"Ich hasse Tennis nicht, ich liebe es"

Von Interview: Florian Regelmann
Maria Scharapowa konnte in ihrer Karriere bislang drei Grand-Slam-Turniere gewinnen
© Getty

Im Schatten von Kim Clijsters und Justine Henin ist Maria Scharapowa wieder in Topform gekommen. Die Russin ist eine ganz heiße Anwärterin auf den Sieg bei den Australian Open, die am Sonntag beginnen. Bei SPOX spricht die 22-Jährige über Verletzungsfrust, verpasste Chancen und ihre NBA-Leidenschaft.

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Vor Beginn der Australian Open spricht - was den Damen-Bewerb angeht - alles nur über zwei Namen: Kim Clijsters und Justine Henin.

Die Comebacks der beiden Belgierinnen haben den Tennis-Zirkus in ihren Bann gezogen. Dabei sollte man aber nicht vergessen, dass es noch eine Spielerin gibt, die jeden jederzeit in ihren Bann ziehen kann: Maria Scharapowa.

"Maria hat das gewisse Etwas, das die Menschen begeistert, egal wo sie auftaucht. Sie ist nicht nur eine der besten Tennisspielerinnen der Welt, sie ist für den Erfolg der Damen-Tour unerlässlich", sagt Tennis-Guru Nick Bollettieri im Gespräch mit SPOX.

Der 78-Jährige kennt die 22-jährige Russin von Kindesbeinen an und hatte entscheidenden Anteil an ihrem Aufstieg zum Superstar.

"Als ich die kleine Maria zum ersten Mal getroffen habe, war sie Teil einer Gruppe, aber es hat nicht lange gedauert, bis sie mir aufgefallen ist. Man hat sofort gesehen, dass sie alles hat, was man braucht, um ganz nach oben kommen zu können. Ihre größte Stärke ist, dass sie dich in jedem Match bis zum letzten Punkt nieder fightet", erklärt Bollettieri.

Nach ihrer langwierigen Schulterverletzung kehrte Scharapowa im letzten Jahr auf die Tour zurück und steigerte sich nach anfänglichen Problemen immer mehr - Highlight war ein Turniersieg in Tokio im September.

Wer die Favoriten auf den Australian-Open-Titel aufzählen will, sollte die Russin auf keinen Fall vergessen. Im SPOX-Interview erklärt Maria Scharapowa, was sie während ihrer Verletzungspause am meisten vermisst hat und was sie von Sabine Lisicki hält.

SPOX: Frau Scharapowa, Sie haben in Ihrer Karriere bislang 20 Turniere gewonnen, darunter drei Grand-Slam-Turniere. Viele sagen, dass Sie für Ihr Potenzial eigentlich zu wenige Grand-Slam-Titel auf dem Konto haben. Würden Sie da zustimmen?

Maria Scharapowa: Nein, um ehrlich zu sein überhaupt nicht. Ich habe vor zwei Jahren in Melbourne im Alter von 20 Jahren mein drittes Grand-Slam-Turnier gewonnen. So früh drei Slams zu gewinnen, ist ein Traum. Ich könnte mit meiner Karriere bis heute nicht zufriedener sein - ich bin sehr glücklich über das, was ich erreicht habe.

SPOX: Sie denken also nicht manchmal an verpasste Chancen und trauern einigen Möglichkeiten hinterher?

Scharapowa: Doch, natürlich tue ich das. Jeder tut das. Es gibt im Rückblick immer diese Momente, in denen du denkst, was wäre gewesen, wenn ich das gemacht hätte oder dieses Match gewonnen hätte, aber soll ich Ihnen etwas sagen?

SPOX: Bitte.

Scharapowa: Ich habe jede meiner Niederlagen, auch wenn sie vielleicht manchmal bitter waren, gebraucht, um daraus zu lernen und Erfahrungen zu sammeln.

SPOX: Wimbledon-Sieg 2004, US-Open-Sieg 2006, Australian-Open-Sieg 2008, bitte vervollständigen Sie die Reihe...

Scharapowa: (lacht)... ich weiß, demzufolge müsste ich in diesem Jahr die French Open in Paris gewinnen.

SPOX: Ist das Ihr großes Ziel für diese Saison?

