Razzano: "Größter Sieg meiner Karriere"

SID
Virginie Razzano konnte sich gegen die große Favoritin Serena Williams durchsetzen
© spox

Als Serena Williams unter dem Beifall der Zuschauer den Centre Court verließ, klatsche auch ihre Gegnerin Virginie Razzano ehrfurchtsvoll in die Hände. Die gefeierte Französin hatte sich schon gesetzt - zu ausgelaugt war sie nach ihrem mehr als überraschenden Sieg bei den French Open über die ehemalige Nummer eins der Welt.

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Von Krämpfen geplagt konnte sich die Weltranglisten-111. nach dem 3:03 Stunden langen Match kaum mehr auf den Beinen halten. Das Gefühl, als geschlagene Spielerin nach dem Auftaktspiel vom Platz zu schleichen, kannte die 30 Jahre alte Williams noch gar nicht. Nie zuvor war die erfolgsverwöhnte Profispielerin in ihrer Karriere bei 47 Starts in der ersten Runde eines Grand-Slam-Turniers gescheitert.

Ob sie nach dem verlorenen zweiten Satz schon geahnt hatte, dass es heute geschehen könnte? Ihr kullerten ein paar Tränen über die Wangen, nachdem sie den Satz im Tiebreak 5:7 verloren hatte. Dabei hatte sie bereits mit 5:1 geführt und war nach gewonnenem ersten Satz nur noch zwei Punkte vom Einzug in die nächste Runde entfernt gewesen.

Williams war die große Favoritin auf den Sieg in Paris

Über ihre Tränen wollte Williams hinterher nicht sprechen. "Ich habe mich einfach darauf konzentriert, einen guten Start in den dritten Satz zu haben", sagte die Amerikanerin später in der Pressekonferenz frei von Emotion und fügte ehrlich hinzu: "Ich hätte nie geglaubt, dass ich das Match noch verlieren könnte."

Das hätte sich überhaupt niemand vorstellen können. Zu dominant war Williams in den vergangenen Wochen aufgetreten, zu erfolgreich spielte sie Tennis. 17 Spiele hatte sie zuletzt auf Sand nacheinander gewonnen, die Turniere in Charleston und Madrid für sich entschieden - und dort im Finale gegen die Weltranglisten-Erste Viktoria Asarenka nur vier Spiele abgegeben.

Viele trauten Williams zu, dass sie in Paris ihren 14. Grand-Slam-Titel erringen könnte. Man konnte es fast schon erwarten. Von den noch aktiven Spielerinnen hat niemand mehr Major-Turniere gewonnen als sie. Auch wenn der Computer die Rechtshänderin auf Rang fünf notiert, sie selbst ist nach wie vor davon überzeugt, dass sie die beste Spielerin der Welt ist.

Doch im dritten Satz führte nicht Williams 5:0, sondern die 29 Jahre alte Razzano. "Ich habe noch nie so viele Fehler in einem Match gemacht", haderte Williams. Bei 5:3, 40:30 hatte die Französin, die vor drei Jahren schon einmal die Nummer 16 der Welt war, ihren ersten Matchball.

Razzano hat den Tod ihres Verlobten überwunden

Das neunte Spiel im dritten Satz sollte ein denkwürdiges werden. Es ging auf und ab. Mal hatte Razzano Matchball, dann Williams wieder Breakball. Und auch die Schiedsrichterin wollte da nicht hinten anstehen und bestrafte die Französin mit einem Punktabzug, der zu einem weiteren Breakball führte, weil sie zum dritten Mal, von Krämpfen geplagt, laut aufgeschrien hatte. "Ich fand das unfair", sagte Razzano. Neunmal ging das Spiel über Einstand, fünf Breakbälle hatte Williams - ehe Razzano schließlich ihren achten Matchball verwandeln konnte. Aber auch das Ende war kurios.

Der Linienrichter übersah einen Fehler von Williams, sodass am Ende die Schiedsrichterin die Entscheidung überstimmen musste. Doch Razzano jubelte schon wie ein kleines Kind, weil sie gesehen hatte, dass der Ball eindeutig im Aus war. "Das ist der größte Sieg meiner Karriere", sagt Razzano.

Dass er ausgerechnet in Paris gelingen sollte, ist eine dieser tragisch-schönen Geschichten, die das Leben schreibt. Im vergangenen Jahr hatte sie noch wenige Tage nach dem Tod ihres Verlobten in Roland Garros gespielt - und ihr erstes Match verloren. Nun ist sie als strahlende Siegerin zurückgekehrt. "Die Trauer liegt hinter mir", bekennt die Französin, die in der nächsten Runde auf die Niederländerin Arantxa Rus trifft, "ich fühle mich wieder gut." Und Williams? Sie müsse herausfinden, sagte sie, warum sie so viele Fehler gemacht habe. "Und sie einfach beim nächsten Mal abstellen."

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