"Ich habe sie fast alle geschlagen"

SID
Endlich Weltspitze! Angelique Kerber zwischen Petra Kvitova (l.) und Agnieszka Radwanska
© Getty

Im schicken Abendkleid machte sie schon eine prächtige Figur. Ein bisschen ungewohnt war es trotzdem für Angelique Kerber bei der Vorstellung der besten acht WM-Spielerinnen in feiner Robe statt salopper Tenniskluft zwischen den Topstars Maria Scharapowa, Serena Williams oder Victoria Azarenka zu posieren. Zum Auftakt trifft die Weltranglisten-Fünfte bei der inoffiziellen Weltmeisterschaft in Istanbul heute auf Serena Williams (18 Uhr im LIVE-TICKER).

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Nur hat es den Anschein, manchmal jedenfalls, als wüssten das nicht alle. Die Anerkennung in der Tennis-Welt spiegelt sich daheim nicht immer wieder. Bei Anke Huber, die als letzte Deutsche 2001 bei einer Tennis-WM starten durfte, war das anders. Bei Steffi Graf sowieso. Die Brühlerin gewann gleich fünfmal den Titel, zuletzt 1996.

Von den Erfolgen ihres großen Vorbilds ist die 24-jährige Kerber noch ein gehöriges Stück entfernt. Aber ihre Erfolgsstory, die vor gut einem Jahr mit dem Halbfinale bei den US Open begann, liest sich wie ein modernes Märchen. Wie die Geschichte vom Aschenputtel?

Vorrunde gegen Serena und Co.

Eine Sache des Glücks ist der stete Aufstieg in dieser Saison dabei zweifelsfrei nicht. Mehr schon eine Frage harter Arbeit. "Angelique ist extrem trainingsfleißig und sie weiß genau, dass sie sich nicht auf dem ausruhen kann, was sie erreicht hat", sagt Torben Beltz, der sie schon viele Jahre als Trainer durch die Tennis-Welt begleitet.

Vom Glück verfolgt war die einst schüchterne und zaudernde Kerber auch bei WM-Auslosung nicht. In der Roten Gruppe spielt sie als erstes an diesem Dienstagabend gegen Serena Williams - es folgen die nicht minder schweren Aufgaben gegen die Branchenerste Victroria Azarenka und Na Li, die so etwas ist wie ihre Angstgegnerin. Von sechs Vergleichen hat sie nur einen - in diesem Jahr in Indian Wells - gewonnen. Im Finale von Cincinnati verdarb ihr die Chinesin den Gewinn ihres drittel Karriere-Titels.

Zahlen und Statistiken schrecken Kerber nicht

Auch gegen die Weißrussin Azarenka (0:2) ist die Bilanz negativ. Die Amerikanerin Serena Williams hat sie dagegen im Viertelfinale von Cincinnati geschlagen, nachdem der erste Vergleich vor fünf Jahren in der ersten Runde der US Open glatt verloren gegangen war. Doch die Zahlen und Statistiken schrecken Kerber nicht.

"Es ist doch egal, gegen wen ich spielen muss", sagt sie. "Ich habe sie fast alle schon geschlagen und traue mir gegen jede Spielerin auf der Welt einen Sieg zu." Leichte Gegnerinnen gebe es bei einer WM sowieso nicht, betont die Linkshänderin, die ihre Fußverletzung komplett auskuriert hat und sich topfit und gerüstet fühlt.

In der Weißen Gruppe kämpfen die Russin Scharapowa, Agniezka Radwanska aus Polen, die Italienerin Sara Errani und Titelverteidigerin Petra Kvitova aus Tschechien um den Einzug ins Halbfinale, das die beiden Gruppenbesten im Überkreuzvergleich am Samstag bestreiten.

"Ein toller Höhepunkt"

Es ist die hohe Zeit der Plattitüden, die Stunden vor dem ersten Match. Zumal wenn es das Debüt ist bei dem mit 3,8 Millionen Euro dotierten Masters-Events im 13.800 Zuschauer fassenden Sinan Erdem Dome - so wie für Angelique Kerber. Gute Tipps gab es natürlich von Freundin Andrea Petkovic, die 2011 dabei war als Ersatzspielerin - allerdings ohne Einsatz. Kerber: "Zu Jahresbeginn hätte ich nicht an so etwas gedacht. Es ist überwältigend, ein toller Höhepunkt."

Pünktlich zum Highlight der Saison kletterte Kerber am Montag auf Platz fünf der Weltrangliste. Nie und nimmer habe sie damit gerechnet, mal in dieser Liga mitspielen zu können. Nur geträumt. "Aus dem kleinen schüchternen Mädchen ist eine eigenständige Frau geworden, die genau weiß, was sie will", sagt Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner.

Auf Grafs Spuren?

Und Kerbers Mutter Beata, die ihr auf den Reisen durch die Welt zur Seite steht, beschreibt den Fortschritt so: "Sie ist mental erstaunlich stabil geworden und hat überhaupt keine Angst mehr, ein Match auch mal verlieren zu können."

Es muss ja nicht ausgerechnet bei der WM sein. "Ich gehe mit dem Anspruch da raus, erst mal alle drei Vorrundenspiele zu gewinnen", sagt sie im schicken Abendkleid. Ein mutiges Ziel, mit dem sie nur einen Sieg vom Finale am Sonntag entfernt wäre, das aus deutscher Sicht neben Steffi Graf und Anke Huber (1995) nur Sylvia Hanika erreicht hat, die 1982 bei der WM triumphiert hat.

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