Scharapowa: Ich habe es mir nach meinen ganzen Verletzungsproblemen abgewöhnt, als Ziel zu setzen, dass ich gerne dieses oder jenes Turnier gewinnen würde. Mein Ziel für 2010 lautet: gesund sein. So einfach ist das bei mir. Ich weiß, dass sich die Ergebnisse auf dem Court ganz automatisch einstellen werden, wenn ich gesund bin.

SPOX: Sie sprechen Ihre Verletzungsmisere an, vor allem mit der Schulter hatten Sie große Probleme. Wie hart war es, nicht auf dem Platz stehen zu können?

Scharapowa: Meine Schulterverletzung war sehr frustrierend. Es war die erste schwere Verletzung in meiner Karriere und es war ein unglaublich schwieriger Prozess, bis ich wieder fit war. Ich liebe den Wettkampf so sehr, ich liebe es so sehr, auf dem Platz zu stehen. Als mir das weggenommen wurde, war es sehr hart für mich.

SPOX: Hatten Sie jemals das Gefühl, dass Sie wegen Ihrer Schulter Ihre Karriere beenden müssten?

Scharapowa: Nein, das nicht. Ich habe nie gedacht, dass meine Karriere vorbei ist. Ich wusste, dass ich zurückkommen würde - und dass ich stärker und tougher sein würde als jemals zuvor.

SPOX: Es gibt einige Experten, die behaupten, dass Ihre Schulterprobleme ein Resultat Ihrer Spielweise waren. Haben Sie irgendetwas an Ihrem Spiel umstellen müssen seit Ihrer Rückkehr?

Scharapowa: Nein, überhaupt nicht. Ich spiele genauso wie vorher. Die Schulterverletzung hatte ganz bestimmt nichts mit meiner Spielweise zu tun.

SPOX: Wer zurzeit über das Damen-Tennis spricht, spricht vor allem über Kim Clijsters und Justine Henin. Clijsters' Sieg bei den US Open war eine Sensationsstory. Und auch Henin macht bei ihrem Comeback einen starken Eindruck. Wie gut tut es dem Frauen-Tennis, dass die beiden wieder da sind?

Scharapowa: Dass Kim und Justine wieder auf der Tour sind, ist großartig für den gesamten Tennissport. Sie sind beide großartige Champions, die wir auf der Tour sehr vermisst haben. Ich will mich immer mit den Besten messen, deshalb freut es mich, wieder gegen sie antreten zu dürfen.

SPOX: Alle deutschen Tennis-Fans hoffen, dass Sabine Lisicki weiter durchstartet. Trauen Sie Ihr einen Grand-Slam-Sieg zu?

Scharapowa: Das kann ich ehrlich gesagt schwer einschätzen. Ich weiß nicht sehr viel über Sabine. Ich weiß aber, dass sie eine sehr gute junge Spielerin ist. Es ist toll, dass da ein Mädchen aus Deutschland wieder nach oben kommt.

SPOX: Wenn Sie die Macht hätten, eine Sache im Tennis zu verändern, was wäre das? Wären Sie zum Beispiel dafür, dass auch Frauen Best-of-Five-Matches spielen?

Scharapowa: Nein. Ich glaube nicht, dass das Frauentennis groß verändert werden muss. Das heißt aber nicht, dass man nicht immer schauen sollte, ob man hier und da etwas verbessern kann. Die Einführung des Hawk Eyes war zum Beispiel großartig, das hat dem Spiel gut getan. Wenn jemand eine gute Idee hat, die das Spiel verbessert, bin ich immer dafür.

SPOX: Andre Agassi hat in seinem Aufsehen erregenden Buch davon geschrieben, wie sehr er Tennis gehasst hat. Können Sie solche Gefühle nachvollziehen?

Scharapowa: Nein, ich habe Tennis nie gehasst. Ich habe es immer geliebt und liebe es noch heute. Gegen jemanden anzutreten, dieses Eins-gegen-eins-Duell zu haben, das es im Tennis gibt, das liebe ich einfach.

SPOX: Was lieben Sie sonst noch? Welche Sportarten verfolgen Sie am meisten?

Scharapowa: Ich bin ein ganz großer NBA-Fan. Ich finde es fantastisch, was diese Jungs auf dem Basketball-Feld alles drauf haben.

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