"Wäre einfacher, wenn ich Roger hassen könnte"

Von Interview: Florian Regelmann
Mit 707 Assen liegt Andy Roddick in diesem Jahr auf Platz zwei - nur Ivo Karlovic hat mehr (751)
© Getty

Andy Roddick zog im Wimbledon-Finale gegen Roger Federer zwar den Kürzeren, aber seitdem sehen ihn viele dennoch in einem anderen Licht.

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Vor seinem Auftaktmatch bei den US Open in New York gegen Björn Phau spricht Roddick im SPOX-Interview über das unglaubliche Endspiel gegen Federer, die seltsame Begegnung mit einem Postboten und seine Wertschätzung für Tommy Haas. Und er sagt, was er gerne mit Michael Jordan, Nelson Mandela, Elton John und Barack Obama machen würde.

SPOX: Andy, das letzte große Highlight des Jahres steht an. Die US Open sind in gewisser Weise "Ihr" Turnier. Aber wir müssen zuerst noch einmal auf Wimbledon zurückkommen. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf das Finale zurück?

Andy Roddick: Mit guten Gefühlen. Es war ein unglaubliches Match und insgesamt ein unglaubliches Turnier. Das Wetter war toll - und vielleicht klappt es ja im nächsten Jahr mit dem ganz großen Sieg.

SPOX: Sie können das unmöglich sofort so entspannt gesehen haben. Wie lange hat die Trauerphase gedauert? Die Niederlage war doch herzzerreißend.

Roddick: Klar, das war sie. So eine Niederlage kann man natürlich nicht gleich wegstecken. Es war für mich ja auch ein Deja-vu-Erlebnis. Ich habe nicht zum ersten Mal im Wimbledon-Finale gegen Roger verloren.

SPOX: Haben Sie in der Nacht danach überhaupt ein Auge zugemacht?

Roddick: Jeder denkt wahrscheinlich, dass ich mich im Bett herumgewälzt habe und nicht einschlafen konnte. Aber es war so ein langes Match und ich war körperlich so am Ende, dass ich richtig gut geschlafen habe.

SPOX: Ihre Bilanz gegen Roger Federer...

Roddick: (lacht) Danke, dass Sie die erwähnen. Ich kenne die Statistik.

SPOX: 2:19 hört sich grausam an. Dazu waren Sie in Wimbledon so dicht dran, es hat aber wieder nicht gereicht. Warum sollten Sie Roger Federer jemals wieder schlagen?

Roddick: Es gab einige Matches, in denen ich die Chance zum Sieg hatte. Dazu waren die letzten Matches alle sehr eng. Wenn ich mein bestes Tennis spiele, bin ich ziemlich zuversichtlich, dass ich Roger noch schlagen werde. Auch wenn sich das angesichts meiner katastrophalen Bilanz vielleicht komisch anhören mag.

SPOX: Es ist ja schon so schlimm, dass Sie Tipps von Ihrem Postboten bekommen.

Roddick: Das stimmt. Der Typ stand vor meiner Tür und erzählte mir plötzlich, dass ich deshalb in Wimbledon verloren habe, weil ich so viel schwitzen und mein Shirt während eines Matches nicht oft genug wechseln würde. Er meinte, das schwere Hemd drücke mich dann nieder. Wenn ich das nur vorher gewusst hätte. Das Beste war noch, dass er seinen Vortrag angefangen hat, indem er sagte, dass er von Tennis überhaupt keine Ahnung habe. Das war schon witzig.

SPOX: Was ich mir überlegt habe, ist folgendes: Wäre es nicht viel einfacher für die Spieler auf der Tour, wenn Roger Federer nicht auch noch so sympathisch wäre? Man kann Roger ja nicht mal hassen.

Roddick: (lacht) Der Ansatz gefällt mir. Es ist wahr, dass Roger ein netter Typ ist. Ich mag ihn wirklich - vielleicht wäre es tatsächlich einfacher, wenn ich ihn hassen könnte.

SPOX: Wie ist Ihre Meinung zur Diskussion, ob Roger der größte Tennisspieler aller Zeiten ist?

Roddick: Unglücklicherweise für mich kann ich allen, die sagen, dass er der Größte ist, nur zustimmen. Seine Zahlen sprechen für sich. Und mit dem Sieg bei den French Open hat er die letzten Zweifel beseitigt. Wahrscheinlich hätte ich mehr Grand-Slam-Siege auf dem Konto, wenn ich einer anderen Ära spielen würde, aber es ist wie es ist.

SPOX: Allgemein wird im Circuit über die Big Four gesprochen.

Roddick: Es sollten aber die Big Five sein. Ich finde schon, dass ich in den Kreis mit Federer, Nadal, Murray und Djokovic gehöre.

SPOX: Wir Deutsche haben aktuell niemanden in den Top 10, geschweige in den Top 5, und hoffen mal wieder auf Tommy Haas.

