Petkovic zwischen Himmel und Hölle

SID
Petkovic: "Alles ist weg. Ich bin komplett wieder am Anfang und fühle mich wie mit 15"
© Getty

Ihr Auftritt war kurz und intensiv. Und er war erfolglos, wenn man nur die nackten Zahlen betrachtet. 2:6, 5:7 verlor Andrea Petkovic und schied in der ersten Runde der US Open aus. Eine Enttäuschung wie das Scheitern von Sabine Lisicki und Julia Görges? Sicher nicht.

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Monatelang tobte das Leben auf der großen Tennis-Bühne ohne Andrea Petkovic. Statt sich mit der Weltelite messen zu können, bestimmten Arztbesuche, Schmerzen und stundenlange Therapien in Reha-Zentren ihren Wochenplan.

Flushing Meadows war nach einem Ermüdungsbruch im Rücken und einem zweifachen Bänderriss im Sprunggelenk das erste Grand-Slam-Turnier seit einem Jahr. Wiedersehen im Big Apple.

"Für mich als Tennisspielerin war die lange Pause schlecht. Aber als Mensch bin ich gewachsen", sagte sie. Eine coole Erklärung. Typisch für die Darmstädterin, werden viele denken.

Doch der nüchternen Analyse folgten Worte und Gesten, welche die nachdenkliche und feinfühlige Seite der 24-Jährigen zeigten. So taff ist sie doch nicht immer, auch wenn ihr womöglich nicht so recht ist, dass man die andere Seite zu sehen bekam.

Wie wär's mit einer politischen Punkband?

Denn Andrea Petkovic gefällt sich durchaus in der Rolle der starken jungen Frau, der nichts etwas anhaben kann, die sich immer wieder durchsetzt und der manchmal auch Clownerien einfallen.

"Vielleicht sollte ich eine politische Punkband gründen", sagte sie, als sie einem amerikanischen Journalisten ihre imposante Krankenakte ganz genau schildern sollte. Und dann verriet sie, dass sie nach dem Tennis irgendwas mit Journalismus, Politik und Musik machen will.

Der Blick nach vorn kommt sicherlich zu früh, aber nicht von ungefähr. Mehrfach hat sie erlebt, wie es ist, monatelang vom Tennis abgeschnitten zu sein, sich Fragen über die Zukunft zu stellen und sich doch immer wieder zu motivieren.

Das war nach ihrem Kreuzbandriss 2008 bei den Australian Open so - und auch nach der Rückenverletzung im Januar dieses Jahres, die sie sich wieder in Australien zuzog. "Es gibt genug Beispiele von Sportlern, die so was nie überwunden haben", sagte sie und nestelte an ihren lila Sportschuhen herum.

"Fühle mich wie mit 15"

Die Blessur am Sprunggelenk schien weniger schlimm zu sein. "Hart war es auch, aber das war ja nichts, was die Karriere gefährdet." Nur zeitraubend und folgenschwer war es auch. "Alles ist weg. Ich bin komplett wieder am Anfang und fühle mich wie mit 15", sagte sie. Geduld ist gefragt, wie das Match gegen Romina Oprandi aus der Schweiz zeigte. "Aber Geduld ist nicht so meine Stärke."

Nur zwei Matches konnte sie vor den US Open spielen, in New Haven vorige Woche. "Nach dem ersten Match habe ich mich echt scheiße gefühlt." Es ist eine Binsenweisheit, dass bei Waldläufen erworbene Kondition nicht unbedingt etwas über die Fitness auf dem Tennisplatz aussagt. Natürlich. Und trotzdem ärgerte sich Andrea Petkovic, dass sie "schon nach einem Satz komplett alle war".

Die US Open kamen zu früh, das ist unstrittig. Aber warum hätte sie die Herausforderung nicht annehmen sollen? "Ich habe nicht jeden Punkt taff gespielt. Das kann ich im Moment nicht", gestand sie selbstkritisch ein. Dazu war die Weltranglisten-56. Oprandi auch nicht die richtige Gegnerin, wie Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner schon vorher geahnt hatte. "Rhythmus wird sie Andrea nicht geben."

Hinzu kam, dass Andrea Petkovic eine erhebliche Streuung in ihrem Spiel hatte. Glänzenden Passagen folgten fürchterliche Momente. Vor allem im zweiten Satz war es ein auf und ab zwischen Himmel und Hölle. "Da hilft kein Jammern. Ich bin es gewohnt, hohe Ansprüche an mich zu stellen."

Als es zählte, war die Familie für sie da

Doch diese Ansprüche sind nicht immer gut für sie. "Manchmal muss ich aufpassen, nicht irgendeinen Blödsinn zu machen." Denn es gibt nicht nur die coole, spaßige und positive Andrea Petkovic, die ihre Fans mit dem "Petko-Dance" erfreut und der die Sympathien nur so zufliegen. Es gibt auch die negative Ausgabe: "Dann kriege ich eine Wut, die kann keiner kontrollieren."

Diese Seite mag sie an sich ebenso wenig wie die unleidliche Art einer Tennisspielerin, die nur auf ihren Sport fokussiert ist. "Ich weiß, dass ich egozentrisch und selbstsüchtig war", sagte sie und schämt sich fast dafür.

Denn als es ihr richtig schlecht ging in der Auszeit während der Verletzung, "war die Familie immer für mich da". Eine gute Erfahrung, die ihre Stimme stocken ließ und ihr die Tränen in die Augen trieb. Auch das ist Andrea Petkovic.

Die WTA-Weltrangliste

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