"Es gibt einfach auch bessere Tennisspieler"

Von Interview: Florian Regelmann
Philipp Kohlschreiber steht in der ATP-Weltrangliste aktuell auf Rang 31
© Getty
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SPOX: Sie haben selbst mal über sich gesagt, dass Sie eine große Klappe hätten...

Kohlschreiber: (lacht) Das merken Sie doch gerade im Interview, oder? Nein, große Klappe ist nicht böse gemeint. Ich bin nur ein aufgewecktes Kerlchen, auf eine nette Art und Weise frech, würde ich sagen. Für die Menschen, die ich mag, bin ich immer da. Ich habe eben zu allem immer was zu sagen, das ist mein Naturell. Aber ich schieße denke ich nicht über das Ziel hinaus.

SPOX: Aber es macht es Ihren Trainern vielleicht manchmal schwer, Ihnen zu helfen?

Kohlschreiber: Das mag sein. Ich bin jemand, der gerne viel argumentiert. Auch dagegen argumentiert. Ich bin kein Ja-Sager. Wenn Sie mir sagen würden, ich solle die Vorhand so oder so spielen, ich das aber für Unsinn halte, sage ich das. Das macht es einem Trainer manchmal bestimmt nicht einfach. Aber ich mache mir seit jeher sehr viele Gedanken über mein Spiel und wie ich es verbessern kann, das hat mich auch schon weit gebracht. Ich bin ein Diskutier-Mensch.

SPOX: Eine Hilfe, die Sie bislang nicht in Anspruch genommen haben, ist die eines Psychologen. Sie haben aber Bücher darüber gelesen. Was hat die Lektüre gebracht?

Kohlschreiber: Ich bin eigentlich nicht so der große Bücherwurm, mehr so der Kinogänger. Aber nachdem ich mich lange gesträubt hatte, dachte ich mir, dass es nicht so verkehrt sein kann, sich da mal einzulesen. Warum wird man bei Breakbällen zum Beispiel nervöser? Es werden viele Spielsituationen gut beschrieben, es war sehr interessant, sich damit zu beschäftigen.

SPOX: Und was ist das Wichtigste?

Kohlschreiber: Das Wichtigste ist, dass es gar nicht so sehr ums Gewinnen und Verlieren geht. Ich kann mir nicht als Ziel vornehmen, das Match zu gewinnen. Es kann ja sein, dass ich einen Gegner erwische, der unmenschlich spielt und ich schaffe es dann nicht, mein Ziel, also den Sieg, zu erreichen. Dann bin ich maßlos enttäuscht. Ich kann mir nur vornehmen, alles zu geben. Wenn ich mir als Ziel setze, aggressiver zu spielen, oder mehr Serve-and-Volley zu probieren - und wenn ich diese Taktik dann gut umsetze, ist es in gewisser Weise zweitrangig, ob ich gewinne oder nicht. Das habe ich gelernt.

SPOX: Haben Sie auch "Winning Ugly" gelesen?

Kohlschreiber: Das lag auch auf meinem Schreibtisch. (lacht) Ich bin aber nicht so ein großer Fan von solchen Taktiken. Ich will ehrlich gewinnen und nicht meine Gegner irgendwie verwirren, um einen Vorteil daraus zu ziehen. Das würde ich nie machen. Wenn ich mich vom Schiri schlecht behandelt fühle, dann mache ich mir Luft, um mein eigenes Wohlbefinden aufzubessern, aber das ist auch alles. Ich war schon in der Jugend immer einer, der eher die Bälle auf seiner Seite gut gegeben hat. Ich wollte mir nie nachsagen lassen, dass ich ein Betrüger bin. Das hat sich nie geändert. Es würde mich auch im Nachhinein mehr belasten, ich könnte mich über einen Sieg gar nicht mehr freuen.

SPOX: Aber es gibt sicher Spieler, die "Winning Ugly" genau in die Tat umsetzen, oder?

Kohlschreiber: Es gibt Spieler, die verkörpern alles, was in dem Buch steht. Die tun wirklich alles für den Sieg. Verletzungen vortäuschen und dann trotzdem schnell laufen, das ganze Programm. Aber interessanterweise sind das nie die Top-Spieler. Es gibt vielleicht ein oder zwei, die vor mir stehen, die so denken. Man kann sich auch einfach ein bisschen mehr Zeit lassen, das ist ja alles noch legitim und im Rahmen. Ich würde aber nie den Netzpfosten rausbrechen und wegschmeißen. (lacht)

SPOX: Kommen wir zu den US Open, die in nächster Woche beginnen. Was haben Sie sich für das letzte Grand Slam des Jahres und den Rest der Saison als Ziel gesteckt?

Kohlschreiber: Mein Hauptziel ist es, dass ich einen guten Coach finde, weil mir dieses Thema im Kopf herumschwirrt und ich es gerne abhaken würde. Ich möchte Anfang nächsten Jahres mit einem neuen Trainer in die Australien-Reise starten und voll angreifen. Zuvor will ich natürlich noch so erfolgreich es geht Tennis spielen und mich mit einem guten Ergebnis bei den US Open möglichst in die Top 30 schieben. New York liegt meinem Spiel zwar nicht so hervorragend, weil mir der Hartplatz einen Tick zu schnell ist, aber grundsätzlich ist das Turnier geil. In so einer coolen Stadt ist man gerne länger dabei.

SPOX: Sie sind an Position 29 gesetzt und haben damit das gleiche Problem, das Sie seit längerem plagt. In Runde drei kommt ein Top-Mann.

Kohlschreiber: Ich habe darüber lange gar nicht so nachgedacht, aber in diesem Jahr ist es mir dann auch aufgefallen. 'Boah, schon wieder Nadal, gibt's doch nicht', denkt man sich dann schon. Deshalb ist es umso wichtiger, in die Top 20 zu kommen, um eine Runde später auf die Top-Leute zu treffen.

Teil 3: Kohlschreiber über Realismus, sein Verhältnis zu Becker und den Davis Cup