Massencrash: Martin fehlt 1 Sekunde

SID
Nach einem Crash wurde die 3. Etappe unterbrochen
© getty

Die Tragik um Tony Martins Traum in Gelb scheint bei der Tour de France kein Ende zu nehmen - und inzwischen entwickelt der deutsche Radprofi schon Galgenhumor. "Ich kann nur noch darüber lachen", sagte Martin, nachdem ihm an der Mauer von Huy eine läppische Sekunde zum "Maillot jaune" gefehlt hatte, das nun der britische Mitfavorit Christopher Froome wegen einer Zeitgutschrift auf seinen Schultern trägt.

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Zum dritten Mal bei der 102. Auflage der Frankreich-Rundfahrt war das Gelbe Trikot für Martin zum Greifen nah, zum dritten Mal schnappte ein Gegner ihm das ersehnte Karrierehighlight vor der Nase weg.

Doch diesmal saß der Frust nicht ganz so tief wie zuvor, denn der 30-Jährige wäre beinahe in einen brutalen Massensturz verwickelt worden, der seinen Konkurrenten Tom Dumoulin (Niederlande/Giant-Alpecin) sowie den als Spitzenreiter gestarteten Schweizer Fabian Cancellara (Trek) alle Hoffnungen kostete und die Tour für etwa zehn Minuten zum Stillstand brachte.

Die 3. Etappe in der Übersicht

"Ich habe es nur krachen hören, ich hatte richtig Glück", sagte Martin zu dem Hochgeschwindigkeitssturz rund 60 km vor dem Ziel im belgischen Huy, nach dem die Straße wie ein Trümmerfeld aus Rädern und verletzten Fahrern aussah.

Dumoulin (Schulter) musste wie der Australier Simon Gerrans (Handgelenk), der Russe Dimitri Kosontschuk und der Sturzauslöser William Bonnet (Frankreich) aufgeben, Cancellara quälte sich mit großem Rückstand bis an das Etappenende.

"Das ist kein Tiefschlag"

"Es wäre aufgrund der Stürze auch nicht die ganz große Ehre gewesen, Gelb zu bekommen. Ich kann das diesmal besser verkraften, das ist kein Tiefschlag", sagte Martin, während der Tagessieger Joaquim Rodriguez (Spanien) nach 159,5 km seinen Triumph an der Ankunft des Klassiker Fleche Wallonne genoss.

Froome schlüpfte ins Führungstrikot, weil er für Rang zwei sechs Bonussekunden erhielt. Martin war 40 Sekunden hinter dem Tour-Sieger von 2013 angekommen.

Wie der gebürtige Cottbuser kam auch John Degenkolb (Gera) beim verhängnisvollen Sturz mit dem Schrecken davon. Auf einer abschüssigen Geraden hatte Bonnet (FDJ) das Hinterrad eines Kollegen touchiert und eine fatale Kettenreaktion ausgelöst.

Räder und Fahrer flogen übereinander, und gerade Degenkolb wäre offenbar um ein Haar mitgerissen worden. "Es ist ein doofes Gefühl, wenn man mitverwickelt, aber verschont geblieben ist", sagte er.

Greipel baut Vorsprung aus

Der Tour-Veranstalter ASO unterbrach daraufhin aus Sicherheitgründen das Rennen. Die Aktion wurde unterschiedlich aufgenommen. Sportdirektor Jens Zemke aus dem südafrikanischen Team MTN-Qhubeka unterstützte den Zwischenstopp. "Das war ein Riesen-Massensturz mit cirka 50 Fahrern.

Ich habe vollstes Verständnis für die Entscheidung, sonst wäre noch mehr Panik ausgebrochen", sagte Zemke in der ARD. Degenkolb meinte, "wir müssen unsere Kollegen respektieren".

Sein Landsmann Andre Greipel erlebte unterdessen nach dem Etappensieg vom Sonntag einen weiteren erfolgreichen Abschnitt. Der Rostocker baute mit dem Gewinn des Zwischensprints seine Führung in der Wertung um das Grüne Trikot aus.

Für Cancellara dagegen war der 29. Tour-Tag seiner Laufbahn in Gelb bei seiner letzten Großen Schleife ein Unglück. "Noch ist es nicht offiziell, aber ja: das ist meine letzte Tour", hatte Cancellara vor dem Etappenstart gesagt und noch keine Ahnung, was ihm widerfahren würde.

Degenkolb als Favorit?

Es bleibt auch am Dienstag für die Klassementfahrer, von denen Alberto Contador (Spanien/Tinkoff-Saxo), Titelverteidiger Vincenzo Nibali (Italien/Astana) und der Kolumbianer Nairo Quintana (Movistar) am Montag Punktniederlagen gegen Froome kassierten, herausfordernd: Nach dem Grenzübertritt von Belgien nach Frankreich zwischen Seraing und Cambrai über 223,5 km steht das Kopfsteinpflaster des Klassikers Paris-Roubaix bevor.

Degenkolb freute sich bereits auf den Ausflug in die Hölle des Nordens. "Ich habe sicher nicht nur Nachteile, weil ich Roubaix-Sieger bin", sagte Degenkolb.

Martin hält den Thüringer für den "Top-Favoriten", will sich aber auch selbst wieder in Szene setzen und nicht von seinem persönlichen Gelb-Fluch abhalten lassen. "Heute hatte ich es in der Hand, aber ich hatte echt schlechte Beine. Morgen klappt es dann", sagte er.

Der Massensturz hat die ersten Aufgaben nach sich gezogen. Tom Dumoulin (Giant-Alpecin), zum Zeitpunkt des Vorfalls Dritter des Gesamtklassements, sowie der frühere Sanremo-Sieger Simon Gerrans (Australien/Orica), William Bonnet (Frankreich/FDJ) und Debütant Dmitri Kosontschuk (Russland/Katjuscha) konnten das Rennen am Montag nicht mehr fortsetzen. Damit sind lediglich noch 194 von 198 am Samstag in Utrecht gestarteten Radprofis im Rennen.

Tour de France 2015: Die Gesamtwertung

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