O Canada: Our home and tennis land!

Von Florian Regelmann
Eugenie Bouchard ist die amtierende Wimbledon-Siegerin bei den Juniorinnen
© Getty

Am Montag beginnen die US Open in New York, aber kurioserweise gibt es aktuell in Kanada mehr Talente als in den USA. Sowohl der Junioren-Wimbledon-Champion als auch die Siegerin bei den Juniorinnen kommen aus Kanada. Eugenie Bouchard und Filip Peliwo sind die Gesichter des beeindruckenden Tennis-Aufschwungs in Kanada. Aber wie ist dieser Erfolg zu erklären? SPOX hat nachgeforscht.

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Im Oktober 2011 hat sich SPOX die Frage gestellt, ob Großbritannien das Zeug zur neuen Tennismacht hat. Grund waren die herausragenden Ergebnisse der britischen Junioren. Die Zukunft der Briten sieht, was die Talentdichte angeht, nach wie vor rosig aus, aber 2012 ist es ein anderes Land, das einen verblüfft. Kanada.

Die Sensation: In Wimbledon hat Kanada gleich beide Titel in der Nachwuchs-Konkurrenz abgeräumt. Eugenie Bouchard gewann bei den Girls, Filip Peliwo triumphierte bei den Boys und wurde damit zum ersten Kanadier, der jemals ein Junioren-Grand-Slam gewann.

Zuvor hatte Peliwo im Junioren-Wettbewerb bei den Australian Open und bei den French Open bereits jeweils das Finale erreicht. Peliwo, der Australier Luke Saville und der Belgier Kimmer Coppejans sind aktuell die Top 3 der Welt im Junioren-Bereich.

DTB-Nachwuchs vorne dabei

Wer sich fragt, wie es mit Deutschland aussieht. Der DTB muss sich nicht verstecken. Annika Beck hat in diesem Jahr die French Open der Juniorinnen gewonnen, Antonia Lottner rangiert zudem im ITF-Juniorinnen-Ranking auf Platz drei, nur einen Platz hinter Bouchard. Bei den Jungs liegt Daniel Masur als bester Deutscher immerhin auf Rang 13. Bester Mann der hochgelobten Franzosen ist Laurent Lokoli (27.). Nur als Vergleich.

Wer sich dann wie schnell bei den Profis durchsetzen kann, ist grundsätzlich kaum vorauszusagen. Vor allem der Sprung von den Junioren zu den Herren ist immens groß. Wirklich immens groß. Dennoch ist es einfach interessant zu sehen, was sich in Kanada tut.

Mit Milos Raonic haben die Kanadier bekanntermaßen einen Jungstar, der im Herren-Bereich die Top-20-Hürde locker genommen hat und zweifellos mindestens Top-10-Potenzial besitzt. Raonic ist jetzt schon eine Nummer, aber wie kann es sein, dass das Eishockey-Land Kanada damit anzufangen scheint, regelmäßig ein Tennis-Supertalent nach dem anderen zu produzieren?

SPOX hat nachgefragt. Und zwar bei Louis Borfiga. Er ist der Chef vom National Tennis Centre und hauptverantwortlich für den Höhenflug.

"Die erste Säule unseres Erfolgs war die Eröffnung unseres National Tennis Centres, weil wir es dadurch geschafft haben, unseren Athleten Arbeitsmoral, Ehrgeiz und die Werte von harter Arbeit zu vermitteln. Als ich nach Kanada gekommen bin, war es das Wichtigste für mich, dass die Spieler daran glauben, große Events gewinnen zu können. Kanada ist ein Land mit Ambitionen geworden", sagt Borfiga.

Borfiga: Erst Frankreich, jetzt Kanada

Bevor Borfiga vor sechs Jahren seinen Job in Kanada antrat, war er in Frankreich für das Entwicklungsprogramm der Junioren verantwortlich. Kurzum: Der Mann versteht sein Handwerk. Sechs Jungen und sechs Mädchen werden in verschiedenen Programmen ausgewählt und aus allen Teilen des Landes in Montreal zentral gefördert.

Neben erstklassigen Trainern und Top-Trainingsbedingungen werden auch die finanziellen Mittel bereitgestellt, um auf der ganzen Welt Turniere zu spielen. Für Gastfamilien ist ebenfalls gesorgt. Finanziert wird das nationale Tenniszentrum (Kosten: ca. 1 Million Dollar jährlich) für die 14-18-Jährigen durch die Einnahmen der Rogers-Cup-Turniere in Toronto und Montreal.

