"Die Khabibulins sind meine zweite Familie"

Von Interview: Philipp Dornhegge
Victoria Azarenka hofft, schon bald ihren ersten Grand-Slam-Titel zu gewinnen
© Getty

Victoria Azarenka ist einer der Shooting-Stars der Tennisszene. Ein großer Titel fehlt in ihrem Lebenslauf aber noch. Bei den am Sonntag beginnenden French Open soll sich das möglichst ändern. Aufgrund ihrer Vielseitigkeit zählt Azarenka auch in Paris zu den Geheimfavoriten auf den Sieg.

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Bei SPOX spricht die 20-Jährige über die anstehenden French Open, ihren Heißhunger auf Schokoladeneis und einen NHL-Goalie als Ziehvater.

SPOX: Frau Azarenka, mögen Sie Eishockey?

Victoria Azarenka: Natürlich! Aber ich weiß natürlich, warum Sie fragen.

SPOX: Wegen Nikolai Khabibulin, dem Goalie der Edmonton Oilers. Er hat Sie bei sich aufgenommen, als Sie mit 15 Jahren auf der Suche nach optimalen Trainingsbedingungen in die USA gegangen sind.

Azarenka: Ja, damals hat er noch bei den Phoenix Coyotes gespielt und deshalb in Scottsdale gewohnt. Ich habe Ihn dann immer angefeuert, so habe ich Eishockey lieben gelernt.

SPOX: Wie lange kennen Sie die Khabibulin-Familie schon?

Azarenka: Praktisch mein ganzes Leben. Nikolai ist ein guter Freund meiner Mutter, die Khabibulins sind für mich zu einer zweiten Familie geworden, als ich bei Ihnen wohnen durfte.

SPOX: Auch jetzt, als gestandener Tennisprofi, leben Sie noch in Scottsdale. Warum sind Sie geblieben?

Azarenka: Die Bedingungen sind hervorragend hier: Die Plätze sind in einem erstklassigen Zustand, das Wetter ist super und überhaupt hat man in den USA tolle Möglichkeiten. Das soll natürlich nicht heißen, dass ich meine Heimat nicht mag. Ganz im Gegenteil: Ich liebe Minsk über alles.

SPOX: Sie hatten es zuvor ja auch schon mal mit Marbella versucht. Was passte damals nicht?

Azarenka: Arizona und die Staaten passen einfach besser zu mir. Mit Nikolai und seiner Familie sowie meinem damaligen Coach, der auch dort wohnte, fiel mir die Eingewöhnung sehr viel leichter.

SPOX: Als Kind haben Sie viel in der Halle gespielt, Hardcourt ist Ihr Lieblingsbelag - aber dennoch haben Sie mit einem Drittenrunden- und einem Viertelfinaleinzug bei den French Open sehr gute Ergebnisse erzielt. Wie erklären Sie sich das?

Azarenka: Naja, ich habe es ja auch bei den Australian Open und Wimbledon  schon unter die letzten Acht geschafft. Meinen bisher größten Titel habe ich in Key Biscayne auf Hardcourt gefeiert. Man kann also nicht sagen, dass es auf den anderen Belägen schlecht lief. Ich habe überhaupt nichts gegen Sand, aber ich fühle mich auf Hartplätzen einfach wohler. Zumal ich denke, dass meine Spielweise besser dazu passt.

SPOX: Das scheint aber auch für die meisten anderen Spielerinnen auf der Tour zu gelten.

Azarenka: Das stimmt. Eine Erklärung könnte sein, dass einfach ein großer Teil der WTA-Turniere auf Hartplatz gespielt wird. Außerdem denke ich, dass sich das Damentennis sehr stark verbessert hat und wir mit viel mehr Power spielen. Die kann man auf Hardcourt einfach besser nutzen.

SPOX: Trotzdem hat man das Gefühl, dass die meisten Spielerinnen große Probleme bekommen, wenn sie auf vielseitige Gegnerinnen wie Justine Henin treffen. Sie selbst spielen am Netz sehr stark und scheinen flexibler zu sein als etwa eine Dinara Safina. Legen Sie im Training ein besonderes Augenmerk darauf, sich in allen Bereichen zu verbessern?

Azarenka: Ich habe mit meinem Coach Sam Sumyk in der Tat viel Zeit darauf verwandt, am Netz stärker zu werden. Ich versuche, immer aggressiv zu sein und häufiger nach vorn zu kommen.

SPOX: Damit war es in letzter Zeit allerdings nichts. Zuletzt mussten Sie zweimal wegen einer Hüftverletzung aufgeben, kurz darauf wurden Sie von einer Bauchmuskelverletzung außer Gefecht gesetzt. Wie geht es Ihnen inzwischen? Sind Sie bereit für Paris?

Azarenka: Das ist richtig blöd gelaufen. Ich dachte, dass die Hüftverletzung verheilt wäre, war sie aber nicht. Das hat mich länger als erhofft behindert. Die Bauchmuskelprobleme habe ich seit Rom. In Madrid habe ich es probiert, aber das Turnier kam noch zu früh. Ich hoffe aber, dass es jetzt mit ein bisschen Ruhe in Paris klappen wird.

