"Vom DFB können wir viel lernen"

Thomas Lurz stieg bei zwölf Welt- und fünf Europameisterschaften als Sieger aus dem Wasser
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SPOX: Sie haben sich schon in die unterschiedlichsten Gewässer dieser Welt begeben. Was war Ihr bislang schaurigstes Erlebnis?

Lurz: Das wäre vielleicht ein Thema für mein nächstes Buch (lacht). Ich habe wirklich schon allerhand erlebt, bei dem man auf die Zähne beißen muss. Um mal ein Beispiel zu nennen: Bei einem Wettkampf auf Hawaii bin ich auf dem Weg nach Maui über ein Riff geschwommen und unter mir tauchte plötzlich eine Gruppe Haie auf. Ich kenne mich ein bisschen aus und wusste, dass die für Menschen nicht so gefährlich sind, aber da war ich schon beunruhigt.

SPOX: Gibt es noch etwas Schlimmeres als die Tiere im Wasser?

Lurz: Definitiv ja, die Wassertemperatur. Wenn es sehr kalt ist, kann das der Muskulatur schon Probleme bereiten, dann wird es richtig gefährlich. Es sind wirklich Extreme, denen wir im Wasser ausgesetzt sind. Das Reglement erlaubt Temperaturen von 16 bis 32 Grad. Ich habe beides schon erlebt und beides ist wirklich schlimm.

SPOX: Über den Kurs für die Freiwasserschwimmer bei der anstehenden EM in Berlin gab es einige Diskussionen. Wie sehr ärgert es Sie, dass abseits auf einer Regattastrecke in Grünau geschwommen wird und nicht in der Stadt, beispielsweise in der Spree?

Lurz: Das ist eine verpasste Chance für unseren Sport. Olympia in London und die WM in Barcelona haben gezeigt, dass solche Wettkämpfe in der Innenstadt eine Menge Publikum anziehen. Man muss die Sportart zu den Leuten bringen und nicht umgekehrt. Daher werden vermutlich nicht viele Zuschauer kommen und das ist sowohl für uns Athleten als auch für den Schwimmsport sehr, sehr schade.

SPOX: Das Berliner Velodrom, eigentlich eine Halle für das Sechstagerennen und Konzerte, wird für die Kurzstrecken-Events für einen Millionenbetrag in eine Schwimmhalle umfunktioniert. Ist das fair?

Lurz: Es lässt sich sicherlich darüber streiten, ob das fair ist. Das Beckenschwimmen ist dort aber trotzdem richtig aufgehoben, da werden viele Zuschauer kommen und ich bin mir sicher, dass wir dieses Jahr gut abschneiden. Die Männer haben gute Medaillenchancen. Paul Biedermann, Marco Koch oder auch Markus und Steffen Deibler sind alle in guter Form. Und auch bei den Frauen können wir für die eine oder andere Überraschung sorgen. Ich bin mir sicher, dass die EM besser wird als die letzten Events.

SPOX: Wie sieht Ihre Erwartungshaltung aus? Kann es ein anderes Ziel geben, als in jedem Wettbewerb, in dem Sie an den Start gehen, Gold zu holen?

Lurz: (lacht) Ich bin auch mit anderen Medaillen zufrieden. Aber Edelmetall ist schon das Ziel. Und: Je goldener das glänzt, desto besser.

SPOX: Über fünf und zehn Kilometer sind Sie schon seit Langem sehr erfolgreich. Vergangenes Jahr bei der WM starteten Sie erstmals über 25 km - und holten gleich Gold.

Lurz: Priorität hat aber die Olympische Distanz, also die zehn Kilometer, und dafür braucht man auf den letzten 1000 Metern eine hohe Grundgeschwindigkeit. Wenn man zu oft 25 Kilometer schwimmt, geht diese Qualität verloren, darum habe ich das in den Jahren zuvor nicht gemacht. In Barcelona wollte ich diese neue Herausforderung aber einmal angehen. Man braucht immer neue Anreize, um sich physisch und psychisch weiterzuentwickeln.

SPOX: Nach knapp fünf Stunden im Wasser hatten Sie als Sieger nur 0,4 Sekunden Vorsprung auf Platz zwei und bis zum Viertplatzierten waren es nur 1,2 Sekunden Differenz.

Lurz: Das war brutal. In diesen Momenten spürt man gar nichts mehr. Die Technik ist komplett über den Haufen geworfen, die Muskulatur ist mehr als platt. Alles brennt und tut weh. Das ist Extremsport am Limit. Es war so eng zwischen uns, das war ein Hauen und Stechen. Die langsameren Schwimmer versuchen in solchen Situationen, auf Körperkontakt zu gehen und den anderen das Wasser unter dem Körper wegzuziehen. Es wird schon ziemlich taktiert. Ich sehe immer zu, mich da in so einem Finish möglichst herauszuhalten.

SPOX: Im Freiwasserschwimmen ist nur die Zehn-Kilometer-Strecke bei Olympia vertreten. Beim ersten Wettbewerb 2008 in Peking holten Sie Bronze, in London 2012 Silber. Das müsste dann eigentlich Gold in Rio 2016 bedeuten, oder?

Lurz: Das würde ich sofort unterschreiben. Das ist die einzige Medaille, die in meiner Sammlung noch fehlt. Aber ich habe immer gesagt, dass ich mich noch nicht festlege. Die EM will ich schon noch abwarten und dann überlegen, ob ich Rio noch in Angriff nehme oder nicht. Es sieht auf jeden Fall nicht schlecht aus, also die Tendenz geht zu einem Start bei Olympia. Aber das ist noch kein definitives Ja.

SPOX: Was spricht denn gegen einen Start in Rio?

Lurz: Mein Ziel ist es natürlich, noch mal eine Olympische Medaille zu gewinnen und ich würde dort ja nicht ohne Ambitionen hinfahren. Wenn ich über die zehn Kilometer Olympiasieger werden will, müsste ich in den nächsten zwei Jahren gut und gerne 8.000 Trainingskilometer abreißen. Das bedeutet schon ordentlich Arbeit - und zwar 365 Tage im Jahr. In dieser Zeit muss man alles dem Ziel unterordnen, aber es wäre auch eine tolle Herausforderung.

Seite 1: Lurz über Dirk Nowitzki, Robert Harting und das Dschungelcamp

Seite 2: Lurz über Haie, seinen härtesten Wettkampf und Olympia 2016

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