"Was in Kanada immer gefehlt hat, war der Erfolgshunger. Ich habe versucht, ihnen klarzumachen, dass es keinen Grund gibt, warum sie nicht erfolgreich sein können. Du musst es nur wollen. Filip sieht, was Milos erreicht und sagt sich: 'Das kann ich auch.' Für Eugenie gilt dasselbe", so Borfiga. Und weiter: "Tennis hat im Vergleich zu vor ein paar Jahren einen viel höheren Stellenwert bekommen, der Unterschied ist dramatisch. Ich glaube, dass wir in den nächsten vier oder fünf Jahren einen kanadischen Grand-Slam-Champion erleben werden."

SPOX stellt die beiden größten "Stars in the making" aus Kanada kurz vor...

Filip Peliwo: 18 Jahre alt. Rechtshänder. In Vancouver geboren. Die Eltern sind Polen. Er hat also wie Raonic europäische Wurzeln. Seine größte Stärke: Peliwo gilt für sein Alter als mental enorm stark. Im Wimbledon-Finale lag er beispielsweise in beiden Sätzen mit Break hinten, ehe er es noch drehte. Peliwos Glaube an die eigene Stärke in den Big Points, das macht ihn aus, sagt zum Beispiel der kanadische Tennis-Veteran Frank Dancevic.

Die US Open werden Peliwos letztes Turnier als Junior sein, danach werden ihm seine ganzen Erfolge nichts mehr bringen. Danach beginnt das harte Pro-Leben. Ganz unten. Mit Raonic als Vorbild.

"Jetzt haben wir jemanden, zu dem wir aufschauen können. Er gibt Kanada einen besseren Namen. Vielleicht werden wir Kanadier jetzt ernster genommen. Ich will in seine Fußstapfen treten", sagt Peliwo.

Steiniger Weg

Wie krass die Transition vom Boys- zum Herren-Tennis ist, zeigen alleine ein paar Beispiele aus der letzten Zeit. Bei den Vancouver Open unterlag Peliwo gegen den 27-jährigen Taiwanesen Jimmy Wang. 6:7. 0:6. Bei einem Challenger-Event in Quebec flog Peliwo auch sofort raus. 4:6. 6:7. Gegen den 30-jährigen Roman Borvanov aus Moldawien. In der Toronto-Quali war gegen Ivan Dodig (3:6, 4:6) auch sofort Schluss. Es ist einfach ein völlig anderes Spiel.

Dass man als Top-Junior nicht automatisch zum Star wird, weiß nicht nur Deutschland (Hallo Daniel Elsner!), das weiß auch Kanada. Philip Bester und Peter Polansky erreichten ebenfalls Grand-Slam-Finals bei den Junioren, rissen in der Folge bei den Profis aber rein gar nichts.

Dass Peliwo als extrem fleißiger Arbeiter gilt, gibt ihm aber immerhin die Grundvoraussetzung, um einmal ähnlich weit wie Raonic zu kommen. Dieser stand übrigens bei den Junioren nie höher als auf Rang 35. Dann wuchs er. Und wuchs er. Und jetzt knallt er allen die Asse um die Ohren.

Eugenie Bouchard: 18 Jahre alt. Rechtshänderin. In Montreal geboren. Sie sorgte mit ihrem Wimbledon-Sieg bei den Girls (den Doppel-Titel sackte sie nebenbei auch ein) für Kanadas ersten Grand-Slam-Sieg überhaupt. Bei Bouchard sieht man im Vergleich mit Peliwo sofort sehr schön, wie viel näher die Top-Juniorinnen an der Weltelite sind.

Bouchard hat auf dem Profi-Zirkus schon bewiesen, dass sie mithalten kann und einige gute Siege gefeiert, wie zuletzt gegen Shahar Peer (ehemalige Nr. 11 der Welt) in Montreal. Gegen Li Na hielt sie sich danach auch sehr wacker (4:6, 4:6) und deutete ihr riesiges Potenzial an. Bouchard wird zeitweise von Nathalie Tauziat trainiert. Die Französin stand 1998 im Wimbledon-Finale (Niederlage gegen Jana Novotna) und schaffte es in der Weltrangliste bis auf Rang drei. Die Top 200 der Damen-Welt hat Bouchard auch dank ihrer Hilfe bereits geknackt.

Filip Peliwo und Genie Bouchard - diese Namen sollte man sich auf alle Fälle merken. Ach ja, in Wimbledon hieß die Siegerin bei den Mädels nicht nur Bouchard. Es gab auch noch eine Halbfinalistin namens Francoise Abanda. 15 Jahre alt und... na klar... Kanadierin. O Canada, my home and tennis land!

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