Das war jedoch nicht immer so. Im Gegenteil: Zu Beginn seiner Profikarriere war der Spanier ungeduldig und frustriert, dass er nur kleine Fortschritte machte.

Sein Trainer Javier Piles erinnert sich daran, dass er zu drastischen Maßnahmen greifen musste.

"Er hatte große Motivationsprobleme und war trainingsfaul. Wenn er nicht an sich arbeiten wollte, habe ich ihn in einen dunklen Raum von zwei mal zwei Meter eingesperrt, in dem wir die Tennisbälle aufbewahrten. Ich habe ihm gesagt, dass von 9 bis 12 Uhr Training ist. Wenn er da keine Lust drauf hätte, würde er eben in dem Raum bleiben. Ich habe ihm ein Stück Brot und eine Flasche Wasser durch das Fenster gereicht."

"Ich hatte keine Lust mehr auf Tennis"

Das wollte sich Ferrer nicht gefallen lassen. Bevor die Karriere überhaupt begonnen hatte, war er kurz davor, alles hinzuwerfen. "Ich hatte keine Lust mehr auf Tennis, aber ich wollte auch weiterhin mit meinen Freunden feiern gehen. Mein Vater hat gesagt, dass ich Geld brauche, um Spaß zu haben, also habe ich mir einen Job gesucht", blickt er zurück.

Gesagt, getan: Der junge Ferrer arbeitete auf dem Bau, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Für einen Hungerlohn. Es dauerte nur eine Woche, bis er geläutert war und Javier Piles wieder anrief.

"Ich glaube, in dieser Woche habe ich gelernt, mein Talent wertzuschätzen. Und das ist eine große Sache, wenn man knapp 17 ist und an seiner Zukunft zweifelt", sagt er.

Erster Masters-1000-Titel

Das ist über 13 Jahre her. Mittlerweile ist Ferrer in Sachen Einstellung und physischer Verfassung ein Vorbild auf der Tour. "Die Wand", wie er von Kollegen genannt wird, entwickelt sich von Jahr zu Jahr weiter und arbeitet gemeinsam mit Trainer Piles an seinen Defiziten.

Mit Erfolg: Zu Beginn seiner Karriere noch ein ausgesprochener Sandplatzspezialist, ist er nun vielseitiger. 2012 gewann er auf allen Belägen Turniere, in Bercy (Paris) holte er seinen ersten Masters-1000-Titel auf schnellem Hardcourt.

Auf dem Weg zum Sieg traf er allerdings weder auf Murray noch auf Djokovic. Beide schieden früh im Turnier aus und schonten sich für die eine Woche später stattfindenden World Tour Finals.

Schwache Bilanz gegen die Big Four

Genau da ist der Haken an der Erfolgsgeschichte in den letzten Jahren: Mit der absoluten Weltspitze kann Ferrer nicht mithalten, seine Statistik gegen die Big Four ist verheerend.

In Spielen gegen Djokovic, Federer, Murray und Nadal holte der Spanier in den letzten beiden Jahren gerade einmal vier Siege bei 18 Niederlagen. Besonders Federer liegt ihm überhaupt nicht: Gegen den Schweizer ging er in allen 14 Duellen als Verlierer vom Platz.

Der Rechtshänder selbst klingt resigniert, wenn er auf die Bilanz gegen die Großen angesprochen wird: "Sie sind einfach besser als ich. Was kann ich da machen?"

Was fehlt?

Doch was macht Djokovic, Federer, Murray und Nadal eigentlich so viel besser als Ferrer? Was dem 1,75-Meter-Mann im Vergleich zu den Großen vor allem fehlt, ist die Fähigkeit, ein Match zu dominieren.

Selbst bei glatten Siegen schlägt Ferrer zumeist weniger Winner als sein Gegner. Sein Australian-Open-Achtelfinale gegen Kei Nishikori beispielsweise gewann er deutlich mit 6:2, 6:1, 6:4. Am Ende hatte er aber nur 24 Winner auf dem Konto, der Japaner 30. Daraus entsteht eine Abhängigkeit von den Fehlern des Gegners.

Im Repertoire des Spaniers fehlen die Schläge, die einen Ballwechsel schnell beenden können. Nur selten rückt er ans Netz vor. Neben seiner Vorhand, die besonders als Inside Out für Gefahr sorgt, ist die beidhändige Rückhand nicht wirkliche eine Waffe.

"Am ersten Aufschlag arbeiten"

Auch mit dem ersten Aufschlag entfacht er nicht so viel Druck wie die Topstars. Mit etwa 180 km/h im Schnitt schlägt er knapp 10 km/h langsamer auf als Murray, Federer oder Djokovic.

Eine Schwäche, die Ferru kennt: "Ich will mich jedes Jahr weiter verbessern. Dieses Jahr will ich weiter an meinem ersten Aufschlag arbeiten und meine Rückhand optimieren."

Es wäre ein weiterer Schritt aus dem Schatten der Granden. Dass er jedoch sein Spiel in den nächsten Jahren auf das Niveau eben dieser heben wird, bleibt doch zu bezweifeln.

Vor allem Djokovic, Murray und Nadal haben ihm gegenüber zusätzlich die Zeit auf ihrer Seite: Nadal ist vier, die anderen beiden sogar fünf Jahre jünger.

Die ATP-Weltrangliste