Roddick: Tommy ist ein guter Freund von mir, ein fantastischer Spieler und ohne jeden Zweifel einer der talentiertesten Spieler, die es in den letzten zehn Jahren gegeben hat. Die Deutschen sollten Tommy mehr in ihr Herz schließen - er ist einer der Besten, die es gibt.

SPOX: Wenn wir schon bei deutschen Spielern sind. Sie hatten bei den Australian Open 2008 im Match gegen Philipp Kohlschreiber eine ziemlich berühmt gewordene Auseinandersetzung mit Schiedsrichter Emmanuel Joseph. Ich zitiere: "Du bist ein Idiot. Macht die Schule fertig, Kids, oder Ihr werdet als Schiedsrichter enden."

Roddick: Ich kann mich gut daran erinnern und ich bin ganz ehrlich nicht stolz auf diese Episode. Ich versuche wirklich, reifer zu werden und weniger launisch.

SPOX: Mit welchen Erwartungen gehen Sie jetzt in die US Open?

Roddick: Ich war viermal im Viertelfinale, einmal im Halbfinale, einmal im Finale - und einmal habe ich das Ding gewonnen. Ich erwarte, dass ich sehr weit komme.

SPOX: 2003 haben Sie in New York gewonnen. Ist das bis heute der schönste Moment in Ihrer Karriere?

Roddick: Das ist eine schwierige Frage. Ich war damals erst 21 Jahre alt, das ging alles so schnell. Ich hatte mehrere schöne Momente, der Davis-Cup-Sieg gehört sicher auch dazu. Aber hoffentlich liegen meine besten Zeiten noch vor mir.

SPOX: Wenn Sie Ihre jetzige Form mit Ihrer Form beim US-Open-Sieg vergleichen, waren Sie damals besser oder sind Sie es heute?

Roddick: Ich hatte 2003 einen unglaublichen Sommer, damals war ich total furchtlos, wie noch nie zuvor in meiner Karriere. Aber seitdem ist viel Wasser den Bach herunter gelaufen. Ich habe inzwischen 500 Matches auf der Tour gewonnen. Ob ich jetzt noch besser spiele? Schwierig zu sagen. Ich weiß aber, dass meine Auslosung in Wimbledon in diesem Jahr zum Beispiel härter war als bei meinem Sieg in Flushing Meadows.

SPOX: Was viele auch vergessen: Sie waren mal die Nummer eins in der Welt.

Roddick: Genau da will ich auch wieder hin. Mir die Spitzenposition zurückzuholen, ist auf jeden Fall ein Ziel von mir.

SPOX: Dazu müssen Sie Slams gewinnen. Wenn es bei nur einem Major-Triumph bleiben würde, wie enttäuschend wäre das?

Roddick: Puh, ich weiß nicht. Ich habe in meiner Karriere immer mein Bestes gegeben und werde das auch weiterhin tun. Werde ich mit einem Slam zufrieden sein? Ich werde zufrieden sein, wenn ich mich weiter voll reinhaue und das beste Tennis spiele, das ich eben spielen kann. Wenn das zu mehr Grand-Slam-Siegen führt, ist es toll, aber wenn nicht, weiß ich zumindest, dass ich immer hundert Prozent gegeben habe.

SPOX: Kann es sein, dass Ihre Einstellung auch etwas damit zu tun hat, dass Sie Ihre Karriere mal beinahe beendet hätten?

Roddick: Das hat sicher etwas damit zu tun. Als ich 17 Jahre war, hatte ich bei den Junioren eine böse Niederlagen-Serie, ich habe eine Zeit lang absolut nichts gewonnen. Aber ich habe mich zurückgekämpft.

SPOX: Welchen Anteil hat Ihr Coach Larry Stefanki an Ihrem derzeitigen Erfolg?

Roddick: Er hat einen großen Anteil. Larry zeichnet ein riesiger Optimismus aus, der ist richtig ansteckend. Es war bis jetzt eine gute Partnerschaft zwischen uns und ich hoffe, dass sie bis zum Ende meiner Karriere hält.

SPOX: Nach Ihrer Karriere werden Sie ähnlich wie Pete Sampras sicher viel auf dem Golfplatz zu sehen sein. Wie sieht eigentlich Ihr Traum-Vierer aus?

Roddick: Ich würde am liebsten zu fünft spielen: Mit Michael Jordan, Nelson Mandela, Elton John und Barack Obama. Das wäre genial.

SPOX: Letzte Frage: Wenn die meisten Leute an Andy Roddick denken, denken sie an den unfassbaren Aufschlag. Einverstanden?

Roddick: Das ist total in Ordnung. Asse zu schlagen, macht mir großen Spaß. Es ist eine tolle Art, Punkte zu gewinnen. Wenn Sie mich mitten in der Nacht wecken würden, könnte ich sofort ein Service reinzimmern.

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