"Habe noch nie irgendwo aufgegeben"

Im Alter von 22 Jahren wurde Shaun Murphy 2005 Weltmeister - folgt diesmal der zweite Titel?
© getty
Cookie-Einstellungen

SPOX: Sie sind jetzt schon zwölf Jahre auf der Tour dabei. Wie haben Sie sich in dieser Zeit verändert?

Murphy: Es braucht eine gewisse Zeit, bis man wirklich daran glaubt, dass man mit Spielern wie Steve Davis, Ronnie O'Sullivan oder John Higgins mithalten kann. Spieler, die man viele Jahre im Fernsehen gesehen hat. Es dauert lange, bis man das nötige Selbstvertrauen hat. Aber wenn es endlich da ist, dann funktioniert es auch.

SPOX: Und wie hat sich der Snooker-Sport in dieser Zeit entwickelt?

Murphy: Wir haben so viele Turniere heutzutage. In China, Südamerika, Europa - dort vor allem in Deutschland - wird Snooker immer erfolgreicher. Es schauen so viele Menschen zu wie niemals zuvor, sowohl im Fernsehen als auch bei den Turnieren vor Ort. Daran sieht man, dass Snooker weltweit immer beliebter geworden ist. Der Snooker-Sport war noch nie so gesund

SPOX: Und deshalb war der Wettbewerb auch noch nie so hoch.

Murphy: Genau.

SPOX: Jetzt steht die WM vor der Tür. Sie haben gesagt, dass Sie derzeit Ihr bestes Snooker spielen. Sehen Sie sich als Favoriten?

Murphy: Ich bin nicht sicher, ob ich mich in der Favoritenrolle sehe. An den vermeintlichen Titelanwärtern kommt man kaum vorbei, und ich sehe mich in diesem Favoritenkreis. Aber die WM könnte in diesem Jahr so schwer vorherzusagen sein wie noch nie zuvor. Ich glaube, dass das Niveau bei diesem Turnier so hoch sein wird wie noch nie, mit sehr viel unterhaltsamem Snooker - und mehr Century-Breaks als jemals zuvor.

SPOX: Wie sieht es im Crucible hinter den Kulissen aus: Gibt es eine riesige Umkleidekabine, in der alle zusammensitzen? Oder kommt man, spielt - und geht dann wieder heim?

Murphy: Um ehrlich zu sein ist es im Crucible hinter der Bühne ganz schön eng (lacht). Man macht da normalerweise sein eigenes Ding, bleibt im Hotel und geht nur zum Training hin, oder wenn man sich das Match eines Freundes anschaut. Dann versucht man, in die Atmosphäre des Turniers einzutauchen. Durch die BBC ist es im UK natürlich ein Riesenevent, deshalb wollen alle mit dir immer nur über Snooker reden. Für einen Snookerfan wie mich sind es die zwei besten Wochen des Jahres.

SPOX: Sie haben ihre Freunde auf der Tour ja bereits angesprochen. Muss man sich den Snookerzirkus wie eine riesige Studentenverbindung oder Bruderschaft vorstellen?

Murphy: Man geht schon sehr freundschaftlich miteinander um. Man darf nicht vergessen, dass viele von uns auch schon zur gleichen Zeit bei den Junioren gespielt haben. Ich zum Beispiel mit Mark Selby, Stephen Maguire, Ryan Day oder Neil Robertson. Wir kennen uns also schon viele Jahre. Und wenn dann Freundschaften entstehen, halten die ein Leben lang. Mark Allen, Mark Selby und ich sind auch abseits des Tisches richtig gute Kumpels. Deshalb freue ich mich auch über ihren Erfolg.

SPOX: Gleichzeitig haben Sie ihre Kollegen auch schon in aller Öffentlichkeit kritisiert, Ronnie O'Sullivan zum Beispiel. Wie ist Ihr Verhältnis zueinander?

Murphy: Sehr gut. Ich habe sehr großen Respekt vor ihm als Snookerspieler. Er ist der wahrscheinlich talentierteste Spieler aller Zeiten - was er da am Tisch macht, ist unglaublich. Das hat die Welt noch nicht gesehen. Alle lieben es ihm zuzuschauen, mich eingeschlossen. Er ist großartig für unseren Sport.

Steve Davis im SPOX-Interview: "Ronnie kann auch mit 40 noch Weltmeister werden"

SPOX: Das klingt fast so, als wären Sie ein bisschen eingeschüchtert, wenn Sie bei der WM gegen ihn spielen sollten. Wenn er der Beste ist und niemand an ihn heranreicht...

Murphy: Moment. Ich habe gesagt, dass er der talentierteste Spieler ist. Ich habe nicht gesagt, dass er der beste ist. Jeder da draußen glaubt an sich. Deshalb glaube ich nicht, dass jemand von den anderen Top-Spielern wirklich eingeschüchtert ist. Die Top 8 Spieler der Welt sind davon überzeugt, dass sie alle anderen schlagen können. Und wenn sie dann gegeneinander spielen, kommt es normalerweise zum Feuerwerk.

SPOX: Abseits des Tisches engagieren Sie sich auch für wohltätige Zwecke. Zum Beispiel arbeiten Sie mit einem Kinderkrankenhaus in Manchester zusammen.

Murphy: Ja, ich wollte eine gute Sache unterstützen. Jemand aus meiner Familie wurde dort als Kind behandelt, da schien es eine gute Sache, mich einzubringen.

SPOX: Was tun Sie genau?

Murphy: Immer wenn ich ein Century-Break spiele, dann spende ich 100 Pfund. Das ist nicht viel, aber über einen Zeitraum von einem oder sogar zwei, drei Jahren kommt eine hübsche Summe zusammen. Und das kann dann schon ein Leben verändern.

SPOX: Letzte Frage: Es gibt einen bekannten Clip, in dem man erfährt, dass sie vor ihren Matches Musik von Celine Dion hören, um zu relaxen. Ist das immer noch so?

Murphy: Nein, das war natürlich ein Witz. Ich mag sowieso Elton John viel lieber (lacht).

Seite 1: Murphy über Matches in Deutschland und die größte Krise seiner Karriere

Seite 2: Murphy über das Crucible, Snooker-Freundschaften und O'Sullivan