SPOX: Bislang haben Sie zwar noch kein Grand-Slam-Halbfinale erreicht, trotzdem gelten Sie seit der vergangenen Saison jedes Mal als Geheimfavoritin. Glauben Sie auch, dass Sie in Roland Garros tatsächlich den großen Wurf landen können?

Azarenka: Wer dort mitmacht, der kann auch gewinnen. Insofern: ja, warum nicht? Ich gehöre zu den Menschen, die glauben, dass sich harte Arbeit irgendwann auszahlt. Deshalb bin ich sicher, dass ich mir schon bald meinen Traum von einem großen Titel erfüllen werde.

SPOX: Dazu müssten Sie allerdings mit ziemlicher Sicherheit eine Reihe von Topspielerinnen schlagen. Gegen die aktuelle Top Ten haben sie aber keine gute Bilanz. In der Tat können sie nur gegen Sam Stosur mehr Siege als Niederlagen aufweisen (3-0). Was fehlt Ihnen noch, um auch diesen letzten Schritt zur absoluten Elite zu machen?

Azarenka: Diese Statistiken erwecken so ein bisschen den Eindruck, als könnte ich diese Spielerinnen nicht besiegen. Das ist aber nicht der Fall. Schließlich habe ich auch Serena Williams oder Caroline Wozniacki schon geschlagen. Ja, meine Bilanz ist nicht so toll. Aber ich bin ja noch jung und werde noch viele Chancen bekommen, sie aufzubessern.

SPOX: Um irgendwann selbst die Nummer eins der Welt zu werden? Oder ist Ihnen der Gewinn eines Grand-Slam-Turniers wichtiger?

Azarenka: Ja, zunächst möchte ich einen großen Titel holen. Die Nummer eins kann ich dann immer noch in Angriff nehmen (lacht).

SPOX: Welches der Grand-Slam-Turniere mögen Sie eigentlich am liebsten in Bezug auf die Atmosphäre und das ganze Drumherum?

Azarenka: Ich liebe Australien. Die Menschen sind so entspannt und freundlich, Melbourne ist eine fantastische Stadt und die Fans sorgen für super Stimmung. Aber seien wir ehrlich: Das Turnier, das gerade läuft, ist immer mein Lieblingsturnier (lacht).

SPOX: Sie sind ja dafür bekannt, dass Sie die Freizeitmöglichkeiten, die die Turnierstädte bieten, gerne nutzen. Was machen Sie am liebsten, auch in Ihrer freien Zeit zu Hause?

Azarenka: Ich mag Shopping, Sport und Eiscreme. Wenn Sie also mal in Scottsdale vorbei schauen, werden Sie mich am ehesten in einem Einkaufszentrum, bei einem Basketball- oder Eishockeyspiel oder aber in einem Eiscafe finden. Wenn ich dort nicht anzutreffen bin, dann könnte ich im Kino, mit Freunden unterwegs oder zu Hause beim Relaxen sein.

SPOX: Eiscreme? Gibt's da keinen Ärger mit dem Coach? Immerhin spielt die richtige Ernährung im Profisport inzwischen eine immer wichtigere Rolle.

Azarenka: Ich weiß natürlich, wie wichtig die Ernährung ist. Aber ich liebe Eiscreme nun mal. Hier und da ist gegen ein schönes Schokoladeneis doch wohl nichts einzuwenden (lacht).

SPOX: Und warum Basketball und Eishockey, aber kein Tennis?

Azarenka: Ich liebe Sport über alles, aber wenn ich mich auch noch in meiner Freizeit mit Tennis beschäftigen müsste, würde es mir wohl irgendwann zu viel werden.

SPOX: Dennoch sind Ihre Vorbilder Tennisspieler: Steffi Graf und Roger Federer.

Azarenka: Sie sollten Natascha Zwerewa und Max Mirnyi nicht vergessen. Ich habe immer neben den beiden trainiert, als ich klein war. Ich wollte immer so sein wie sie. Schon verrückt, dass ich dann später mit Max den Mixed-Titel bei den US Open gewonnen habe. Aber es stimmt: Früher am Fernseher habe ich Steffi vergöttert. Zu Roger kann ich nur sagen, dass er als Spieler ein Genie ist. Schon fantastisch, dass er trotzdem so eine tolle Balance in seinem Leben gefunden hat und gleichzeitig immer Mensch geblieben ist.

SPOX: Sie haben es gerade angedeutet: Tennis ist ein hartes Geschäft, bei dem der Mensch schon mal auf der Strecke bleibt. Haben Sie auf der Tour trotz allem Freunde gefunden?

Azarenka: Natürlich! Meine beste Freundin ist Caroline Wozniacki. Sie ist ein super Mädel. Wir haben so viel Spaß zusammen. Natürlich sehen wir uns nicht bei jedem Event. Aber wenn doch, dann versuchen wir immer, abends gemeinsam essen zu gehen, um uns gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen.

SPOX: Jetzt haben Sie mir verraten, wen und was Sie besonders mögen. Zum Schluss könnten Sie mich auch noch über Ihre größten Ängste aufklären.

Azarenka: Blutabnehmen ist ganz klar das Schlimmste. Ich habe panische Angst vor Nadeln. Das war schon so, als ich noch ein kleines Mädchen war. Und Spinnen hasse ich natürlich auch. Widerlich!

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